Andreas Meißner ist einer der Sprecher des Bündnisses für Datenschutz und Schweigepflicht (BfDS). Das macht schon deutlich, aus welcher Richtung seine Kritik kommt.
Wenig überraschend sind es die Pharma- und IT-Konzerne in deren Interesse das Projekt gegen alle Widerstände vorangetrieben wird, so Meißner. Die elektronische Patientenakte soll vor allem „Daten für Forschung“ liefern, und zwar für gemeinwohlorientierte. Da aber jeder medizinische Fortschritt als gemeinwohlfördernd gilt, ist das keine wirkliche Beschränkung.
Datenkraken wie Google, Apple und Amazon gehören mit zu den potentiellen Empfängern der Daten. Denn sie haben Töchter, die sich mit Gesundheitsdatenanalyse zu Forschungszwecken befassen. Und so werden Daten über unsere Krankheiten früher oder später dafür genutzt werden, Programme künstlicher Intelligenz zu trainieren. So kann der Traum eines Karl Lauterbach wahr werden, Medizin mit immer weniger Ärzten und stattdessen hauptsächlich mit Computerprogrammen zu betreiben.
Vielleicht nützt das ja den Patienten hier und da. Es wird den Programmierern aber mindestens ebenso wichtig sein, dass die Konzerne Gewinn machen und die Behandlungskosten niedrig gehalten werden. Mit Ärzten, die einen hippokratischen Eid geleistet haben, im Interesse ihrer Patienten zu handeln, dürften diese in aller Regel besser fahren.
Die Ärzte wurden gesetzlich verpflichtet, die elektronische Akte zu befüllen, bisher mit Arztbriefen, Laborwerten, Befunden und Medikationsplan. Weitere Elemente werden folgen. All diese Daten fließen weitgehend unkontrolliert an das staatliche Forschungsdatenzentrum und in den berüchtigten „europäischen Gesundheitsdatenraum“.
Das, worauf es im Arzt-Patientenverhältnis vor allem ankommt, die Schweigepflicht und das darauf gegründete Vertrauen, wird durch die Befüllungspflicht erheblich geschädigt. Datenlecks sind nie auszuschließen und auch schon mehrfach vorgekommen. Irgendwann werden sich die Menschen fragen, ob es sicher ist, wenn sie ihrem Arzt von psychischen Problemen oder einer Erbkrankheit erzählen.
Meißner bleibt allerdings nicht bei den Datenschutzproblemen stehen. Er setzt sich auch mit der Frage auseinander, was tatsächlich die wichtigsten Hemmnisse für bessere Behandlung der Patienten sind und ob der ungehemmte Datenfluss zu den Pharma- und IT-Firmen dabei Abhilfe schafft.
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