Hören | 9. 02. 2024 | Schweden und Dänemark sind in Europa die Länder, die den Schulunterricht am stärksten digitalisiert haben. Nun macht sich die Einsicht breit, dass das vor allem der IT-Branche genützt, den Kindern aber geschadet hat. Beide Länder wollen das Bildschirmlernen deutlich reduzieren.
Laut der im Dezember vorgestellten Pisa-Schulstudie nutzen dänische Schulkinder von den 81 beteiligten OECD-Ländern die meisten digitalen Werkzeuge im Unterricht. 72% nutzten in fast jeder Unterrichtsstunde digitale Hilfsmittel. Dänemark und Schweden setzen in Grundschulen und sogar schon in der Vorschule Computer ein. Doch damit soll Schluss sein.
Im Sommer 2023 hat die neue liberale Bildungsministerin Schwedens, Lotta Edholm, den Erlass rückgängig gemacht, wonach alle Grundschulen mit Tablets ausgerüstet werden sollen. Grundlage der Kehrtwende war eine Studie des renommierten Karolinska-Instituts mit dem Ergebnis, dass die Vorzüge des Computerlernens immer noch unbelegte Behauptungen seien, während die negativen Wirkungen auf die Schulkinder gut dokumentiert seien.
Im Dezember zog der sozialdemokratische Bildungsminister Dänemarks, Mattias Tesfaye, nach und entschuldigte sich bei den Schulkindern dafür, dass sie als „Versuchskaninchen in einem digitalen Experiment“ missbraucht worden seien. Zu lange habe man sich den großen Tech-Konzernen unterworfen. Man sei als Gesellschaft zu „verliebt“ gewesen in die Wunder der Digitalwelt.“ Jetzt müsse man, zum Schutz der Kinder und Jugendlichen, dringend umsteuern, damit wieder regulär unterrichtet werden könne und konzentriertes Arbeiten in Klassen wieder möglich werde.
Am 5. Februar hat sein Ministerium neue Empfehlungen für den Umgang mit privaten und schulischen Bildschirmgeräten vorgelegt. Ähnlich wie in Schweden gilt nun, dass private digitale Geräte im Unterricht nicht mehr zugelassen sind. Schuleigene Geräte sollen nur noch aus dem Schrank geholt werden, wenn sie definitiv im Unterricht benötigt werden. Das Ministerium empfiehlt die Smartphone-freie Schule und eine Verringerung der Bildschirmzeiten innerhalb und außerhalb der Schule. Zugriff im Im Internet soll anhand einer Positivliste auf unterrichtsrelevante Netzdienste beschränkt sein.
Auch der Global Education Monitor der Unesco von 2023 mit dem Untertitel „Technologie in der Bildung: Ein Werkzeug zu wessen Konditionen?“ kam zu dem Ergebnis, dass digitale Geräte und Dienste in Bildungseinrichtungen oft kontraproduktiv sind. Oft stünden wirtschaftliche Interessen der IT-Anbieter und Aspekte der Datenökonomie im Vordergrund.
Ungeachtet dieser Erfahrungen aus dem Ausland und der Ergebnisse der unabhängigen Untersuchungen wird in Deutschland ungehemmt weiter das Hohelied der Digitalisierung gesungen, auch der Schulen. Zeit für scharfen Gegenwind.