Der Nationale Biotech-Sicherheitsrat liefert die Begründung für den Ausstieg der USA aus dem WHO-Pandemievertrag

11. 05. 2025 | Vor wenigen Wochen hat in den USA die National Security Commission on Emergent Biotechnology (NSCEB) ihren Bericht vorgelegt. Darin wird die Konkurrenz mit China um die Spitzenposition in der Biotechnologie zu einer Angelegenheit der nationalen Sicherheit ersten Ranges erklärt. Mit einer Unterschrift unter den WHO-Pandemievertrag und wohl auch mit einer Mitgliedschaft in der WHO sind die Empfehlungen der Kommission unvereinbar.

Im Abschlussbericht der 2021 vom US-Kongress eingesetzten Nationalen Sicherheitskommission zur Biotechnolgie der Zukunft heißt es (übersetzt):

„Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte konkurrieren die Vereinigten Staaten mit einem Rivalen um eine neue Form der Technik, die enormen Reichtum schaffen wird, in den falschen Händen aber auch zur Entwicklung mächtiger Waffen verwendet werden könnte. Länder, die den Innovationswettlauf gewinnen, gewinnen in der Regel auch die eigentlichen Kriege. Wir treten in das Zeitalter der Biotechnologie ein, eine Zeit, in der die Biologie die Grundlage der Innovation bildet. Von ertragreicherem Saatgut über gezielte Krebstherapien bis hin zur Möglichkeit genetisch verbesserter Soldaten reicht die Reichweite der Biotechnologie weit über das Labor hinaus. Jeder strategische Sektor – einschließlich Verteidigung, Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Energie und Produktion – kann durch die Biotechnologie vorangebracht, aber auch zerstört werden. Dabei geht es nicht nur um wissenschaftliche Errungenschaften, sondern um Fragen der nationalen Sicherheit, der wirtschaftlichen Macht und des globalen Einflusses.“

Ab 17. Mai soll in Genf auf der Weltgesundheitsversammlung über einen WHO-Pandemievertrag debatiert werden, der der Öffentlichkeit immer noch vorenthalten wird. Ende Mai soll er dann „im Konsens“ angenommen und danach von den einzelnen Ländern ratifiziert werden. Über die hässlichen Pferdefüße dieses Abkommens haben wir hier mehrfach berichtet, zuletzt per Gastbeitrag von Prof. Amrei Müller unter dem Titel: „Der WHO-Pandemievertrag stellt die Militarisierung der Gesundheitspolitik auf Dauer“.

Unabhängig davon, wie man dazu steht, ist unzweifelhaft, dass der Pandemievertrag die Zusammenarbeit der Regierungen in der Gesundheitspolitik und zum Teil die Vergemeinschaftung bei der WHO fördert und fordert. So heißt es in einer geleakten vorläufigen Version (übersetzt):

„Die Parteien fördern die Forschungszusammenarbeit, den Zugang zur Forschung und den raschen Austausch von Forschungsinformationen und -ergebnissen, (…) den Austausch von Informationen über Forschungspläne, -prioritäten, Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau und bewährte Verfahren, die für die Durchführung dieses Übereinkommens von Bedeutung sind, auch in Pandemienotfällen.“

Und dann wird damit auch noch ein formalisiertes System zur multilateralen Nutzung von Informationen über Krankheitserreger ins Leben gerufen:

„…in Anbetracht der Bedeutung, die der Förderung des raschen und rechtzeitigen Austauschs von „Materialien und Sequenzinformationen über Krankheitserreger mit Pandemiepotenzial“ (nachstehend „PABS-Materialien und -Sequenzinformationen“ genannt) und der raschen, rechtzeitigen, fairen und gerechten Aufteilung der Vorteile, die sich aus dem Austausch und/oder der Nutzung von PABS-Materialien und -Sequenzinformationen für Zwecke der öffentlichen Gesundheit ergeben, zukommt, richten die Vertragsparteien hiermit ein multilaterales System für den sicheren, transparenten und verantwortungsvollen Zugang zu PABS-Materialien und -Sequenzinformationen und die Aufteilung der Vorteile ein.“

Das ist aus US-Sicht ziemlich genau das Gegenteil der erbitterten Konkurrenzsituation, die die NSCEB zwischen den USA und China um die Vorherrschaft auf dem Gebiet der Biotechnologie und damit die politische, wirtschaftliche und militärische Vorherrschaft auf globaler Ebene feststellt. Entsprechend stehen die Empfehlungen der Kommission den Festlegungen des Pandemievertrags diametral entgegen. So heißt es dort, unter der Überschrift „Biologische Daten als strategische Ressource behandeln“:

„Biologische Daten umfassen eine Vielzahl menschlicher Daten sowie Daten von Tieren, Pflanzen, Pilzen, Bakterien und Viren, die die reiche biologische Landschaft der Vereinigten Staaten ausmachen. Diese biologischen Daten ermöglichen es den Wissenschaftlern, alles zu entdecken, zu entwerfen und zu optimieren, von einzelnen Zellbestandteilen über das Verhalten ganzer Organismengruppen bis hin zu den Inputs und Outputs von biologischen Herstellungsprozessen. (…) Chinas Ansatz in Bezug auf biologische Daten besteht darin, auf öffentlich verfügbare Daten aus der ganzen Welt, einschließlich der Vereinigten Staaten, zuzugreifen und diese zu nutzen, während es seine eigenen inländischen Datensätze sammelt und sie für den Rest der Welt sperrt. Dieser Ansatz verschafft China einen asymmetrischen Vorteil bei der Ausnutzung der Gegenseitigkeit. Dementsprechend muss die US-Regierung sicherstellen, dass China keine großen und sensiblen biologischen Daten aus den Vereinigten Staaten erhalten kann. (…) Der Kongress muss das Heimatschutzministerium (DHS) anweisen, dafür zu sorgen, dass biotechnologische Infrastrukturen und Daten unter die „kritischen Infrastrukturen“ fallen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass aus den USA internationale Vereinbarungen angestoßen werden, die die Unterzeichner einschränken und binden, und am Ende dann die USA zu den wenigen gehören, die nicht mitmachen. Das war bei Klimavereinbarungen so, beim UN-Migrationspakt und jetzt beim Pandemievertrag. Wenn sich alle an diesen halten müssen, nur die USA nicht, ist das für die USA ideal.

Die Einrichtung der Biotech-Kommission NSCEB ist so etwas wie die jüngere Schwester der National Security Commission on Artificial Intelligence. Sie geht auf eine Empfehlung des Special Competitive Studies Project (SCSP) zurück, das Sektoren – neben künstlicher Intelligenz – identifizierte in denen die USA ihren Vorsprung unbedingt gegenüber China verteidigen müssen, um ihre globale Vorherrschaft zu bewahren.

Beide Komissionen wurden vom ehemaligen Chef von Google, Eric Schmidt, geleitet. Schmidt ist auch eines der elf Mitglieder der NSCEB. Andere Mitglieder sind Kongressabgeordnete, Angehörige von Militär und Geheimdiensten und Wissenschaftler.

Mehr

Geopolitik der Digitalisierung: Wie der Abwehrkampf der USA gegen China eine toll gewordene Welt erklärt
Hören | 26. 06. 2023 | Wer verstehen will, was derzeit auf der großen Weltbühne, in Europa und in Deutschland vorgeht, sollte die Berichte der National Security Commission on Artificial Intelligence (NSCAI) und des Special Competitive Studies Project (SCSP) der USA kennen. Jeweils unter der Leitung des ehemaligen Google-Chefs Eric Schmidt haben diese Kommissionen im Auftrag von US-Regierung und Parlament aufgeschrieben, was nötig ist, um die globale Vorherrschaft der USA gegen China zu verteidigen. Die Umsetzung erleben wir gerade.>

Bernd Schoepe: Pandemiepolitik, Transhumanismus und die große Transformation
19. 02. 2022 | Der Machbarkeitswahn und die naive Technikbegeisterung des Silicon Valley und des Weltwirtschaftsforums machen auch vor der Idee nicht halt, alles Menschlich-unvollkommene der überlegenen Technik einzuverleiben und zu überwinden. Bernd Schoepe* beschreibt diesen für Mensch und Gesellschaft gefährlichen Plan in diesem Gastbeitrag.>

Google und Microsoft dürfen erst New York, dann die Welt nach ihrem Geschmack umgestalten
18. 05. 2020 | Der ehemalige Chef von Google, Eric Schmidt, und der ehemalige Chef von Microsoft, Bill Gates, sind aus der US-amerikanischen und zum Teil weltweiten Politik seit langem kaum noch wegzudenken. Nun bestimmen sie maßgeblich über die Seuchen- und Technologiepolitik der USA und der westlichen Welt. Das Ergebnis ist eine IT-konforme Gesellschaft.