Neue Runde im Krieg gegen das Bargeld: Ab jetzt macht die Bundesbank mit

Bis vor kurzem hat die Bundesbank im weltweiten Kampf gegen das Bargeld zumindest verbal gegengehalten. Vorstand Thiele betonte die Vorteile des Bargelds und die Gefahren seiner Beseitigung. Der Zentralbereichsleiter Bargeld sprach von einem „Krieg der Finanzbranche gegen das Bargeld“. Umso bemerkenswerter, dass die Bundesbank sich nun in die Phalanx der Anti-Bargeld-Krieger hat einreihen lassen.

Wie so oft in diesem Kampf ertönte das Horn zur Schlachteröffnung auch in dieser Runde in einem obskuren Hinterzimmer, wo nur die Generäle der angreifenden Seite es hören konnten. Das Hinterzimmer heißt Committee on Payments and Market Infrastructures (CPMI), deutsch: „Komitee für Zahlungsverkehrs- und Marktinfrastrukturen“ und ist bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelt. Die BIZ ist der Ort, wo die Notenbanker international ihr Vorgehen abstimmen. Das CPMI hat einen Bericht über schnelle (digitale) Zahlverfahren herausgegeben, der es in sich hat, vor allem bezüglich dem, was darin nicht steht. Zeitgleich gibt es eine neue Runde im Kampf der Banken gegen das Bargeld mit intensiver Medienbegleitung.

Wenig überraschend ist, dass die Notenbanker laut CPMI-Bericht die Entwicklung und Verbreitung der schnellen digitalen Zahlverfahren fördern wollen. Bemerkenswert ist aber, wie einseitig sie bei der Abwägung der Vor- und Nachteile die Interessen der Finanzbranche im Auge haben, und die Interessen der Bürger völlig ausblenden.

Den Notenbankern ist durchaus bewusst, dass das digitale Bezahlen auf Kosten des Bargeldanteils am Zahlungsverkehr geht, und dass Bargeldbenutzung immer teurer und schwieriger wird, je weniger es genutzt wird, weil immer mehr Stellen die Annahme verweigern und die Bearbeitungspreise der Banken steigen (S. 70). Förderung digitaler Bezahlverfahren bedeutet also wahrscheinlich Förderung der weitgehenden Verdrängung des Bargelds, dessen sind sich die Notenbanker klar. Im Fall Singapur wird sogar ausdrücklich erwähnt, dass die Infrastrukturförderung für digitale Zahlverfahren dem Ziel einer bargeldlosen Gesellschaft dienen soll.

Interessen der Bürger sind unerheblich

Nehmen die Notenbanker das zum Anlass, sich (öffentlich) Gedanken darüber zumachen, ob das wünschenswert ist? Nein. Unter den Vorteilen wird aufgeführt, dass die Zahlungsverkehrsdienstleister mehr Geschäft machen, wenn Bargeld verdrängt wird. Was die Bevölkerung (Nutzer) angeht, gibt es in dem Bericht die Abschnitte „Vorteile für Nutzer“ und „Übergreifende Vorteile von schnellen Bezahlverfahren“. Die Abschnitte „Nachteile für Nutzer“ und „Übergreifende Nachteile“ sucht man vergebens. Die möglichen Nachteile und Risiken werden nur aus der Perspektive der Finanzbranche betrachtet. Dies zeigt wieder einmal, dass politisch unabhängige Technokraten im Dienste der Finanzbranche nicht allein die Regeln und Strukturen unseres Geldsystems entwickeln und fortentwickeln sollten, ohne jede Kontrolle, ja nicht einmal unter Beobachtung gewählter Politiker als Interessenwahrer der Bürger. Ähnlich deutlich wird das in einem Papier der Schwedischen Notenbank von 2014, in dem diese sich mit der Frage auseinandersetzt, ob der Status von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel durchgesetzt oder lieber abgeschafft werden sollte. Obwohl sie feststellt, dass die große Mehrheit der Schweden am Bargeld hängt und der Meinung ist, jeder sollte verpflichtet sein, es anzunehmen – was der Propaganda widerspricht, die Schweden könnten Bargeld nicht leiden und seien viel moderner als wir – kommt die Notenbank zu dem Schluss, dass es kaum Vorteile hätte (für wen?), dem Wunsch der Bevölkerung zu entsprechen.

Entsprechend ist in dem CPMI-Bericht die Tatsache, dass wir auf Gedeih und Verderb all unser Geld bei insolvenzgefährdeten Banken halten müssen, wenn es kein Bargeld mehr gibt, für die Notenbanker ein Vorteil (S. 54). Schließlich wird es dann leichter, im Zuge der „Gläubigerbeteiligung“ unser bei den Banken liegendes Geld zu enteignen, damit insolvente Banken wieder flüssig werden. Der rechtliche Aspekt, ob es zulässig ist, Menschen und Unternehmen  zu zwingen, ihr Geld Banken anzuvertrauen, und sie dann im Fall von deren Scheitern zu enteignen, weil sie ja angeblich durch Unachtsamkeit mitschuldig geworden sind, wird nicht thematisiert.

Die Tatsache, dass jeder unserer Zahlvorgänge lückenlos überwacht und dauerhaft gespeichert werden kann, wenn es kein Bargeld mehr gibt, wird ebenfalls unter die Vorteile gezählt. Der Wegfall jeglicher, grundgesetzlich geschützter, Privatsphäre taucht dagegen nicht auf – folgerichtig, da es die Kategorie „Nachteile für die Nutzer“ ja nicht gibt.

Bundesbank läuft über

Noch bemerkenswerter ist, dass in der Arbeitsgruppe, die den Bericht verfasst hat, zwei Vertreter der Bundesbank waren. Bisher hatte Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele zu den ganz wenigen Notenbankern gehört, die die Vorteile und Bedeutung von Bargeld herausstellten, auch deren Rolle als einziges gesetzliches Zahlungsmittel, die im CPMI-Bericht, abgesehen von einem kurzen Klammereinschub, nicht vorkommt. Thiele führte weitere in dem CPMI-Bericht nicht vorkommende Vorteile auf:

„Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Menschen in Zypern (die) Erfahrung gemacht haben, …(dass)  ich nicht weiß, ob ich am nächsten Tag noch Bargeld von meiner Bank abheben kann, ob ich aus dem Buchgeld in Bargeld komme. (Bargeld) ist für jedermann verfügbares Zentralbankgeld,es hinterlässt keine Datenspuren und schützt die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger,es kann ohne technische Hilfsmittel zum Bezahlen genutzt werden und dient daher als Ausfalllösung für unbare Zahlungsinstrumente und die Verwendung von Banknoten und Münzen (gibt den Menschen) einen guten Überblick über ihre Ausgabent.“

Nun, vielleicht haben die Vertreter der Bundesbank in der Arbeitsgruppe ja einfach zu wenig Interesse, Mumm oder Durchsetzungsvermögen gehabt, um solche Aspekte in den Bericht der Notenbankergruppe einfließen zu lassen. Leider nein. Eine aktuelle Rede von Thiele zeigt deutlich, dass er und damit wohl auch die Bundesbank jetzt bedenkenlos bei der Zurückdrängung des Bargelds mitmachen. Er spricht in Sachen digitale Bezahlverfahren ohne jede Einschränkung von einem „Gewinn für alle Beteiligten“ und davon, dass andere Länder uns dabei voraus seien. Dazu gehört, als offenbar leuchtendes Beispiel, China:

„Zwei Drittel der e-payments und 90 Prozent der m-payments werden von zwei Anbietern abgewickelt: Alipay und Tenpay, wobei ersterer den bei Weitem größten Marktanteil hat. Alipay ist vergleichbar mit PayPal und gehört zur Alibaba Gruppe, einem der größten Onlinehändler weltweit mit 450 Millionen Kunden.“

Die „Vorzüge“ von Alipay habe ich auch in meinem Buch „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“ gewürdigt:

(In China) arbeitet die Regierung an einem Sozialpunktesystem, das mit Daten von Banken, kommerziellen Webseiten und sozialen Medien gefüttert wird. Das Ergebnis wird eine umfassende Bewertung der jeweiligen Person sein, die Kreditgeber, aber auch Vermieter und vielleicht sogar potenzielle Lebenspartner nutzen können. (…) Eine der ersten Komponenten des Systems ist das Kreditratingsystem Sesame Credit von ANT Financial, einer Tochter von Alibaba. Punkte gibt es nicht nur, wenn man immer brav bezahlt. Je öfter man dazu Alibabas Bezahl-App Alipay nutzt, desto höher die Punktzahl.  (…) Selbst ein Visum für Singapur bekommt man leichter, wenn die chinesische Datenkrake einem ein gutes Zeugnis als gläserner Bürger ausstellt. In westlichen Medien gab es kritische Berichte darüber, dass Sesame Credit auch die sozialen Medien durchsuche und Informationen über die Freunde des Bewerteten mit in das Kreditrating einfließen lasse, was ANT Financial dementierte.“

Sie sind uns in der Tat voraus, die Chinesen, aber nicht weit. Daten aus sozialen Netzwerken nutzen auch unsere fortschrittlichen Fintecs routinemäßig.  Einziger möglicher Nachteil, den Thiele erwähnt, ist die Gefahr, dass eine marktbeherrschende Stellung für höhere Preise ausgenutzt werden könnte.

Vorsitzender des CPMI ist übrigens Benoît Cœuré, Vorstandsmitglied der Europäischen Zentralbank. Das sind die, die gerade den 500-Euro-Schein abgeschafft haben und die noch nie etwas dagegen einzuwenden hatten, wenn ein Staat die Nutzung des von EZB-Chef Draghi unterschriebenen Bargelds für größere Rechnungen verboten hat.

Die Geschäftsbanken machen mit bei dieser neuen Runde im Kampf gegen das Bargeld, und machen  – teilweise rechtswidrig – das Auszahlen von Bargeld kostenpflichtig. Von den Medien wird das mit einer Verständnis heischenden Kampagne begleitet. Doch davon im nächsten Blog mehr, um diesen nicht zu überfrachten. Dasselbe gilt für den jüngsten spektakulären Anschlag der indischen Regierung auf ihre Bürger und die Wirtschaft. Über Nacht, ohne Vorwarnung, erklärte sie das meiste Bargeld im Lande einfach für ungültig.

Hingewiesen sei stattdessen noch auf die Jahrestagung der „Monetative“ am Samstag 12. November in Frankfurt, wo ich einen Vortrag mit Diskussion zur Zukunft des Bargelds halte und mit Thomas Mayer, dem Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, und Joseph Huber von der Montative diskutiere. Spoiler: Ich teile die Diagnose und die meisten Empfehlungen der Monetative, bin aber strikt gegen die von Huber propagierte Unabhängigkeit der Zentralbank bzw. Monetative.

Neue Runde im Krieg gegen das Bargeld (2): Bargeldabhebung wird teuer …

Neue Runde im Krieg gegen das Bargeld (3): Australien folgt Indien, zum Wohl der Banken

 Neue Runde im Krieg gegen das Bargeld (4): EU-Kommission will letzte Reste von Privatsphäre im Internet ausmerzen

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