Stellungnahme von Karl-Heinz Paqué

Die folgende Stellungnahme von Karl-Heiz Paqué bezieht sich auf meinen Blogbeitrag: „Für Wirtschaftsweise und Arbeitgeberlobbyisten gilt der Ethikkodex des Ökonomenverbands VfS nicht.“ N.H.)

Vorbemerkungen

Die PWP ist weiterhin eine Zeitschrift, in der Beiträge zur Wirtschaftspolitik nach einem normalen Referee-Prozess publiziert werden – in der Rubrik „Beiträge aus der Forschung“, zumeist zwei bis drei pro Heft. Darüber hinaus werden von ausgewiesenen Experten zu bestimmten Themen – auf Einladung – Übersichtsartikel („Rubrik Wissenschaft im Überblick“) oder Beiträge in der Rubrik „Aus aktuellem Anlass“ publiziert oder in weiteren Rubriken wie „Aus dem Verein für Socialpolitik“. Diese unterliegen ausdrücklich keinem Referee-Prozess, wohl aber einer stilistischen Überarbeitung, die sie für ein breiteres interessiertes Publikum jenseits der reinen Wissenschaft gut lesbar macht (dies wird von der Chefredakteurin geleistet). Analoges gilt für die Rubrik „Das Gespräch“, das sui generis auf Einladung zustande kommt. Der Verzicht auf den Referee-Prozess sorgt dafür, dass die Beiträge farbiger, fülliger, auch vielleicht provokanter ausfallen, als sie ausfallen würden, unterlägen sie dem Referee-Prozess, der eher „glatt schleift“. Im Gegenzug sind wir außerordentlich offen für Kommentare – auch und gerade kritische, die der Sichtweise der Autoren widersprechen. Die bisherigen Erfahrungen mit dieser Grundphilosophie sind sehr positiv: Die Kolleginnen und Kollegen aus der Profession empfinden das Ergebnis als Bereicherung der wirtschaftspolitischem Diskussionslandschaft auf hohem Niveau, und die interessierten Praktiker sind froh darüber, dass sie den Einstieg in die Materie auf diesem Weg leichter finden. (…)  

Zu den Fragen im Einzelnen

Frage 1. Der Ethik-Kodex des VfS verpflichtet die Zeitschriftenherausgeber ausdrücklich in besonderer Weise. Trotzdem erschien in Heft 2, 2016 der Perspektiven der Wirtschaftspolitik ein sehr problematischer Artikel von Lars Feld und Christoph Schmidt, dessen Aussagen und Methodik ein Mitglied der Ethikkommission des Vereins (G. Kirchgässner) im Wirtschaftsdienst 2015 aus früherem Anlass in die Nähe der „Täuschung der Öffentlichkeit“ rückte und als „wissenschaftlich in keiner Weise abgesichert“ bezeichnete?

Die PWP sind eine Zeitschrift, in der über wirtschaftliche Fakten und Wirtschaftspolitik diskutiert wird, durchaus kontrovers und vielleicht auch mal scharf. Dies schließt den Beitrag von Feld/Schmidt ein, und zwar in allen relevanten Dimensionen wie Methodik, Evidenz, Argumentation, Wortwahl und Weiteres. Ich finde die Sachauseinandersetzung belebend, auch die scharfe. Ich würde es begrüßen, wenn es zu sachkritischen Kommentaren käme, und ich würde diese gerne publizieren. Bisher hat sich aber noch niemand gemeldet, um einen solchen Kommentar für die PWP zu Feld/Schmidt zu verfassen, auch nicht der hochgeschätzte Kollege Kirchgässner und auch nicht Sie, lieber Herr Häring. Abstrakte Diskussionen über das, was man darf und was nicht, halte ich allerdings für wenig produktiv. Sie sorgen im Ergebnis dafür, dass versucht wird, einen argumentativen Kontrahenten durch Moralisieren mundtot zu machen. Mein Prinzip ist: Es zählen Sachargumente, und nur diese – übrigens völlig egal, wer sie formuliert.

Frage 2. Haben Sie in dem Beitrag Verstöße gegen den Ethik-Kodex wahrgenommen und wie beurteilen Sie das im Lichte meiner Erläuterungen?

Ich sah und sehe keine Verstöße gegen den Ethik-Kodex, auch nicht nach Ihren Erläuterungen. Wenn man den Beiträgen in den PWP im Interesse einer fruchtbaren wirtschaftspolitischen Diskussion den Freiraum zubilligt, den ich oben unter Punkt 1 erläutert habe, kann es gar keine andere Schlussfolgerung geben. Selbstverständlich wird auch denjenigen, deren Arbeit dabei möglicherweise widersprochen oder angegriffen wird, die Möglichkeit gegeben, in den PWP darauf zu reagieren.

Frage 3. Sie sind INSM-Botschafter und INSM-Blogger. Würden die Ethikregeln des VfS nicht verlangen, die Leser der PWP hierauf hinzuweisen? Bekommen oder bekamen Sie für eine dieser Tätigkeiten oder aus sonstigem Anlass Geld von der INSM?

Zur ersten Teilfrage: nein. Ich habe viele Funktionen, die bei böswilliger Betrachtung zur Schlussfolgerung verleiten könnten, ich sei nicht unabhängig. Ich hielte es für abwegig, all diese Funktionen, die allgemein bekannt sind, immer ausdrücklich zu nennen. So bin ich u. a. Mitglied im Bundesvorstand der FDP, stellv. Vorstandssitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Mitglied des Konvents für Deutschland etc etc.

Zur zweiten Teilfrage: nein – jedenfalls nicht, soweit ich mich erinnern kann (ich bin meines Wissens seit der Gründung der INSM Botschafter, also mehr als eineinhalb Jahrzehnte, ein recht langer Zeitraum, der mein Gedächtnis durchaus strapaziert). Für die INSM engagiere ich mich ausschließlich, weil ich die Soziale Marktwirtschaft als ordnungspolitisches Konzept befürworte – als überzeugter Liberaler.

Frage 4. Die von Prof. Kirchgässner als unwissenschaftlich charakterisierte Methodik stammt vom IW. Sind Sie nicht aufgrund verschiedener Verbindungen mit den Autoren und dem IW zu befangen gewesen, um über die Veröffentlichung des Aufsatzes von Feld und Schmidt zu entscheiden?

Ich bin, was bekannt ist, seit der jüngsten Gründung des Wissenschaftlichen Beirats des IW dessen Mitglied. Darüber hinaus kenne und schätze ich die beiden Autoren Lars Feld und Christoph Schmidt seit langem. Ich betrachte beide als „kollegiale Freunde“, und ich wäre erfreut, wenn beide mich ebenso als einen kollegialen Freund ansehen würden. Mit beiden habe ich an unterschiedlichen „Baustellen“ sehr gut zusammengearbeitet: Mit Christoph Schmidt war ich von 2011 bis 2013 Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zu Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität, er und ich von der FDP als Experten nominiert; Lars Feld ist langjähriges Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Herbert Giersch Stiftung, deren Vorstandsvorsitzender ich bin. Daraus – oder aus weiteren Freund- und Bekanntschaften im kollegialen Rahmen – eine Befangenheit abzuleiten, würde bedeuten, dass ich tatsächlich für jedwede Führungsaufgabe als Herausgeber ungeeignet wäre, weil ich zu vielen Kolleginnen und Kollegen freundschaftliche Kontakte pflege – vor allem zu solchen, die gerne intensiv, kontrovers und offen diskutieren, so wie ich selbst auch.

Frage 5. Haben Sie über die Veröffentlichung des Beitrags von Knabe-Schöb zum Mindestlohn in Heft 2, 2014 der PWP entschieden? Wenn ja: waren Sie nicht aufgrund der Verbindung von Schöb mit der INSM befangen? Hätten die Leser nicht darauf hingewiesen werden müssen, dass Schöb auch im Auftrag der INSM die Arbeitsmarktwirkungen des Mindestlohns analysierte?

Erste Teilfrage: ja, selbstverständlich (ich bin federführender Herausgeber der PWP).

Zweite Teilfrage: Nein, und zwar weil sich die Situation bei Herrn Schöb ganz ähnlich darstellt wie bei den Herren Feld und Schmidt. Ronnie Schöb ist übrigens nicht nur über die INSM mit mir verbunden, sondern er war auch Mitglied meiner Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, bevor er an die FU Berlin wechselte; und sein Ko-Autor Andreas Knabe ist noch immer Mitglied dieser Fakultät, deren Dekan ich seit 2010 bin (und ich bin sehr froh darüber, ihn als exzellenten Kollegen in meiner Fakultät zu wissen). Alleiniges Kriterium für meine Entscheidung, die Herren Knabe und Schöb mit Ko-Autor Thum zu ermuntern, einen Survey zum Thema Mindestlohn für die PWP zu schreiben, war die Tatsache, dass beide dazu ausgewiesene Fachleute sind. Alles andere war und ist mir völlig egal. Jedem, der nicht die Auffassungen von Knabe/Schöb/Thum vertritt, steht es frei, sich sachlich dazu zu äußern, wie dies ja auch der Kollege Wolfram Richter (allerdings nur er, sonst hat sich niemand kritisch gemeldet) in den PWP getan hat.

Dritte Teilfrage: Nein, denn es würde zu weit führen, über jeden Autor einen „track record“ seiner früheren Äußerungen zu publizieren. Es steht jedem frei, sich über alle möglichen Aktivitäten des betreffenden Autors im Internet zu informieren oder – bei abweichender Meinung – diese in den PWP zu publizieren. Seit Beginn meiner Herausgeberschaft wurde kein Kommentar für die Publikation abgelehnt. Auch Ihnen, lieber Herr Häring, habe ich telefonisch angeboten, einen Kommentar für die PWP zu schreiben – allerdings mit der Anregung, sich auf die Sachargumente zu konzentrieren und nicht abstrakte ethische Kriterien zu diskutieren.

 

 

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