Lieber Herr Häring,
den Beitrag zur Rentenfrage muss ich kommentieren, weil da einige problematische bis falsche Aussagen drin sind. Das Lob für die Überlegungen aus der CDU/CSU-Fraktions-AG Soziales – deren progressive Elemente in der Partei sicher nicht durchkommen werden – ist unangebracht.
Holger Balodis: CDU und Grüne lassen Hoffnung für die Rente keimen
Der negative Kernpunkt wird gar nicht erwähnt, nämlich die automatische fortschreitende Erhöhung des Renteneintrittsalters, die da vorgesehen ist. Ebenso der hochproblematische Vorschlag des Aufbaus eines gigantischen kapitalgedeckten Rentenfonds, der zunächst jahrzehntelang zusätzliche Finanzmassen auf die Finanzmärkte lenkt und die inländische Nachfrage schwächt.
Dazu sollen 2,5 Prozent des Bruttolohns, derzeit etwa 32 Mrd. Euro pro Jahr, in den Aufbau eines Rentenfonds statt in das Umlagesystem der GRV fließen. Private Altersvorsorge soll weiter steuerlich gefördert werden, statt diesen Unfug zu beenden. Die progressiven Elemente sind schon lange in Rentenkonzepten von Gewerkschaften, Sozialverbänden und LINKEN enthalten, ohne die problematischen Punkte.
„Die Einbeziehung von Beamten, Freiberuflern und Selbstständigen in die gesetzliche Rente. Beiträge auf alle Einkünfte, also auf Lohn und Gehalt genauso wie auf selbstständige Einkünfte, auf Kapitaleinkommen und auf Mieteinnahmen. Und schließlich der Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze. [Zitat H. Balodis]
Ob Vermögenseinkommen einbezogen werden sollen ist wohl noch offen, und auch eigentlich nicht zu begründen, weil Rente ja Wegfall von Erwerbseinkommen im Alter kompensieren soll, Vermögenseinkommen laufen aber weiter.
Die Erhöhung bis hin zum Wegfall der Beitragsbemessungsgrenzen wäre längerfristig nur dann progressiv, wenn die aus Beiträgen im bestehenden Rentensystem resultierenden Rentenansprüche zugleich gedeckelt oder mindestens degressiv und ganz oben sehr degressiv gestaltet würden. Ansonsten liefe das längerfristig sogar auf verschärfte Umverteilung von unten nach oben hinaus, wenn die Reichen im Alter auch noch exorbitant hohe Rentenzahlungen bekommen würden, die ja weiterhin überwiegend aus Beiträgen der Beschäftigten umlagefinanziert werden.
Umverteilung nach oben, und zwar sogar massiv wäre es, weil die Reichen statistisch viele Jahre länger leben als die Ärmeren und Normalverdiener, die längere Rentenbezugsdauer der Reichen also faktisch von der Masse der Beschäftigten bezahlt würde, die erheblich geringere durchschnittliche Rentenbezugsdauern haben. Wahrscheinlich kommen die auch nur auf diese Idee, weil die Renditen für kapitalgedeckte Alterssicherungsvermögen so schlecht geworden sind und weiter schlecht bleiben und mit dieser Variante viel höhere Renditen für die Reichen auf Kosten der Beschäftigten zu erzielen wären.
„Ginge man hierzulande einen Weg moderater Beitragslasten [für alle, ist gemeint, mit Bezug auf Schweiz], könnten die Renten für alle massiv erhöht werden. [Zitat H. Balodis]
Nein. Das Rentensystem in der Schweiz mit seinen verschiedenen Säulen ist so nicht vergleichbar, massiv höhere Renten für alle kann es jedenfalls nur bei massiv höheren Beiträgen oder steuerfinanzierten Zuschüssen für alle geben. Am ehesten vergleichbar ist das System in Österreich, das auch viel besser ist als das deutsche, aus verschiedenen Gründen, u.a. sind die Arbeitgeberbeiträge deutlich höher und haben die den Quatsch mit der Förderung der privaten Altersvorsorge nicht mitgemacht.
Ich schlage vor, dass Sie dazu einen weiteren Beitrag bringen von jemandem, der die rentenpolitische Diskussion aus einer sozialen Position heraus betrachtet, wie Ingo Schäfer vom DGB oder jemand von WSI/IMK oder Stefan Sell oder Gerhard Bäcker oder jemand von VDK oder SoVD oder Matthias Birkwald von der LINKEN.
Viele Grüße
Ralf Krämer
Replik von Holger Balodis: „Halb volles Glas„