Meine Antwort auf die Kritik von links an meiner Neujahrsgegenansprache

 Meine Beiträge „George Soros Forderungen zur Flüchtlingspolitik als Basis für Merkels Neujahrsbotschaft“ und vor allem „Meine Neujahrsgegenansprache: Warum wir Flüchtlinge nicht integrieren dürfen“ gehören schon nach wenigen Tagen zum meistgelesenen Dutzend auf diesem Blog. Das nehme ich als Beweis dafür, dass es sehr viele Menschen gibt, die die Gründe für ihr Unbehagen nirgends ernsthaft diskutiert finden. Damit meine ich Leute, die nicht einfach fremdenfeindlich oder islamfeindlich sind, denn ich habe ausdrücklich den radikalisierten Teil der AfD als Problem einsortiert und diejenigen kritisiert, die Geflohene als Gegner darstellen und Hass schüren.

Ralf Krämer hat in seiner Kritik sehr gut formuliert, warum es so schwierig ist, derzeit etwas Kritisches zur Politik der halboffenen Grenzen zu sagen. Er schreibt: „Manche Formulierungen finde ich aber doch problematisch, weil sie über den wörtlichen Gehalt hinaus Assoziationen und Haltungen ansprechen, die nicht humanistisch sind, etwa die Rede vom ‚ausgrenzen‘.“  Er schreibt, Ich bemängele zurecht, dass die Worte „Asyl“ und „Schutz“ in Merkels Ansprache nicht vorkommen, aber gleichzeitig weise mein Text den Mangel auf, dass „Solidarität“ und eine klare und harte Verurteilung jeglicher Ausschreitungen und Angriffe gegen Flüchtlinge und der dafür Verantwortlichen fehlen. Damit verharmlose ich die Rolle der AfD bzw. rassistischer und neonazistischer Kräfte, die Hass und Gewalt bewusst und absichtlich anstacheln.

Wegen dieser „Assoziationen und Haltungen“, die ich angeblich anspreche, habe ich viele Monate gebraucht, bevor ich mein Unbehagen vernünftig benennen und zu Papier bringen konnte.

Zuerst eine Klarstellung: Ich habe das Fehlen des Wortes „Asyl“ in Merkels Botschaft nicht aus ethischen Gründen kritisiert, sondern weil es zeigt, dass sie unter den Prämissen einer verkappten Zuwanderungspolitik redet und handelt und nicht unter den Prämissen einer Asylpolitik.

Ich habe nie Hass oder Gewalt gegen Muslime oder Ausländer geschürt. Nichts läge mir ferner. Aber ich muss offenbar Assoziationen und Haltungen gegen mich gelten lassen, nur weil ich mich nicht ausreichend ausdrücklich davon distanziere. Viellicht wäre es strategisch klüger gewesen, dies zu tun. Stattdessen habe ich mich von meinem Widerwillen dagegen leiten lassen, mich hinter einer Monstranz geheuchelter Werte einzureihen, mit denen uns unsere politischen Führer und Führerinnen auf ihren Weg locken und die Unwilligen hinterherzerren wollen. Aber es ist ja nicht zu spät. Ich kann die Distanzierung nachholen.

Ich finde Karikaturen in westlichen Medien, die die religiösen Gefühle von Moslems mutwillig verletzen, verwerflich, weil Moslems im Westen eine an den Rand gedrängte Minderheit sind, der man nicht noch mehr zusetzen sollte, nur weil es die heimischen Pressegesetze erlauben. Ich finde es zutiefst heuchlerisch, dass die gleichen Politiker, die ausweislich ihres Redens und Handels tausende muslimische Terroropfer weniger beklagenswert finden als ein hellheutig-christliches Opfer, die Moralkeule schwingen, wenn jemand für Begrenzung des Zuzugs eintritt. Wann genau sind unsere Regierungschefs gemeinsam nach Kabul und in andere muslimische Städte gereist, wie nach Paris, um ein Solidaritätsstatement zu setzen? Nie, obwohl dort sehr, sehr viel mehr Menschen Opfer des Terrors werden. Wo ist das Eintreten der humanistischen Frau Merkel und ihrer Mitregenten gegen den völkerrechtswidriger Staatsterrorismus gegen Muslime, wie er mit den Drohnenexekutionen ohne Verhandlung und Gerichtsurteil von deutschem Boden aus unterstützt wird. Nein, ich sehe mich nicht gezwungen, für offene Grenzen zu sein, nur weil diese Leute das zu einem humanistischen Imperativ erklärt haben.

Die moralische Keule, die gegen jeden geschwungen wird, der die Politik der Regierung in dieser Frage kritisiert, macht eine ernsthafte Diskussion unmöglich und macht damit Teile der Bevölkerung politisch mundtot. Das ist aus meiner Sicht mitverantwortlich für die zunehmende Radikalisierung der mundtot gemachten. Es gibt sicherlich einen harten Kern von Neonazis, Fremdenfeinden und Moslemhassern in unserem Land, wie überall. Aber das ist kein Virus. Wenn so etwas zunimmt und sich ausbreitet, dann hat das auch nicht seine Ursache in einer plötzlichen Verböserung der Menschen, sondern ist eine Folge von Fehlentwicklungen. Diese sind zu kritisieren und abzustellen, will man die Radikalisierung stoppen. Wer sich darauf fokussiert, die Kritiker und bereits Radikalisierten zu beschimpfen, der versucht, was Bertold Brecht mit dem Dreizeiler lächerlich gemacht hat:

„Der Mensch der ist nicht gut,
 drum hau ihn auf den Hut,
vielleicht wird er dann gut.“

Man nehme nur die AfD. Die Moralkeule, die gegen alle, auch die vielen moderaten Mitglieder geschwungen wurde, hat die Spaltung begünstigt oder gar herbeigeführt. Die AfD ist nun viel radikaler als vorher und noch viel erfolgreicher. Das ist ein Erfolg, den sich die rechtschaffenen Humanisten, die sich hinter einer Moral heuchelnden Regierung eingereiht haben, auf die Fahnen schreiben dürfen.

Wenn man ihn nicht jedes Mal gleich auf den Hut haut, wenn der charakterlich nicht voll gefestigte Mensch den Mund aufmacht, dann verzichtet er vielleicht darauf, sein aufgeheiztes Mütchen am nächstbesten Schwächeren zu kühlen. Nebenher erfährt man dann auch, wer dafür ist, die Grenzen zu öffnen, und wer nicht und kann das diskutieren, wie sich das in einer Demokratie gehört.

Eine aufrechte humanistische Gesinnung allein taugt leider gar nichts als Handlungsrichtschnur, in einer Welt, in der Abermillionen Menschen davon träumen und meist nur davon träumen können, in Europa ein besseres Leben zu führen. „Grenzen auf, alle reinlassen!“, das kann kaum die Maxime sein. Wenn es sie nicht ist, dann MUSS man sich der Frage stellen: Wen und wie viele will man reinlassen? Tut man es nicht, dann heuchelt man nur Menschlichkeit.

Die Selektion geschieht schon, aber die Entscheider machen das im Dunkeln, hinter einem Schutzschild aus durch geschickte PR aktivierten humanistischen Assoziationen und Haltungen. An den EU-Außengrenzen werden erwünschte (von wem auch immer) Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan etc. reingelassen und unerwünschte abgewiesen. Das kam mal kurz in den Nachrichten und Zeitungen als Abgewiesene sich aus Protest an der Grenze die Lippen zunähten, verschwand aber schnell wieder und wurde vergessen. Welchen humanistischen Haltungen und Kriterien folgt das?

Die jetzige Politik der offenen Grenzen mancher Länder für manche Flüchtlinge und sonstige Migranten hat, wenn man die Konsequenzen und Selektionen mitdenkt, die damit verbunden sind, keine in humanistischen Idealen wurzelnde Rechtfertigung. Sie sieht nur so aus, wenn man nicht allzu genau hinsieht.

Mein Gegenentwurf ist folgender.

Wir wirken bei unseren Allierten darauf hin, dass das absichtliche Anheizen von Bürgerkriegen aufhört und die betroffenen Länder stabilisiert werden. Wir beteiligen uns nicht mehr an ausländischen Kriegseinsätzen.

Es gilt die Dublin-Regel, wonach Asylsuchende im ersten sicheren Staat Asyl beantragen müssen.

Die finanziellen und sonstigen Hilfen für die Staaten, die das betrifft, werden massiv erhöht.

Bei Bedarf werden dafür die Steuern für die Gutverdiener und Wohlhabenen erhöht, soweit ein gekürzter Militärhaushalt nicht ausreicht. Notfalls steigt auch das Staatsdefizit.

Arme Länder werden nicht mehr in für sie nachteilige Handelsabkommen gezwungen, wie jüngst etwa Kenia. Bestehende Abkommen werden neu verhandelt, sodass die armen Länder eine Chance auf etwas Wohlstand bekommen. „Entwicklungs“-hilfe wie bisher betrieben wird eingestellt. Der Mikrokreditmafia wird das Handwerk gelegt. Die EU verzichtet darauf, vor afrikanischen Ländern die Meere leerzufischen, usw., usf.

Das wird natürlich nicht passieren, weil die humanistischen Ideale unserer politischen Führer und vieler derer, die ihnen gerne folgen, eben nur geheuchelt sind, und es ihnen um harte Interessenpolitik geht. Aber es kann denen, die nicht mitheucheln wollen, einen Leitfaden bei der Argumentation geben.

Wenn etwa die CSU will, dass an den Grenzen wieder die Ausweise kontrolliert werden, dann muss man sie nicht reflexartig als inhuman schelten. Man kann die Forderung auch im Prinzip unterstützten und von der CSU eine Erklärung einfordern, ob sie dann auch dafür sind, dass wir die nötigen Mittel bereitstellen (und wie), um den Ländern zu helfen, in denen die Abgewiesenen dann bleiben müssen, oder in die sie zurückkehren müssen. Dann liegen drei Alternativen auf dem politischen Diskussionstisch, wie sich das gehört: 1. Grenzen zumachen und seht doch, wo ihr bleibt oder2. Grenzen zumachen und großzügig helfen und 3. Reinlassen und dann weitersehen (wobei irgendjemand natürlich doch aussiebt).

Wenn jeder, der sich dafür ausspricht, die Grenzen weiter Grenzen sein zu lassen, in die Nähe von Rassisten gerückt wird, gibt es diese Diskussion um Alternativen nicht.

Natürlich war das „nicht integrieren dürfen“ im Titel meines Beitrags zugespitzt, um den Punkt zu machen. Es stimmt, dass viele bleiben werden. Aber es ist eben ein wichtiger Unterschied, ob man implizit oder explizit davon ausgeht, dass alle zu uns Gekommenen und noch Kommen-Wollenden als dauerhaft Zugewanderte angesehen und möglichst schnell integriert werden sollten, so wie das Angela Merkel in ihrer Neujahrsbotschaft tat, oder ob man von einer Asylpolitik im weiteren Sinne ausgeht, die für Kriegsflüchtlinge im Prinzip auf temporären Schutz angelegt ist.

Dazu ein Auszug aus Wikipedia:

Unter Asylrecht versteht man alle materiellen Normen der temporären Aufnahme Verfolgter und der Abschiebung oder Einbürgerung (Naturalisation);im Speziellen einerseits das konkrete Recht des Einzelnen, als Asylbewerber Asyl zu beantragen und andererseits die humanitäre Verpflichtung einer gesellschaftlichen Gruppe, darauf einzugehen.Als Flüchtlinge anzuerkennen sind Menschen, wenn sie (…) sich außerhalb ihres Heimatlandes befinden und berechtigte Furcht haben müssen, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden. Wirtschaftliche Not, Naturkatastrophen, Krieg oder Armut werden nicht als Fluchtgründe im Sinne des internationalen Asylrechts anerkannt. Den z. B. durch Krieg vom Tode bedrohten Menschen kann jedoch ein zeitweiliger subsidiärer Schutz gewährt werden, etwa für die vom seit 2011 andauernden syrischen Bürgerkrieg betroffenen Menschen.

Herr Krämer schreibt:

 „Ich kann auch Ihre Analyse der Empfehlungen von Soros nachvollziehen und finde wichtig, bei solchen sich humanistisch gebenden Texten die realen Ziele und Interessen dahinter aufzuzeigen, die ja nicht nur Soros und seine Stiftungen verfolgen. Genauso wenig wie dahinter tatsächlich humanistische Zwecke stehen, so wenig werden aber andererseits alle Aussagen und Politiken, die in Einzelpunkten dazu passen, deswegen falsch, weil Soros und andere damit Ziele verfolgen, die weder im Interesse der Menschen in Deutschland und Europa noch in den Fluchtherkunftsländern sind.“

Hier macht er es sich zu einfach. Man muss sich fragen, welche strategische Linie diejenigen, die die Richtung bestimmen, verfolgen. Wenn man zum Schluss kommt, dass man diese Richtung ablehnt, dann macht man sich zum nützlichen Idioten, wenn man mithilft, Kritik daran zu ersticken. Man darf natürlich weiterhin seine Ideale hochhalten und äußern, auch wenn sie von anderen geheuchelt und missbraucht werden. Aber man sollte dies nicht tun, ohne gleichzeitig auf diesen Missbrauch hinzuweisen und kritisch über das große Ganze zu sprechen.

Wenn Herr Krämer schreibt, es sei besser für die Arbeitnehmer die Zugewanderten zu integrieren und auszubilden, als sie zu einen riesigen Lumpenproletariat werden zu lassen, so geht er an der Frage vorbei, ob wirklich jeder Zugewanderte hier dauerhaft bleiben dürfen soll und ob wir wirklich jedem, der an unseren Grenzen auftaucht, Gastfreundschaft anbieten wollen und müssen. (Wie erwähnt sind es de facto nur von der Regierung freihändig ausgewählte, für die das gilt.) Jeder, der in einer größeren Stadt wohnt, hat die Möglichkeit, herauszufinden, was passiert, wenn er eine Politik der offenen Haustür und des gedeckten Tisches für alle hilfsbedürftigen Obdachlosen verfolgt. Entsprechend selten geschieht das, und kaum jemand würde diejenigen, die trotz eigenem Wohlstand darauf verzichten, Unmenschen nennen. Herr Krämer meint, es sei nicht zumutbar, jemand, der im Heimatland keine (gute) Perspektive hat, zur Rückkehr aufzufordern. Perspektiven kann man schaffen, im Heimatland so gut oder so schlecht wie bei uns. Und leider sind auch hunderte Millionen in ihren Heimatländern gebliebene Menschen ohne vernünftige Lebensperspektive. Ihre ist sogar sehr oft noch viel schlechter, weil sie nicht die Ressourcen hatten und haben, es bis nach Europa zu schaffen.

Resümee: Kriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte sind Opfer, die Hilfe brauchen und verdienen, Armutsflüchtlinge ebenso. Sie als Eindringlinge zu verunglimpfen und mit Einbrechern gleichzusetzen und zu bekämpfen, ist falsch und widerlich. Kriegsgeschädigte und perspektivlos Arme in ihren Heimatländern und den Nachbarländern sind auch Opfer, die Schutz und Hilfe verdienen. Diejenigen, die implizit dafür eintreten, unsere Regierung freihändig und nach geopolitischen Erwägungen an der Grenze auswählen zu lassen, wer rein darf, und die ganze Hilfsbereitschaft dann auf diese Glücklichen zu konzentrieren, haben kein Monopol auf moralische Rechtschaffenheit.

Ich danke Herrn Krämer herzlich, dass er mir mit seiner wohlformulierten und freundlichen Zuschrift die Gelegenheit gab, mir das klarzuschreiben und möchte betonen, dass nichts von dem, was ich weniger diplomatisch erwidert habe, auf ihn persönlich gemünzt ist. Ich kenne ihn als sehr integren, klugen und rechtschaffenen Menschen.

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