Ehrenamtliche müssen bei der aggressiven Ausgrenzung einer Minderheit nicht mitmachen

23. 11. 2021 | Hören | In hessischen Sportvereinen dürfen nicht geimpfte Menschen seit Kurzem nur noch mit frischem PCR-Test Sport treiben oder Veranstaltungen besuchen, bald haben sie nicht einmal mehr diese Möglichkeit. Aus diesem Grund haben der Abteilungsleiter Volleyball meines Vereins und ich als Übungsleiter unsere langjährige ehrenamtliche Tätigkeit beendet. Wir wollen uns nicht aktiv an der Ausgrenzung einer Minderheit beteiligen, die von Politik und Medien ungerechtfertigt zum Sündenbock gestempelt wird.

In der vergangenen Woche hat sich der langjährige, äußerst engagierte ehrenamtliche Volleyball-Abteilungsleiter und Übungsleiter meines Sportvereins, eines der größten in Deutschland, von den Abteilungsmitgliedern verabschiedet. Da er nicht geimpft ist, kann er zwar noch mit einem Schnelltest als Trainer fungieren – das hat das Ministerium dem Verein als Auslegungshinweis zur Corona-Verordnung zugestanden – aber er kann als Vereinsmitglied nicht mehr am Sportprogramm oder an Veranstaltungen teilnehmen.

Er begründet die Niederlegung seiner Tätigkeit damit, dass die Voraussetzung eines PCR-Tests anstatt des günstigeren Antigen-Schnelltests aus gesundheitlicher Sicht nicht nachvollziehbar sei und es offensichtlich nur dem Zweck diene, den Druck auf Ungeimpfte mittels Diskriminierung und Ausgrenzung weiter zu erhöhen. Das sei für ihn Nötigung und somit Unrecht, und an Unrecht beteilige er sich nicht. Die Teilnahme an seiner ehrenamtlichen Tätigkeit solle allen Mitmenschen offen stehen, und da dies nicht mehr gegeben ist, möchte er so nicht weiter machen.

Auch ich habe mich in der vergangenen Woche von einer Volleyballgruppe des Vereins als ehrenamtlicher Übungsleiter verabschiedet, eine Funktion, die ich jahrelang gern ausgeübt habe.

Wir beide wollen uns nicht aktiv an der Ausgrenzung einer Minderheit beteiligen, die von Politik und Medien zum Sündenbock für alles gestempelt wird, was in der Corona-Politik schief läuft. Als Übungsleiter erwartet der Verein von uns, dass wir Impfpässe kontrollieren und Menschen, die keinen haben, der Turnhalle verweisen. Aktiv dabei mitzumachen, diese Vereinsmitglieder auszuschließen und Übungsstunden nur für Covid-Geimpfte zu leiten, können wir mit unserem Gewissen nicht vereinbaren.

Diskriminierung sachlich nicht gerechtfertigt

Ich will an dieser Stelle nicht das Für und Wider der Corona-Politik durchdeklinieren, aber meine Haltung zu den Schuldzuweisungen und Ausgrenzungen nicht geimpfter Menschen doch mit zwei Argumenten begründen. Nach mittlerweile weithin und auch offiziell akzeptierter Sichtweise schützen diejenigen, die sich impfen lassen, vor allem sich selbst vor einem schweren Krankheitsverlauf, während sie zur Reduktion des Infektionsgeschehens eher wenig beitragen.

Das Argument, diejenigen, die sich nicht impfen lassen und schwer krank werden, belegten knappe Intensivbehandlungskapazitäten, die dann für sonstige Notfälle fehlen, zieht für mich nicht. Denn im Verlauf der Pandemie haben genau die Politiker, die dieses Argument als Rechtfertigung für die Ausgrenzung nicht geimpfter Menschen anführen, zugelassen und begünstigt, dass mehr Intensivbetten stillgelegt wurden als derzeit nicht geimpfte Covid-Patienten auf Intensivstationen liegen.

Bei den Bund-Länder-Beschlüssen zu grundrechtseinschränkenden Maßnahmen gegen die Pandemie letzte Woche fehlt, wie bei den Beschlüssen zuvor, jegliche Maßnahme, um das Gesundheitssystem zu stärken und die Stilllegung der Intensivkapazitäten aufzuhalten. Das ist unglaublich dreist und unverantwortlich. Und es ist mir unbegreiflich, wie vernunftbegabte Menschen diesen Politikern und den Medien, die dieses Versagen totschweigen, auf den Leim gehen können und sich gegen eine Minderheit wenden, der die Schuld an den chronischen Missständen im Gesundheitswesen als Sündenbock aufgehalst wird.

Aufgrund dieser Sachlage ist für mich offensichtlich, dass es sich bei der schikanösen Ausgrenzung nicht geimpfter Menschen um eine Erpressung handelt, mit der ihr grundgesetzlich garantierter freier Wille gebrochen werden soll.

Meine Anregung für Ehrenamtliche

Wenn Sie auch ehrenamtlich in einem Umfeld aktiv sind, in dem Menschen diskriminiert und ausgegrenzt werden, seien es Parteien, Vereine, Tafeln, Schulen oder die freiwillige Feuerwehr, und diese kollektive Misshandlung einer Minderheit ebenfalls ablehnen, möchte ich Sie einladen, darüber nachzudenken, diese Tätigkeit so lange einzustellen, bis die Ausgrenzung und Erpressung der Minderheit aufhört.

Wenn viele das tun würden, könnte das durchaus einen Effekt haben. Denn den Regierenden ist durchaus wichtig, dass sie die Unterstützung der Vereine und anderer Organisationen behalten. Anders ist kaum zu erklären, warum die hessische Regierung den Vereinen erlaubt, von nicht geimpften Übungsleitern nur einen Schnelltest zu fordern. Unter dem Aspekt des vorgeblichen Gesundheitsschutzes ist das absurd. Aber es minimiert die Schwierigkeiten für die Vereine und ihre geimpften Mitglieder und erhält dadurch deren Kooperationsbereitschaft beim Ausgrenzen.

Sich dem kollektiven Ausgrenzen der Minderheit zu verweigern, ist allerdings kein leichter Gang. Es fühlt sich zwar richtig an, aber auch einsam und bitter, wenn man bei dem nicht mehr mitmacht, was die meisten anderen aus Überzeugung, Konformismus oder Bequemlichkeit mitmachen. Applaus darf man dafür nicht erwarten. Es fühlt sich ein bisschen an wie der Gang ins Exil.

Andererseits findet man dort Gemeinsamkeit, Solidarität und Freundschaft mit denen, die sich ebenfalls einer Mehrheitsgesellschaft, die eine Minderheit unterdrückt, nicht mehr richtig zugehörig fühlen. Yin und Yang.

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