Rundfunkgebühren bei der Arbeit: Die Odyssee einer Tagesschau Programmbeschwerde

Eine Programmbeschwerde an den Intendanten des NDR gegen die Tagesschau vom 27.2., wegen der Verletzung von rundfunkgebührenfinanzierten Programmgrundsätzen, hat über den WDR, wieder den NDR und den BR schließlich beantwortet ihren Weg zurück zu mir gefunden. Die Antwort ist eine Zumutung und beschämend.

Der 27.2. war der Tag an dem der Bundestag über die Verlängerung des Hilfspakets für Griechenland abstimmte. Die Tagesschau hatte an diesem Abend berichtet, Finanzminister Varoufakis habe in einem Interview gesagt, „er habe die Reformvorschläge bewusst unbestimmt formuliert, um die notwendige Zustimmung nicht zu gefährden“. Damit habe er die Debatte um die Reformwilligkeit der griechischen Regierung erneut angeheizt, sagt eine Stimme, die wohl dem Korrespondenten in Athen, Peter Dalheimer, gehörte, der offenbar beim BR beschäftigt ist. Letzteres scheint der Grund zu sein, warum die Beschwerde letztlich beim BR landete.

Die Antwort, die am 9. Juni den Weg in meinen Briefkasten fand, ist eine Zumutung und beschämend für den Bayerischen Rundfunk.

Eine Zumutung ist sie, weil sie vom Informationsdirektor kommt, also letztlich der Pressestelle, und lediglich Bezug auf meine „Schreiben“ vom 14. Mai nimmt. Dabei geht der Informationsdirektor mit keinem Wort darauf ein, dass es sich um eine formelle Programmbeschwerde an den Intendanten mit Nennung der Rechtgrundlage und der verletzten Programmgrundsätze handelt. Entsprechend fehlt auch jeder Hinweis darauf, dass ich mich an den Rundfunkrat wenden kann, wenn ich mit der fehlenden Abhilfe meiner Beschwerde nicht zufrieden bin. WDR-Intendant Tom Buhrow ist mit einer ähnlichen Beschwerde sehr viel korrekter und professioneller umgegangen.

Mein „Schreiben“ vom 14. Mai war der zweite Versuch mit dem für die Tagesschau im Prinzip zuständigen NDR, nachdem dieser zunächst an den WDR verwiesen und dieser sich für unzuständig erklärt hatte.

Inhaltlich ist die Antwort des BR beschämend. Der Informationsdirektor zitiert zwei missverständliche bis falsche deutsche Agenturmeldungen von dpa und afp und schließt daran die Vermutung an:

Die Reformliste scheint Teil der Vereinbarung zu sein. Tatsächlich wurde das Papier nie veröffentlicht.“

Die von mir angeführte Agentur Reuters, die korrekt berichtet hatte, wird nicht erwähnt. Auf den englischen Bericht einer griechischen Zeitung, den ich zitiert hatte, wird ebenfalls nicht eingegangen.

Es ist für mich unverständlich, warum man sich auf zwei Agenturmeldungen stützen muss, um Vermutungen darüber anzustellen, wie Vereinbarung und Reformliste zusammenhängen. Die Vereinbarung Griechenlands mit der Eurogruppe mit Namen „Statement on Greece“  vom 20. Februar ist kein Geheimnis. Darin heißt es:

The Greek authorities will present a first list of reform measures, based on the current arrangement, by the end of Monday February 23. The institutions will provide a first view whether this is sufficiently comprehensive to be a valid starting point for a successful conclusion of the review. This list will be further specified and then agreed with the institutions by the end of April.”

Anders als der Griechenlandkorrespondent und der Informationsdirektor gestützt auf Agenturmeldungen meinen, sind die Vereinbarung und die Reformliste nicht ein und dasselbe. Vielmehr regelt die Vereinbarung, dass die griechische Regierung eine Reformliste vorlegen muss. Es ist schon wichtig, ob Varoufakis gesagt hat „er“ habe seine REFORMLISTE absichtlich vage formuliert, oder ober er gesagt hat, „sie“, die Eurogruppe, hätte auf Wunsch der anderen Länder, die VEREINBARUNG bewusst vage formuliert.

Damit hört die Peinlichkeit noch lange nicht auf: Dass die Unbestimmtheit der Vorschläge (richtig wäre: der Vereinbarung) Varoufakis in die Schuhe geschoben wurde, mit der Formulierung „er habe“, rechtfertigt  der Informationsdirektor mit Zeitgründen (Beitragslänge). Außerdem habe Varoufakis sich die Unbestimmtheit als eigenen Erfolg zugerechnet, mit der Formulierung „Wir sind sehr stolz auf den Grad der Ungenauigkeit“, deshalb habe der Korrespondent es nicht für relevant gehalten, dies näher auszuleuchten. Dass sich das „wir“ auf die gesamte Eurogruppe beziehen könnte, und es meiner Meinung nach auch tut, scheint dem Korrespondenten entweder nicht in den Sinn gekommen zu sein, oder es passte nicht zur These, dass Varoufakis wieder Zweifel an seiner Reformwilligkeit ausgelöst habe.

Der Zeitmangel hat in dem Beitrag noch mehr Opfer gefordert, an gebotener Genauigkeit und an Einhaltung der Programmgrundsätze. So folgt auf den Korrespondentenbeitrag direkt eine Einspielung mit einem Herrn Tzogopoulos unbekannter Funktion, der sagt: „Die griechische Regierung spricht offenbar mit gespaltener Zunge.“

Einen Experten auf Basis falscher Informationen mit einer Beleidigung zu Wort kommen zu lassen, ohne dessen Funktion zu nennen und ohne die Gescholtenen zu Wort kommen zu lassen, widerspricht einer ganzen Reihe elementarer journalistischer Grundsätze, auf die der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk verpflichtet ist.

Eine kurze Recherche ergibt, dass der geheimnisvolle George Tzogopoulos für die Hellenic Foundation for European & Foreign Policy arbeitet, eine Stiftung transatlantischer Ausrichtung, deren Präsident schon Berater des EU-Kommissionspräsidenten war. Er selbst sei auch mit der von Hedge-Fond-Milliardär George Soros finanzierte European Council on Foreign Relations liiert, erfährt man auf der Website der Stiftung. Hedgefonds-Milliardäre mögen meist stramm linke Regierungen nicht.  

Es sitmme auch nicht, dass für den Beitrag, wie ich unterstellt habe, „Nachrichten lediglich durch Lesen von Internetportalen anderer Medien recherchiert worden seien“, lässt der Informationsdirektor mich wissen. Der Korrespondent habe zur Fertigung des Beitrags „nicht nur das komplette 45-Minuten-Interview von Varoufakis, sondern auch Agenturmeldungen, griechische Zeitungen,sowie griechische und internationale Internetportale“ analysiert.

Okay, er mag auch irreführenden Agenturen aufgesessen sein. Er mag auch das Interview angehört  und einfach nicht verstanden haben, was der Unterschied zwischen der Vereinbarung und der darin erwähnten Reformliste ist, sodass er den irreführenden Formulierungen deutscher Web-Berichte aufsaß und sich ohne bösen Willen deren anti-Varoufakis Verzerrungen anschloss.

Besser wird es dadurch nicht. Denn Sorgfalt bei der Recherche ist ein wichtiger Programmgrundsatz. Der Runfunkbeitrag ist hoch genug, dass wir erwarten können, dass zumindest in der wichtigsten Nachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eine kompetente Person da ist, die die Fakten checkt, und zwar nicht bei den Internetportalen.

Der Informationsdirektor hofft, dass seine Ausführungen mir für eine neue Bewertung der Sachlage dienlich sind.

Leider sind sie das nicht. Aus Frankfurt wird die Beschwerde nun ein letztes Mal den Weg nach Bayern nehmen, zum dortigen Rundfunkrat. Meine Beschwerde an den Rundfunkrat des WDR, weil ich mit der immerhin gewissenhaften, aber sachlich nicht überzeugenden Antwort des Intendanten nicht einverstanden war, harrt derweil noch der Befassung des Gremiums.

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