Das Abkommen hat zwar noch nicht die notwendige Ratifizierung durch die nationalen Parlamente durchlaufen, wird aber bereits seit 2017 vorläufig angewendet. Nur die besonders umstrittenen Sondergerichte für Investorenklagen gegen Staaten sind davon ausgenommen.
Aufgrund des Abkommens wurden verschiedene Ausschüsse eingerichtet, in denen Vertreterinnen der EU-Kommission und der kanadischen Regierung weitreichende Entscheidungen treffen können, etwa über Hygienekontrollen beim Import von Fleisch oder die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Sicherheitsstandards für Pestizide. Eine demokratische Kontrolle durch das EU-Parlament oder die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten gibt es dabei nicht.
Diese Ausschüsse seien „unter demokratischen Gesichtspunkten defizitär“ heißt es in dem von foodwatch beauftragten Gutachten von Prof. Dr. Wolfgang Weiß, Professor für Völkerrecht an der Universität Speyer:
„Das Europäische Parlament hat nicht mitzuentscheiden, es wird lediglich informiert. Auch sonst bestehen keine weiteren Mechanismen einer parlamentarischen oder öffentlichen Verantwortlichkeit der CETA-Ausschüsse für ihre Beschlüsse.“
Der Gründer und Geschäftsführer von foodwatch, Thilo Bode, fordert:
„Die geheim tagenden CETA-Ausschüsse treffen Entscheidungen, die Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger betreffen – doch das EU-Parlament oder der Bundestag sind außen vor. Es wird Zeit, dass die Abgeordneten erkennen, dass sie sich mit der Zustimmung zu CETA selbst entmachten. Der Bundestag kann und muss CETA stoppen. Tritt CETA endgültig in Kraft, droht die Gefahr, dass Verbraucher- und Umweltschutzstandards auf niedrigem Niveau eingefroren oder sogar gesenkt werden – ohne dass gewählte Abgeordnete darüber entscheiden.“
Die CETA-Ausschüsse entscheiden nicht nur über Zollsenkungen, sondern auch über „nicht-tarifäre Handelshemmnisse“. Dazu gehören zum Beispiel Regelungen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes, insbesondere die Frage, ob diese als gleichwertig anerkannt werden.
Die Entscheidungen darüber fällen jedoch nicht gewählte Abgeordnete, sondern Regierungsvertreter in den CETA-Ausschüssen. Einmal getroffene Beschlüsse dieser CETA-Komitees kann die EU dann nicht mehr einseitig aufheben, wie das Rechtsgutachten als besonders gravierend kritisiert. Das habe ein drastische Einschränkung der Regelungskompetenz der EU-Staaten und der EU zur Folge. Selbst wenn alle EU-Staaten die Sicherheitsstandards für Pestizide verschärfen wollen, brauchen sie – wenn die Gleichwertigkeit der kanadischen mit den alten Bestimmungen festgestellt wurde – die Zustimmung Kanadas, um neue, schärfere Bestimmungen auch auf kanadische Produkte anwenden zu können.
Denn Regeln, die den CETA-Verpflichtungen widersprechen, stellen dem Gutachten zufolge „automatisch einen Verstoß gegen das Völkerrecht“ dar. Damit würden durch CETA „Schutzstandards faktisch eingefroren“, so Prof. Weiß.
Als ein Beispiel für den Einfluss der Ausschüsse nennt der Verfassungsrechtler die Importkontrollen bei Lebensmitteln. Hier hätte der zuständige CETA-Ausschuss das Recht, die Häufigkeit der Einfuhrkontrollen zu ändern. „Das bedeutet, dass die Kontrollstandards zukünftig jederzeit durch Beschlüsse der Ausschüsse gesenkt werden könnten. (…) Dies würde zu einem unzureichenden Gesundheitsschutz für Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU führen.“
Das Abkommen wurde noch nicht von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert, auch von Deutschland nicht. Hier muss der Bundestag noch zustimmen. Sagt ein einziges Land „Nein“, ist CETA vom Tisch, schreibt foodwatch. Das ist allerdings umstritten.
Vorläufige Anwendung von CETA – EU-Kommission blamiert das Bundesverfassungsgericht