Dank der Bargeld- und Kinderfeindlichkeit der Stadträte von Zella-Mehlis in Thüringen, können selbst Kinder den Freibad-Eintritt dort nur mit PayPal oder Sofortüberweisung, Visa, Master Card und Giro Card bezahlen, ebenso in Benshausen (Thüringen). In Erfurt kann man schon seit 2019 auf dem Straßenverkehrsamt „aus rechtlichen (?!?) und organisatorischen Gründen“ seine Anwohnerparkausweise, Ausnahmegenehmigungen für die Umweltzone und vieles mehr nur noch digital bezahlen. In Dresden kann man seit 2021 Fahrscheine in den Verkehrsmitteln nicht mehr bar erwerben. Das Kinder oft keine andere Möglichkeit haben, wusste und weiß man dort und tat es trotzdem. Man versprach, gegenüber Kindern, die ohne Fahrschein angetroffen werden, kulant zu sein. Die Kinder, an denen dieses Versprechen vorbeigegangen ist oder ihm nicht trauen, haben halt Pech gehabt. Seither sind in Thüringen viele Ämter und Einrichtungen dazugekommen, die sich weigern, das einzige gesetzliche Zahlungsmittel anzunehmen.
Und die Sparkassen, ebenfalls öffentliche Einrichtungen, lassen nicht nach, mit Halbwahrheiten und Schlimmerem gegen das Bargeld zu hetzen. In einem aktuellen Beitrag, der unter anderem im vielgelesenen Magazin Chip veröffentlicht wurde, heißt es unter der vielsagenden Überschrift „Achtung bei Bargeld: Sparkassen sprechen klare Warnung aus“:
„Seien Sie vorsichtig mit Bargeld – es kann durchaus Gesundheits- und Hygienerisiken mit sich bringen. Laut den Sparkassen bieten Münzen und Banknoten oft einen Nährboden für eine Vielzahl von Mikroorganismen und Pathogenen.“
Zurückgegriffen wird dafür auf eine zehn Jahre alte, unveröffentlichte (!) Studie. Dabei untersuchten Wissenschaftler in unbekanntem Auftrag Geldscheine und Münzen auf genetische Spuren von Viren und Bakterien und fanden, wenig überraschend, sehr viele davon. Es fehlt der Kontext, dass man auf jeder Türklinke und vielen anderen Oberflächen, sowie auf Karten und Pin-Pads ebensoviele findet, wenn man danach sucht. Eine genetische Spur eines Erregers ist erst einmal völlig ungefährlich. Eine ganz ähnliche Laborstudie der Oxford University war 2013 von Mastercard gesponsert und weltweit über die großen Medien verbreitet worden.
Seither hat zum Beispiel die Europäische Zentralbank in einer Studie nachgewiesen, das Bargeld ungefährlich ist. Gleiches hört und liest man von der Bundesbank und selbst die Sparkassen haben vor 10 Jahren noch gegengehalten und Münzen und Scheine für unbedenklich erklärt.
Was eine neue Landesregierung dagegen tun kann
In meinem Verfahren auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags hat das Bundesverwaltungsgericht nach Anrufung des Europäischen Gerichtshofs entschieden, dass eine ausnahmslose Bargeldverweigerung wie in Rundfunkbeitragssatzungen für öffentliche Stellen unzulässig ist. Hoheitlich auferlegte Gebühren müssen also mindestens Menschen ohne Bankkonto in bar begleichen können. Man kann sich gegen ausnahmslose Bargeldverweigerung daher mit Aussicht auf Erfolg mit Hinweis hierauf an die Kommune wenden und, wenn das keinen Erfolg haben sollte, an die Kommunalaufsichtsbheörde.
Eine bargeldfreundliche Partei an der Regierung hat jedoch viel bessere Möglichkeiten, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Der Europäische Gerichtshof hat nämlich ausdrücklich festgestellt, dass es den EU-Mitgliedsstaaten europarechtlich erlaubt ist, durch Gesetze oder Verordnungen öffentliche Stellen zur diskriminierungsfreien Annahme von Bargeld zu verpflichten. Das müsste auch für staatliche Untergliederungen in ihrem Zuständigkeitsbereich gelten.
Eine neue thüringische Landesregierung, oder eine sächsische oder brandenburgische, könnte also nach den Wahlen im September einfach eine entsprechende Verwaltungsanordnung erlassen. Falls es dafür, mir nicht direkt ersichtliche, rechtliche Hürden geben sollte, könnte eine Landtagsmehrheit ein entsprechendes Gesetz erlassen.
Um das Treiben der Sparkassen zu beenden, könnte eine neue Regierungskoalition das Landessparkassengesetz dahingehend ergänzen, dass die Sparkassen auf Förderung der Versorgung mit Bargeld und Bargelddienstleistungen und der Akzeptanz von Bargeld verpflichtet. Eigentlich sollte das ja nicht nötig sein, denn die Anti-Bargeld-Kampagne der Sparkassen ist selbstschädigend. Durch Förderung eines rein digitalen Zahlungsverkehrs untergraben sie ihren Haupt-Wettewerbsvorteil gegen Datengiganten aus den USA und deren Bezahllösungen: den Vorteil, vor Ort bei den Menschen zu sein, was Google und Apple nie leisten werden. Nach Angaben des Verbands der europäischen Bargelddienstleister ESTA haben von der Verdrängung des Bargeldes nur außereuropäische Karten- und mobile Zahlungsunternehmen profitiert.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat Umfragen zufolge gute Aussichten, als Seniorpartner oder großer Juniorpartner der CDU Teil einer neuen Landesregierung in Thüringen und möglicherweise auch in Sachsen zu werden. Sollte das gelingen, müsste es ohne allzuviel Widerstand möglich sein, der CDU eine Koalitionsvereinbarung zum tätigen Schutz von Bargeld abzuringen. Die Union erklärt sich schließlich öffentlich für bargeldfreundlich. Würde sie sich widersetzen, würde sie deutlich sichtbar offenlegen, dass das nicht stimmt. Mit der AfD ginge es natürlich noch leichter, aber eine Koalition mit der AfD hat Wagenknecht ausgeschlossen. Da BSW sich allerdings immerhin darauf festgelegt hat, bei Anträgen der AfD sachbezogen abzustimmen und nicht aus Prinzip nein zu sagen, wie die anderen Parteien, gibt es noch weitere Möglichkeiten zu bargeldfreundlichen Landesgesetzen zu kommen.