Das liegt nicht an seiner Erklärung des Wesens von Geld. Die ist bei Rothbard so verzerrt wie in den Standard-Lehrbüchern. Er behauptet allen Ernstes, echtes Geld könne keine staatliche Veranstaltung sein. Es könne nur entstehen im freien Handel. Er behauptet, Geld sei entstanden als Innovation um den mühsamen Tauschhandel effizienter zu machen. Geeignete Waren hätten sich zu Warengeld entwickelt, sodass der Schuster, der Brot brauchte, keinen Bäcker mehr finden musste, der Schuhe brauchte. Rothbard sagt ebensowenig wie die Lehrbücher, in denen die gleiche nette Geschichte steht, wann sie sich wo zugetragen hat. Das ist kein Wunder, weil Geld ganz anders entstanden ist, wie zum Beispiel Michael Hudson nachgewiesen hat – und zwar nicht durch Gedankenspiele sondern durch historische Forschung. Tatsächlich entstand Geld über 2000 Jahre vor Christus als Mittel zur effizienteren Organisation der zentral-verwalteten Arbeitsteilung in den Tempelwirtschaften Mesopotamiens. Der freie Tauschhandel zwischen den Berufen entwickelte sich erst lange nachdem sich die Arbeitsteilung in diesen Planwirtschaften entwickelt hatte.
Nein. Richtig lohnend auch für nicht-libertäre Leser ist sein Buch wegen der respektlosen Fragen, die er stellt. Insbesondere die Frage, wie Geld entsteht und die Frage „Wem nützt es?“, in Bezug auf das Geldwesen und die Zentralbanken. Er eröffnet dem Leser einen diametral entgegengesetzten Blickwinkel auf die Zentralbanken zu dem verklärten Blick der Lehrbücher und Schriften fast aller anderen Ökonomen. Diese gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass Zentralbanken und ihre Manager Sachwalter des öffentlichen Interesses sind. Für Rothbard sind sie dagegen die Dienstleister der Geschäftsbanken; Einrichtungen um den Geldschöpfungsprozess der Geschäftsbanken zu koordinieren, sodass die Geldvermehrungsmaschine runder läuft und mehr Inflation und Inflationsgewinn für die Banken produzieren kann. Die Entscheidungsträger in der Regierung, die das einfädelten, sind für Rothbard Komplizen, die entweder selbst als Banker (wie Robert Morris oder der erste US-Finanzminister Alexander Hamilton) direkt persönlich am Bankenprofit beteiligt waren, oder mit ihrer Regierung durch billiges Geld von den Banken profitierten.
Konsequent in diesem Lichte erzählt Rothbard die Geschichte der Zentralbanken und ihrer Vorläufer in den USA und Großbritannien – einseitig, aber im Großen und Ganzen recht überzeugend und auf jeden Fall den Blickwinkel des Lesers enorm erweiternd.
Der zweite große Bereich, der sein Buch sehr lesenswert macht, ist die Antwort auf die Frage, wie und warum die Schulden der Banken bei ihren Einlegern als allgemeines Zahlungsmittel akzeptiert wurden, gleichwertig mit Goldmünzen oder später mit den Banknoten der Zentralbanken. Wie machen die Banken es, dass sie ein Vielfaches des Bargeldbestandes in Form von solchem Buchgeld schaffen können und den Einlegern trotzdem weiß machen, dass sie es jederzeit gegen Bargeld eintauschen können? Geprägt von den Prinzipien des Gold- oder Warengeldes nennt Rothbard das Betrug. Das muss man nicht so sehen, aber es ist sicher ein sehr einträgliches Privileg, und ein gefährliches, wie wir in der letzten Finanzkrise wieder gesehen haben.
Da Rothbard dem Staat zutiefst misstraut, bleibt für ihn als Reformvorschlag nur die Einführung des freien Bankings, bei dem es keine Zentralbank und keine sonstige staatliche Koordination des Bankwesens gibt – außer der Regel, dass Banken, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen können, sofort geschlossen werden. Dann würden sich die Banken gegenseitig disziplinieren, so seine Erwartung. Ganz konsistent ist diese Haltung natürlich nicht. Denn ein Staat, der so etwas durchsetzen kann und will, anstatt sich vor den Karren der Banker spannen zu lassen, der kann die Geldschöpfung auch gleich in eigene Hände nehmen, zum finanziellen Gewinn aller Bürger, anstatt der Banker.