Gastbeitrag: Was verrät es uns, wenn Wertpapierhändler von Banken vorrangig geimpft werden?

17. 05. 2021 | Noch muss man sich in großen Teilen Deutschlands in die Warteschlange stellen, wenn man geimpft werden will. Seit einigen Wochen kommen unter anderem Journalisten und Wertpapierhändler von Banken vorrangig dran. Das lässt tief blicken, meint ein Gastautor.

Von Gastautor. Da die Impfkapazitäten noch nicht für alle reichen, stellt sich die Frage, wer bevorzugt geimpft werden soll. Entschieden wird nach der „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV)“. Darin werden vier Prioritätsstufen unterschieden: höchste Priorität gemäß §2, hohe Priorität gemäß §3, erhöhte Priorität gemäß §4 und schließlich die breite Masse von Bürgern ohne Priorität. Inzwischen ist man in vielen Bundesländern immerhin schon bei der Impfung von Personen mit erhöhter Priorität angekommen. Dies sind unter andere Menschen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, aber auch Bürger, die im Bereich der für den Staat und das Gemeinwesen „kritischen Infrastruktur“ tätig sind.

Hier wird es nun interessant, welche Tätigkeiten der Staat für besonders wichtig erachtet. Für das Bundesland Hessen gibt es eine sogenannte „KRITIS-Sektoren und Branchenübersichtsliste“ , wobei KRITIS für „Bereiche Kritischer Infrastrukturen“ steht. Bei Sektoren wie Stromversorgung, Gasversorgung, Kraftstoffversorgung, Abfallentsorgung, Lebensmittelproduktion, Sozialeinrichtungen, Bestattungen, Notfall- und Rettungswesen wundert man sich nicht. Das sind wirklich kritische Bereiche, die ohne jede Unterbrechung laufen sollten.

Ins Wundern kommt man allerdings, wenn man mitbekommt, dass es praktisch der gesamte Banken- und Finanzsektor geschafft hat, auf die Liste zu kommen. Für die Aufrechterhaltung der Funktion des Zahlungssystems und der Bargeldversorgung ist das einsichtig. Dass aber beispielsweise auch der Eigenhandel, also das Zocken der Banken an den Finanzmärkten mit dem Ziel, die Gewinne der Spekulanten in die Höhe zu treiben, ausdrücklich zu den für das Gemeinwesen „kritischen Prozessen“ zählt, ist verwunderlich. Ebenfalls verwunderlich ist die Priorisierung all jener, die in der Anlagenvermittlung und Anlagenberatung tätig sind oder Abschlüsse vermitteln.

Das dürfte doch eher den übergroßen Einfluss des Finanzsektors auf die Politik dokumentieren als die gesellschaftliche Notwendigkeit diese Prozesse ohne jede Unterbrechung aufrecht zu erhalten.

Aber sicherlich können Journalisten dem wartenden und staunenden Restvolk erklären, warum das  seine Berechtigung hat. Sie kennen sich aus. Auch ihre Tätigkeit wird zu den kritischen Prozessen gezählt, die in keiner Weise beeinträchtigt werden dürfen.

In der Branchenliste der hessischen Landesregierung heißt es treuherzig, die „kritischen Dienstleistungen“ der Presse bestünden in der „Versorgung der Bevölkerung mit Informationen für die demokratische Willensbildung sowie für die Transparenz und Kontrolle der Politik durch die öffentliche Meinung“. Nicht alle werden zustimmen, dass die Medien durch eine besonders kritische und aufklärerische Tätigkeit während der Corona-Krise aufgefallen sind.

Die Aufnahme der Presse in die Liste der Bevorzugten ist wohl am ehesten der Intervention von Verleger- und Journalistenverbänden geschuldet, wie sie zumindest für Bayern auch öffentlich bekannt geworden ist. Man will es sich mit den Medienvertretern ja nicht unnötig verscherzen.

Beruhigend ist, dass auch der Verfassungsschutz zur kritischen Infrastruktur gezählt wird. Wer Kritik an der chaotischen Corona-Politik der Regierung und der maßlosen Bereicherung der Eliten im Rahmen der Pandemie äußern möchte, der sollte sich darauf verlassen können, dass ein arbeitsfähiger Verfassungsschutz durch Beobachtung und Betreuung sicherstellt, dass man dabei den Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht unter den Füßen verliert.

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