Wie Brüssel Bankkunden gläsern macht – dem Silicon Valley zuliebe

7. 05. 2017 | Mit ihrer Zahlungsverkehrsdirektive PSD 2 zwingt die EU-Kommission die Banken, dafür zu sorgen, dass alle möglichen Unternehmen alles über unseren Zahlungsverkehr erfahren können. Natürlich nur, wenn wir zustimmen. Die Folge wird sein, dass wir als Bankkunden gläsern werden. Die Profiteure sind nicht zufällig diejenigen, die hinter dem Krieg gegen das Bargeld stehen.

Wenn der deutsche Gesetzgeber Anfang 2018 pflichtgemäß die neue Payment Services Directive (PSD2) aus Brüssel in deutsches Recht umgesetzt hat, „dürfen“ wir als Bankkunden Dritten gestatten, Überweisungen direkt auf unserem Girokonto auszulösen und Einblick in all unsere Finanzdaten zu nehmen. Dazu müssen die Banken – auf eigene Kosten – die erforderlichen Schnittstellen schaffen. Aber warum sollten wir das wollen? In einer Zeit, in der eine Enthüllung über atemberaubende Überwachungsaktionen der Geheimdienste die nächste jagt, und wir mit unseren Daten längst zu Spielbällen von Konzernen aus dem Silicon Valley geworden sind, die sich einen Dreck um unser Datenschutzrecht kümmern, wird uns als Fortschritt verkauft, dass sie nun auch ganz offiziell Zugang zu unseren sensibelsten und für sie wertvollsten Daten erhalten, unseren Bankdaten.

Frohlocken bei Paypal und anderen Datenkraken

Paypal muss dann das Geld, das wir über diesen Datenkraken-Zahlungsdienstleister bezahlen nicht mehr per Lastschrift von unserem Konto einziehen, sondern kann direkt an unser Bankkonto gehen und die Zahlung veranlassen. Paypal ist das Unternehmen, dessen Nutzer 2015 allein durch weitere Nutzung den neuen Geschäftsbedingungen zustimmen durften, wonach Paypal mit ihren Zahlungsverkehrsdaten – kurz und nur leicht überspitzt formuliert – machen darf, was es will und sie verkaufen darf, an wenn es will. Paypal ist auch das Unternehmen, das direkt oder indirekt über das Omidyar Network neben Microsoft (via Gates-Foundation) als Schlüsselmitglied der Better Than Cash Alliance ganz vorne beim Kampf um die Abschaffung des Bargelds mit dabei ist. Auch beim jüngsten großen Bargeld-Abschaffungs-Experiment in Indien zogen Paypal und die Allianz im Hintergrund an den Fäden. Wenn unsere Bankdaten einen vollständiges Abbild unseres gesamten Zahlungsverkehrs werden, sind sie viel wertvoller als wenn wir selektiv entscheiden können, was wir anonym bezahlen und was wir per digitalem Zahlungsverkehr quasi-öffentlich abwickeln.

Mit einem neuen Regelwerk will die Europäische Union angeblich den Wettbewerb im Zahlungsverkehr fördern – ihn sicherer, bequemer und billiger machen. Welch ein Hohn. Für ein bisschen mehr Bequemlichkeit und Verbilligung eines ohnehin schon sehr bequemen und günstigen Zahlungsverkehrs sollen den Tore zur letzten Bastion unserer informationellen Selbstbestimmung den Datenhändlern und -missbrauchern weit geöffnet werden. Vom zusätzlichen Risiko für unser Erspartes, wenn Gott und die Welt direkt darauf zugreifen können, ganz zu schweigen.

Datenstriptease wird freiwillige Pflicht

Selbstverständlich soll Vorbedingung sein, dass wir zustimmen, damit Dritte Zugriff zu unseren Bankdaten bekommen. Aber was ist das schon wert? Zunächst werden die Datenkraken kostenlose und für gedankenlose Tech-Freaks attraktive Apps anbieten, für die die Zustimmung erforderlich ist. Wenn genug von diesen mitmachen, werden immer mehr Datenkraken mit Marktmacht, wie Paypal, Apple oder Amazon die Zustimmung zur Voraussetzung für die Nutzung von immer mehr populären Diensten machen. Je mehr das akzeptieren, desto mehr wird das um sich greifen und auf desto mehr muss man verzichten, wenn man zu der immer kleineren Minderheit gehört, die sich verweigert und ihre Bankdaten für sich behalten will.

Das wird so weit gehen, dass man irgendwann nicht mehr online einkaufen kann, ohne sich „freiwillig“ gläsern zu machen; so wie man heute als IT-Laie kaum ein Smartphone nutzen kann, ohne die Spionage-Apps hinzunehmen, die darauf fest installiert sind, oder die man sich bei normalem Gebrauch einfängt. Bei Online-Händlern wird sehr bald Gang und Gäbe werden, dass man nur noch mit Zahlungsverkehrsprodukten von Paypal und den neu entstehenden Fintechs bezahlen kann, für die die Zustimmung zum Einblick in das Konto Voraussetzung ist. Denn Online-Händler müssen derzeit noch, wegen der höheren Ausfallquoten, höhere Prozentsätze für Kreditkartenzahlungen berappen. Anbieter, die die gesamte Zahlungsverkehrshistorie und den Kontostand eines Käufers sehen können, brauchen diesen Risikoaufschlag nicht zu verlangen. Außerdem bekommen sie nebenher wertvolle Daten, die sie zu Geld machen können. Diesen Kostenvorteil werden sie, zumindest zu Anfang, an die Händler weitergeben, und diese zum Teil an die Kunden. Wenn genug Sparfüchse sich nackt gemacht haben, um ein bisschen billiger einkaufen zu können, wird das immer mehr zur Norm.

Schöne neue Zahlungsverkehrswelt

Wer wisse, wie viel Geld Privatkunden haben und für was sie es ausgeben, könne ihnen leicht weitere Dienste anbieten – Baufinanzierungen etwa, Kredite, Versicherungen oder Wertpapiere, beschreibt Jean Diederich, Partner bei der Unternehmensberatung Wavestone gegenüber dem Luxemburger Wort die schöne neue Welt des Zahlungsverkehrs.

Es sind auch Kombinationen aus Zahlungsauslösediensten und Kontoinformationsdiensten denkbar. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen bei Amazon gerne einen neuen Fernseher für 3 000 Euro und möchten ihn über den Zahlungsdienstleister Amazon Payments Europe bezahlen. Dort wird dann versucht, von ihrem verknüpften Bankkonto eine entsprechende Überweisung auszulösen, es sind aber vielleicht nur 2 000 Euro auf dem Konto. Da Sie eine entsprechende Erlaubnis erteilt haben, stellt der Dienstleister fest, dass Sie auf einem zweiten Bankkonto den erforderlichen Differenzbetrag von 1 000 Euro haben oder vielleicht auf einer Kreditkarte. Das Geld wird von zwei Konten oder einem Konto und einer Kreditkarte gezahlt und der Fernseher geliefert.

Ist das nicht toll?! Ist es nicht allein das schon wert, dass die Kommission sich so engagiert und uns die Möglichkeit gibt uns Amazon gegenüber völlig nackt zu machen. Wir müssen nicht mehr selber kucken, wie viel Geld wir auf unseren vielen verschiedenen Konten haben. Amazon macht das für uns. Das „lukrative Monopol der Banken beim Zugriff auf Kontodaten“ werde gebrochen, preist Diederich die Neuerung und gibt sich optimistisch, dass sich Datenschutzbedenken aushebeln lassen:

Niemand wird die Kunden zu etwas zwingen. Sie entscheiden, ob sie das möchten. AISP wird ein Profiling erlauben, um bestimmte Produkte oder Dienste anzubieten, die für die Kunden nützlich sind oder an die sie gar nicht unbedingt denken. Natürlich haben die Leute zunächst etwas Bedenken. Das dauert eine Zeit. Wenn sie aber dann feststellen, dass es attraktiv ist und sie z. B. bei einer Versicherungspolice Geld sparen, kann sich das bald ändern.

Die Banken kommen dadurch natürlich unter Druck. Bisher ist wenig bekannt geworden, dass sie mit unseren Zahlungsverkehrsdaten Schindluder getrieben hätten. Das dürfte sich ändern, wenn sie zusehen müssen, wie die Fintechs und das Silicon Valley die Kundendaten durch legalisierten Missbrauch zu Gold machen. Da werden sie nicht umhin können, mitzumachen.

Die Fintechs sind dabei nur Vorhuten des Silicon Valley. Apple, Microsoft, Amazon, und Paypal sitzen auf riesigen Kriegskassen und warten nur darauf, alles was sich durchsetzt aufzukaufen und sich einzuverleiben. Vielfalt des Angebots und der Anbieter wird es nur in einer Zwischenphase geben. Der Zahlungsverkehr ist von großen Netzwerkeffekten geprägt. Die am weitesten verbreiteten Systeme setzten sich durch und verdrängen die anderen.

[7.5.2017]

Print Friendly, PDF & Email