Investitionsschutzabkommen mit Schiedsgerichten können im Zusammenwirken mit multilateralen Handelsvereinbarungen ungeahnte Wirkungen entfalten. Schiedsgerichte könnten sogar für Klagen von Investoren gegen Länder zuständig werden, die gar keinen Investorenschutz vereinbart haben.
Wenn ein Schiedsgericht sich für die Klage eines Luxemburger Unternehmens zuständig erklärte, die im neuesten Unctad Jahresbericht zu Investoren-Schiedsgerichtsbarkeit (s.10) beschrieben ist, dann hätte das spektakuläre Folgen. Es klagt nämlich das niederländische aber rechtlich in Luxemburger ansässige Unternehmen Menzies Middle East and Africa S.A. gegen Senegal, obwohl es kein entsprechendes Abkommen zwischen den beiden Ländern gibt. Es geht um die Flugzeugabfertigungsdienste am Flughafen Dakar. Menzies möchte nach Maßgabe des zwischen den Niederlanden und Senegal geschlossenen Abkommens vor einem Schiedsgericht klagen. Es beruft sich dabei, und das ist das Neue, auf das GATS-Abkommen der Welthandelsorganisation, das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Dieses Abkommen enthält eine Verpflichtung, allen Unterzeichnerstaaten den Meistbevorzugungsstatus zu geben, sie also in Bezug auf den internationalen Handel mit Dienstleistungen nicht schlechter zu stellen als einen anderen Unterzeichnerstaat. Senegal hat zwar die GATS-Regeln nicht gebrochen, aber Menzies argumentiert, das Land habe Verpflichtungen nicht erfüllt, die es laut dem Abkommen mit den Niederlanden gehabt hätte, wenn das Unternehmen in den Niederlanden beheimatet wäre. Deshalb bedeute die Meistbegünstigungsklausel, dass auch Luxemburger Unternehmen das Abkommen mit den Niederlanden offenstehe. Anders als dies manche andere Länder getan haben, hat Senegal versäumt, die Schiedsgerichte und bilateralen Investitionsschutzabkommen ausdrücklich von der Meistbegünstigungsklause auszunehmen.
Was verrückt klingt, ist durchaus im Bereich des Möglichen, vielleicht sogar des Wahrscheinlichen. Es gab schon Fälle, in denen Schiedsgerichte Klagen nach eigentlich nicht einschlägigen Abkommen zugelassen haben, weil das Zielland im einschlägigen bilateralen Abkommen zwar ausdrücklich die Schiedsgerichtsbarkeit ausgeschlossen hat, aber gleichzeitig eine Meistbegünstigungsklausel vereinbart hat. Manche Schiedsgerichte erstrecken das auch auf den Zugang zur Schiedsgerichtsbarkeit und lassen dann Klagen nach Abkommen mit anderen Ländern zu. Für die beteiligten Anwälte, die das Schiedsgericht stellen, ist es viel lukrativer, sich für zuständig zu erklären, als dies zu verneinen. Wenn sie sich für unzuständig erklären, müssen sie warten, bis sie für den nächsten Fall ausgewählt werden, bevor es wieder Sitzungsgelder gibt.
Das Heimtückische ist, dass es den Schiedsgerichten frei steht, über ihre eigene Zuständigkeit zu entscheiden, und dass gleichzeitig der Investor sich aussuchen kann, welches Abkommen er heranziehen will. Das ermöglicht ihm nicht nur, sich das günstigste Abkommen auszusuchen, das sehr alt sein kann, sondern eventuell auch, sich ein Schiedsgericht auszusuchen, von dem er sich ein positives Ergebnis erwartet.