Neue Runde im Krieg gegen das Bargeld (2): Bargeldabhebung wird teuer, Medien werben um Verständnis und Indien erklärt Bargeld für ungültig

Mit immer neuen Tricks versuchen die Banken uns das Bargeld abzugewöhnen. Immer mehr verlangen Geld für Barabhebungen. Begleitet wird das von einer Verständnis heischenden Medienkampagne, die mit Falschdarstellungen arbeitet. Indien geht gleich einen großen Schritt weiter und erklärt über Nacht einen Großteil des Bargelds für ungültig. Das Ziel ist jeweils, unser Geld im Bankensystem einzusperren. 

Immer mehr Banken in Deutschland und Österreich stellen ihre Geschäftsbedingungen für Girokonten so um, dass sie für Bargeldauszahlungen am Bankautomaten Geld verlangen, für Auszahlungen am Schalter noch mehr. Die Berichterstattung kommt dieser Tage in einer Welle und ist zustimmungsheischend. Als Beispiel soll ein Aufmacher des Finanzteils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. November nebst Kommentar dienen. „Fast jeder Zweite ist zum Bargeldverzicht bereit“, heißt schon manipulativ-programmatisch der Titel, der seriös  wohl eher geheißen hätte: ‚Mehrheit der Deutschen ist nicht zum Bargeldverzicht bereit‘.(Ein weiteres schönes Beispiel aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist dieser SWR-Bericht.)

Die Überschrift bezieht sich auf eine Umfrage des Verbandes der Digitalwirtschaft-Bitkom, wonach 46 Prozent der Deutschen sich „mit dem Gedanken anfreunden können“, in Zukunft fast ausschließlich bargeldlos zu zahlen. Dass Bitkom nicht gerade neutral ist, macht Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder bei der Vorstellung der Studie deutlich:  „Bargeldlose Bezahlverfahren sind komfortabler und sicherer, deshalb werden sie das Bargeld auf mittlere Sicht ersetzen.“ Trotzdem ist Bitkoms eigene Überschrift noch etwas seriöser als die der FAZ: „Fast jeder Zweite könnte weitgehend auf Bargeld verzichten“, heißt es da. Das Wörtchen „weitgehend“ ist dehnbar und nicht ganz unwichtig, und ob man sich vorstellen kann, auf etwas zu verzichten (wenn man muss), ist nicht dassselbe wie dieses gut zu finden, wie die FAZ suggeriert. Wer befragt wurde, erfährt man nicht, aber man darf vielleicht davon ausgehen, dass es eine Internet-Befragung war, was an sich schon digitalaffine Leute übergewichtet. Vielleicht war es auch bei einer Bitkom-Veranstaltung oder einer Digitalmesse.

Nach einer kurzen Aufzählung der Gründe, warum die Deutschen Bargeld weiter nutzen wollen, geht es im FAZ-Artikel weiter mit den tendenziösen und falschen Behauptungen:

„Doch zu den Wahrheiten gehört auch: Dieser Luxus kostet Geld, viel Geld. Und deswegen ist es Banken und Händlern sehr lieb, wenn nicht bar bezahlt wird.“

Der letzte Satz ist falsch: Es gibt (außerhalb des Internets) erheblich mehr Händler, die generell oder bis zu einem bestimmten Rechnungsbetrag nur Bargeld annehmen, als Händler, die in irgendeiner Weise signalisieren, dass sie Kartenzahlungen vorziehen. Das behaupte ich jetzt einfach mal aus Lebenserfahrung, ohne Datenerhebung.

Beleg für die erste Behauptung, Bargeld sei sehr teuer, ist eine Studie eines Center for Payment Studies, von der man bei Nachforschung feststellt, dass sie aus dem Jahr 2013 ist. „Insgesamt summieren sich die Verluste des Handels auf 6,7 Mrd. Euro“, weiß der Autor. (Ob die Studie von interessierter Seite in Auftrag gegeben wurde, lässt sich dieser nicht entnehmen. Eine Anfrage bei Institut und Autor per Telefon und E-Mail erbrachte bisher keine Aufklärung. Nachtrag 14.11. Es war zu erfahren, die Studie sei nicht von Dritten beauftragt oder finanziert worden, das Institut habe allerdings finanzielle Verbindungen zur Bankbranche.) Was der FAZ-Artikel nicht erwähnt: In einer Studie im Auftrag der Bundesbank von 2014 werden zwar auch Kosten allein der Unternehmen von 3,9 bis 8,6 Mrd. Euro aus fremden Studien berichtet. Die Kosten unbarer Zahlungen für die Unternehmen seien aber mit 22,4 Mrd. Euro etwa drei Mal so hoch. Hätte die Zeitung Interesse gehabt, auch jüngere und andere Schätzungen zu ergoogeln, hätte sie ziemlich leicht eine Rede des zuständigen Bundesbankvorstands Carl-Ludwig Thiele von 2015 finden könne, die feststellt:

„Ob nun Scheine und Münzen oder bargeldlose Zahlungsinstrumente aus gesamtwirtschaftlicher Sicht günstiger sind, lässt sich nur äußerst schwer quantifizieren. (…). Aus Sicht des Handels gehört im Übrigen gerade das oft als teuer beschriebene Bargeld zu den preiswerteren Zahlungsinstrumenten.“

Bundesgerichtshof zieht enge Grenzen

Wenn man sich auch noch von anderen als den Kreditkartenanbietern und Banken informieren lässt, hat man auch Chancen, auf rechtliche Probleme zu stoßen. In einem Urteil zu Bankgebühren für Barabhebungen (von einem Unternehmen), hat der Bundesgerichtshof am 28.7.2015 festgestellt,

„dass  das Bürgerliche Gesetzbuch und die Verkehrserwartung als selbstverständlich davon aus(gehen), dass ein Schuldner für die Erfüllung seiner Barleistungspflicht nicht eine gesonderte Vergütung verlangen kann. (RZ 39)“

Hintergrund des Satzes ist, dass ein Giroguthaben bei der Bank rechtlich ein täglich kündbarer Kredit an die Bank ist. Die Bank ist also Schuldnerin. Wenn Kunden Bargeld abheben, kündigen sie in diesem Umfang den Kredit und die Bargeldauszahlung stellt die Kreditrückzahlung durch die Bank dar. Dafür dass ein Schuldner vertragsgemäß seine Schuld tilgt, darf er kein Geld verlangen. Allerdings ist es nach BGH-Ansicht in Ordnung, wenn eine Bank eine Anzahl kostenloser Abhebungen in Umfang des üblichen Bedarfs vorsieht und häufigeres Abheben mit einem Preis belegt.

Im zugehörigen Kommentar werden die Falschbehauptungen aus dem Artikel dann wieder aufgenommen und ausdrücklich um Verständnis für das Bemühen der Banken geworben, die Kunden vom Bargeld „wegzulocken“, als ob das Beschriebene etwas mit „locken“ zu tun hätte. Der Autor versteigt sich sogar zu dem Satz: „“Es ist ungerecht, dass diese Kosten allen gleichermaßen auferlegt werden, egal ob nur mit Karten bezahlt wird, oder das Bargeld unter dem Kopfkissen gehortet oder vorwiegend mit (teuren) Münzen bezahlt wird.“ Bargeld wird immer nur (böse) „gehortet“, Buchgeld wird (bei den Banken (gut) „gespart“. Was Bargeld unter dem Kopfkissen (???) mit dem Barzahlen im Geschäft zu tun hat, bleibt unklar. Dass die Münzen für den Handel vor allem deshalb so teuer geworden ist, weil eine neue absurde EU-Regelung verlangt, dass die Banken selbst Pfennigstücke die nie gefälscht werden, aufwendig auf Echtheit prüfen, bevor sie sie wieder in Umlauf bringen dürfen, wird tunlichst verschwiegen. Alles in allem eine Berichterstattung, die wirkt wie direkt aus der Schreibwerkstatt der Kreditkarten- und Bankenverbände.

Indien hält sich nicht mit Trippelschritten auf

In Indien überfallen Regierung und Notenbank unterdessen ihre Bürger über Nacht mit einem Verbot der Nutzung des größten Teils von ihrem Bargeld und fügen der Wirtschaft damit schweren Schaden zu. Die größten Geldscheine, umgerechnet nur ein paar Euro wert, wurden für ungültig erklärt. Die Besitzer können sie in eng begrenzten Mengen gegen neue Geldscheine eintauschen. Wenn sie etwas mehr haben, müssen sie dieses bis Jahresende auf einem Bankkonto einzahlen, sonst verfällt es. Vom Bankkonto ist es wegen rigider Bargeldauszahlungsbeschränkungen nur noch schwer herunterzubringen. Folge der überfallartigen Maßnahme war eine drastische Bargeldknappheit und große Probleme für viele Millionen Kleingewerbetreibende, die nur auf Bargeldbasis arbeiten (können). Dort kann man besichtigen, wie eine autokratische Regierung in einem Schritt das erreicht, was bei uns in vielen kleinen Schritten angepeilt wird. Unser Geld soll im Bankkreislauf eingesperrt werden, sodass wir der Willkür der Geschäftsbanken und ihrer Zentralbanken hilflos ausgeliefert sind.

Geplant wurde diese Aktion offenkundig noch unter Raghuram Rajan, der bis vor kurzem Notenbankchef in Indien war. Er ist Vizechef der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), in der sich die Notenbanker international abstimmen, und Mitglied in der sogenannten Group of Thirty, in der sich die internationale Großbankenlobby und Notenbanker hinter verschlossenen Türen koordinieren. Letzteres gilt auch für die prominentesten Vorkämpfer der Bargeldabschaffung, wie Larry Summers, Ken Rogoff und Mario Draghi. Rajan war auch wie Rogoff Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds. Summers und Draghi waren bei deren Washingtoner Schwesterinstitution Weltbank tätig. Auch Rajans Nachfolger und bisheriger Vize bei der indischen Notenbank, Urjit Patel, war früher beim IWF tätig. Ich halte das nicht für einen Zufall.

Ausblick (13.11): Folge 3 wird sich in den nächsten Tagen den Plänen der EU-Kommission zur Vervollkommnung der Überwachung aller digitalen Zahlvorgänge widmen (nachdem ich meine Verschwörungstheorie zu Trump niedergeschrieben und mich mit der üblen Lobarie der Süddeutschen zur Autobahnprivatisierung beschäftigt habe) .

Folge 1: Neue Runde im Krieg gegen das Bargeld: Ab jetzt macht die Bundesbank mit

Folge 3. Neue Runde im Krieg gegen das Bargeld (3): Australien folgt Indien, zum Wohl der Banken

Folge 4: Folge 4: Neue Runde im Krieg gegen das Bargeld (4): EU-Kommission will letzte Reste von Privatsphäre im Internet ausmerzen

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