In der Verwaltungsstreitsache Dr. Norbert Häring gegen Hessischer Rundfunk BVerwG 6 C 3.21 nehmen wir zum Fortgang des Revisionsverfahrens wie folgt Stellung. (…)
I. Der Vorlagebeschluß des BVerwG vom 27.03.2019
(1) In den Gründen seines Vorlagebeschlusses vom 27. März 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht erläutert, warum Gläubiger einer auf Geldzahlung gerichteten Verbindlichkeit durch die mitgliedsstaatliche Regel des § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG in Deutschland verpflichtet sind, ihnen von Zahlungsschuldnern zur Erfüllung dieser Pflicht angebotene Euro-Banknoten annehmen müssen. Klargestellt wurde, daß diese gesetzliche Annahmepflicht namentlich auch für öffentliche Stellen – „auch und gerade in Bezug auf sogenannte Massenverfahren wie die Erhebung des Rundfunkbeitrags“ – gilt, und warum dies primär dem Zweck dient, die Funktionsfähigkeit des Geldverkehrs als solchem zu sichern (a.a.O. Rn 25f).
(2) Dieser nach dem Verständnis des Bundesverwaltungsgerichtes somit kategorische Normbefehl aus § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG wäre nur dann gegenstandslos, sofern er „mit der ausschließlichen Zuständigkeit der Union im Bereich der Währungspolitik nicht in Einklang“ stehe (a.a.O. Rn. 27). Laufe diese Zuständigkeit der Regel des § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG also „entgegen“ (Vorlagefrage 1), ergäben sich prozessual entscheidungserhebliche Konsequenzen für das Revisionsverfahren, was die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderte.
Zu klären war demnach im Kern, ob die Regel des § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG
„Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“
einen anderen semantischen Gehalt habe als die Regel des Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV
„Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“
(3) Tatsächlich gibt es einen solchen semantischen Unterschied nach dem Willen des historischen Gesetzgebers nicht und kann es ihn aus tatsächlichen nicht geben, will man für die eine Währung namens Euro einen einheitlich funktionsfähigen Währungsraum erhalten. Im Einzelnen:
II. Die Schlußanträge des Generalanwaltes vom 29.9.2020
(4) Der Generalanwalt Giovanni Pitruzzella erläuterte in der rechtlichen Würdigung zu seinen Schlußanträgen vom 29.09.2020, daß das Vorabentscheidungsersuchen „heikle Fragen“ zur Unionszuständigkeit aufwerfe (a.a.O. Tz 30), insbesondere die „heikle“ Frage, „ob und in welchen rechtlichen Grenzen die Mitgliedstaaten der Eurozone Maßnahmen zur Beschränkung der Verwendung von Bargeld ergreifen können.“
Zudem seien „komplexe und unbestimmte Begriffe des Währungsrechtes“ aufgeworfen.
(5) Da die in der deutschen Übersetzung des Schlußantragstextes gewählte Bezeichnung der aufgeworfenen Fragen mit dem Adjektiv „heikel“ rechtsterminologisch eher ungewöhnlich ist, empfiehlt sich, für ein präziseres Verständnis auf die Formulierung des italienischen Originals zurückzugreifen, die das Problem als „delicato“ beschreibt, d.h. als unübersichtlich, verworren, vielschichtig, kompliziert und verwickelt.
(6) Tatsächlich entwickelt sich die Beantwortung der von dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Fragen dann auch im Rahmen der Erwägungen des Generalanwaltes zunehmend als unübersichtlich und verworren. Ursache der sich entfaltenden Verwicklungen ist indes nicht, daß der thematisierte Normtext des AEUV an der betreffenden Stelle vielschichtig wäre. Ursache der Komplexität ist vielmehr, daß der Antragstext des Generalanwaltes und (wie sogleich zu zeigen) mehr noch die Urteilsbegründung des EuGH die zentrale Frage nach der Einzigartigkeit des gesetzlichen Zahlungsmittels erst selbst zu einer „heiklen“ machen.
III. Die Abkehr des EuGH vom Absoluten
(7) Anders als das Bundesverwaltungsgericht, das jedenfalls in § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG einen die Ordnung des Geldsystems gewährleistenden, kategorischen Akzeptanzzwang bzw. eine absolute Annahmeobliegenheit des Zahlungsgläubigers gesehen und erläutert hatte, weicht das Urteil des EuGH vom 26.01.2021 in seiner Begründung unter Rn 49 plötzlich und unerwartet vom Prinzip der verpflichtenden Annahme der Banknoten, wie sie auch in der Empfehlung Nr. 1 der Kommission vom 22.03.2010 definiert worden war (2010/191/EU), ab und reduziert die absolute Akzeptanzverpflichtung aus Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV zu einer nur noch „grundsätzlichen Verpflichtung zur Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen“. Eine normative Anknüpfung für diese (in demselben Satz aber auch als ‚Bekräftigung‘ bezeichnete?) interpretatorische Restriktion des primärrechtlichen Normbefehls aus Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV nennt der EuGH indes nicht. Mehr noch: Unter Rn 48 stellt er zusätzlich klar, daß Empfehlungen dieser Art weder rechtliche Bindungswirkung entfalten, noch Rechte zu begründen vermögen. Gleichwohl diminuiert er die (wie nachstehend zu zeigen: für die Funktionsfähigkeit des Geldverkehrs essentielle) absolute Akzeptanzpflicht des Zahlungsgläubigers hier – evident praeter legem – zu einer nur noch grundsätzlichen.
(8) Die somit fehlende normative Grundlegung dieser Normauslegung wird allerdings auch in den weiteren Erwägungen des Urteils nicht nachgeholt. Im Gegenteil. Unter Rn 63 bezieht sich das Urteil dann auf den 19. Erwägungsgrund zu der Verordnung Nr. 974/98, was den Begründungsmangel der Rn 49 jedoch nicht kompensiert. Denn diese Verordnung des Rates (EG) 974/98 vom 03.05.1998 war schon seinerzeit nicht dazu bestimmt, nachgeordnete Gebietskörperschaften zu ermächtigen, das gesetzliche Zahlungsmittel der Eurozone in seiner Nutzbarkeit einzuschränken.
(9) Der Kläger hatte zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bei dem EuGH am 15.06.2020 mit Schriftsatz vom 13.05.2020 eingehend zu dem Regelungsgehalt jenes Erwägungsgrundes Nr. 19 Stellung genommen. Anlaß für diesen Schriftsatz war insbesondere der Umstand, daß der Gerichtshof die Erörterung der Verordnung (EG) Nr. 974/98 vom 03.05.1998 vorab am 20.04.2020 zum Inhalt einer Aufforderung zur Stellungnahme gemäß Art. 61 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes gemacht hatte. Da dem schriftsätzlichen Aktenbeiziehungsgesuch des Klägers vom 02.04.2020 zur Kompensation versagter Einsichtsersuchen bei EZB, Rat und Kommission bedauerlicherweise nicht stattgegeben wurde, wie der Kanzler des Gerichtshofes mit Verfügung ebenfalls vom 20.04.2020 mitteilte, war der Kläger auf anderweitig eigene Quellenrecherchen zur Sache angewiesen. Die klägerischen Ausführungen zur Normgenese des Erwägungsgrundes Nr. 19 aus dem Schriftsatz vom 13.05.2020 sind jedoch ihrerseits „auf Anweisung des Präsidenten des Gerichtshofes nicht zu den Akten genommen und auch nicht an den Spruchkörper verteilt worden“, wie der zuständigen Referatsleiter des EuGH mit Verfügung vom 18.05.2020 mitteilte. Gleichwohl legte der Gerichtshof dem Kläger auf, die schriftsätzlich zitierten Unterlagen zur Normgenese „baldmöglichst einzureichen“, was am 27.05.2020 geschah. In Reaktion darauf erhielt der Kläger daraufhin am 11. Juni 2020 die deutschsprachige Version eines Sitzungsprotokolls des Europäischen Parlamentes vom 14. November 1996, das ihm zuvor nur in englischer Sprache vorgelegen hatte. Eine Abschrift dieses in dem Verfahren bei dem EuGH unberücksichtigt gebliebenen Schriftsatzes vom 13.05.2020 liegt hier der Vollständigkeit halber für den Senat an. Ob jener Verfahrensablauf bei dem EuGH mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens in Einklang steht, soll hier – ohne Präjudiz – nicht weiter erörtert werden. Jedenfalls liegt im Hinblick auf die Bedeutung der streitgegenständlichen („heiklen“) Fragen weit über den bloßen Bereich inter partes auf der Hand, daß Gesichtspunkte der materiellen Vollständigkeit bei der Sachverhaltsausbereitung den Vorrang vor reinen Präklusionserwägungen haben sollten. Der Kläger hatte zu dem Erwägungsgrund Nr. 19 im Kern ausgeführt:
(10) Anhand der (nachstehend zitierten) Versionengeschichte des als „Erwägungsgrund 19“ bezeichneten Textes und der zu ihm führenden Korrespondenzen in Interinstitutionellen Dossiers zeigt sich, daß und warum jedwede Ausweitungen des „gesetzlichen Zahlungsmittels“ von dem historischen Gesetzgeber dezidiert nicht gewollt gewesen sind. Der „Erwägungsgrund 19“ zeigt im Gegenteil, daß er als interimistische Brückennorm gezielt auf die unzweifelhafte Kontinuität in der Akzeptanz des vorangegangenen und ihm nachfolgenden (einheitlichen) „gesetzlichen Zahlungsmittels“ ausgerichtet wurde. Dies schließt Prinzipienaufweichungen hinsichtlich des Annahmezwanges nicht nur aus rechtlichen, sondern insbesondere aus systematisch-tatsächlich notwendigen Gründen kategorisch aus.
(11) Die Normgenese des Erwägungsgrundes 19 zu der Verordnung (EG) 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 belegt in ihrer Entstehung und durch ihren Kontext, daß der historische Gesetzgeber mitnichten beabsichtigte, nachgeordnete Gebietskörperschaften zu ermächtigen, die Eigenschaft des gesetzlichen Zahlungsmittels (Euro-Banknoten und Euro-Münzen) in seiner Nutzbarkeit zu beschränken oder daß er gar in der Vorstellung handelte, es könne nach der abgeschlossenen Einführung des Euro als Gemeinschaftswährung neben Euro-Banknoten und Euro-Münzen ein weiteres „gesetzliches Zahlungsmittel“ geben.
(12) Nach Artikel 3 Abs. 1 lit. c. AEUV hat die Union die ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist. Gegenstand der hieraus in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 1 AEUV folgenden alleinigen Regelungsbefugnis der Union ist mithin die „Währung“.
Folge dieses Währungsbegriffes ist, daß Regelungen, die den Bestand des innerhalb eines Währungsraumes verwendeten Geldes modifizieren, seine Annahmefähigkeit ändern oder sonst seine Umlauffähigkeit einschränken könnten, einzig von demjenigen getroffen werden können, der die ausdrückliche Zuständigkeit über die Währung zugewiesen erhalten hat. Dies ist nach Artikel 3 Abs. 1 lit. c. AEUV die Union.
(13) Würde anderen Stellen als der Union gestattet – an Artikel 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV bzw. an Artikel 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank vorbei – weitere gesetzliche Zahlungsmittel zu etablieren (wie es zwangsläufig die Konsequenz aus der Stellungnahme der italienischen Regierung vom 18. September 2019 Rn 6-9 oder der Auffassung, der „Erwägungsgrund 19“ ermächtige zu Einschränkungen des primärrechtlich ausgestalteten gesetzlichen Zahlungsmittels, wäre), so würde nicht nur die generelle Annahmeverpflichtung als konstituierendes Merkmal des in dieser einheitlichen Währung umlaufenden Geldes, sondern insbesondere auch der jeweils von dem zuständigen Regelungsgeber gewollte Tauschwert der Währungseinheit in Frage gestellt. Dies gilt insbesondere in Ansehung des Umstandes, daß an die Stelle der einheitlich zuständigen Währungsinstanz in diesem Falle eine weitere Mehrzahl von ausgebenden Institutionen treten könnte. Dies aber widerspräche dem von dem Normgeber angezielten Einheitsgedanken innerhalb der Währung auch des Euro. Eine „Währungsunion“ setzt eine konsequente Union der Währung voraus, nach innen ebenso, wie nach außen (arg. e Art. 119 Abs. 2 AEUV).
(14) Die primärrechtlich beschriebene, unbedingte Verpflichtung, Euro-Banknoten und Euro-Münzen als das einzige gesetzliche Zahlungsmittel zur Schuldtilgung annehmen zu müssen, sollte durch den Inhalt des Erwägungsgrundes 19 zu der Verordnung (EG Nr. 974/98 vom 3. Mai 1998) auch nicht eingeschränkt werden. Eine dahingehende Beschränkung ist auf deren Grundlage auch nicht (jedenfalls: nicht mehr) möglich. Das erweist die nun von dem Rat ermöglichte Einsichtnahme in die Normengenese dieser Regel. Da eine „authentische Interpretation“ von Gesetzestexten in verfassungsrechtlicher Hinsicht nach ständiger Rechtsprechung auch des deutschen Bundesverfassungsgerichtes voraussetzt, die Ausführungen in den einschlägigen Gesetzgebungsmaterialien als bedeutsam zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 26. November 2018 zu I Br. 318/17 u.a., Rn 49 mit Verweisen auf die weitere Rechtsprechung), erfordert eine Norminterpretation die Berücksichtigung dieses Kontextes. Im Einzelnen:
(15) Der grundlegende „Draft Report“ des “Committee on Economic and Monetary Affairs and Industrial Policy on the proposal for a Council Regulation on the introduction of the euro and the proposal for a Council Regulation on some provisions relating to the introduction of the euro“ vom 29. Oktober 1996 hatte in seinem „Explanatory statement“ zunächst wörtlich dies ausgeführt:
„The euro will indeed replace the existing currencies as their temporal successor, but only after a long transitional period of coexistence. … Only at the end of the transitional period will the national media of exchange cease to be legal tender and disappear, to be replaced by the euro. The most logical solution would have been abruptly and definitively to strip the national currencies of their status and replace them with the euro. For practical reasons, it was not possible to adopt this ‘Big Bang’ solution. Clearly, this is regrettable, as, by immediately succeeding the defunct national currencies, the euro would have assumed the character of the legitimate heir of the previous currencies, and there would have been no continuity problems. In the scenario adopted by the highest authorities of the Union, the euro is to become the single currency as from 1 January 1999, and will then for three years have to coexist with the national currencies, which will remain in circulation on a virtually unaltered footing for all practical purposes and will possess the legal status of being able to discharge debts which the euro will not enjoy, or at least not until the end of the transitional period. Given these conditions and constraints, one can readily imagine that the determination of the legal status of the euro will be a delicate matter, at least during the transitional period. To be sure, the precise definition of the legal status of the euro is not the only factor which will significantly affect the success of the operation. … In order to eliminate any uncertainty, either legal or economic, concerning the transition between the national currencies and the single currency, the Regulation should contain provisions concerning all aspect not dealt with by the Treaty text. Unless these points are clarified immediately, there is a danger not only that the adjustments which all economic agents are called upon to make will be more laborious and costly but above all confusion will arise, which would be fatal to the success of the operation. The Regulation must therefore specify the following points. … It must indicate that banknotes and coins denominated in national currency shall remain legal tender until 1 July 2002 in the respective territories of the Member States without derogations. … It must give the euro the power to discharge debts as from 1 January 1999 if the parties wish to use it. It could usefully recall that the euro will be legal tender once there are coins and banknotes and that as from this date (or rather six months thereafter) the national currencies will cease to be legal tender in the territories of monetary union and all debts will be compulsorily converted into euros at the official conversion rate. … The present Regulation, which is presented as the ‘lex monetae” of the European Community, could – let us hope – lend force to the decision by the European Council. But this is far from certain! There are grounds for fearing that debtors with obligations denominated in ecu with terms expiring after the year 2000 may take this as a pretext to discharge their debts in the basket equivalent rather than in euro if this were to prove advantageous to them. … From 1999 the euro can be used only in the form of money in the bank, but not as legal tender … As banknotes and coins denominated in euro will not be placed in circulation until 2002, only national means of payment will be legal tender.”
(16) Für den vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies normengenetisch jedenfalls dies:
Gesetzliches Zahlungsmittel („legal tender“) waren bereits nach den ursprünglichen Vorstellungen des Gesetzgebers zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Banknoten und Münzen („banknotes and coins“), nicht aber Bankguthaben („money in the bank“). Kennzeichnend für dieses gesetzliche Zahlungsmittel war nach den Vorstellungen der an der Gesetzgebung beteiligten Organe des Weiteren seine Geeignetheit zur Schuldtilgung („being able to discharge debts“) ohne alle Kontinuitätsprobleme („continuity problems“). In rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht galt es, der währungssystematisch wie währungsrechtlich stets grundlegend bedeutsamen Gefahr zu begegnen, daß der einmal festgelegte Wechselkurs zwischen alter und neuer Währung Gegenstand von Manipulationen Dritter werden könnte, die hieraus einen Vorteil ziehen wollten („if this were to prove advantageous to them“).
(17) Da Banknoten und Münzen der vorangehenden nationalen Währungen aus rein faktischen Gründen der Handhabbarkeit und Praktikabilität somit nicht nur während der dreijährigen Übergangsfrist zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 31. Dezember 2001 gesetzliches Zahlungsmittel blieben (scil.: bleiben mussten), sondern nach der erstmaligen gegenständlichen Ausgabe von Euro-Banknoten und Euro-Münzen zum 1. Januar 2002 auch während der weiteren Übergangszeit bis zum 1. Juli 2002, gab es folglich trotz der bereits geltenden einheitlichen Währung übergangsweise mehrere gesetzliche Zahlungsmittel: Einerseits die nun ausgegebenen Euro-Banknoten und Euro-Münzen und andererseits die Banknoten und Münzen der vorangegangenen nationalen Währungen, die nur noch optisch als alte Währungen erschienen, rechtlich aber bereits Wertträger des Euro geworden waren, ohne dessen nominelle Stückelung in Euro sichtbar auszuweisen (in den Worten des „Draft Report“ vom 29. Oktober 1996: „the national currencies, which will remain in circulation on a virtually unaltered footing for all practical purposes“) .
(18) Folgerichtig bedurfte es nur und ausschließlich für diese (!) Sechs-Monats-Periode zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 1. Juli 2002 einer Einschränkung der Umlauffähigkeit derjenigen „gesetzlichen Zahlungsmittel“, die in Gestalt der auslaufenden nationalen Banknoten und Münzen noch parallel im Umlauf – und baldmöglichst aus dem Verkehr zu ziehen – waren. Der Wortlaut auch des schlussendlichen Erwägungsgrundes 19 spricht in systematischer Konsequenz genau daraus folgerichtig nur von Begrenzungen für Zahlungen mit Banknoten und Münzen, jedoch gerade nicht von Begrenzungen für Zahlungen mit Euro-Banknoten und/oder mit Euro-Münzen. Die von ihm erwähnten Banknoten und Münzen sind die Banknoten und Münzen der alten nationalen Vorläuferwährungen. Die Beschränkung der Einsetzbarkeit von Banknoten und Münzen nach Maßgabe dieses Erwägungsgrundes 19 bezog sich folglich ausschließlich auf diese alten nationalen Münzen und nationalen Banknoten und auf die Frist der Sechs-Monats-Periode zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 1. Juli 2002. Der Erwägungsgrund 19 stellt insofern eine interimistische Brückennorm dar. Auch Art. 10 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 vom 3. Mai 1998 bestätigt dieses Verständnis, da er von „auf Euro lautenden Banknoten“ spricht.
(19) In dem Interinstitutionellen Dossier vom 29. November 1996 (11902/96 Anlage II) wird der Erwägungsgrund dann explizit im Zusammenhang mit der Übergangsfrist von 6 Monaten wie folgt formuliert:
„Banknoten und Münzen in nationaler Währungseinheit verlieren spätestens sechs Monate nach Ende des Übergangszeitraums die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Aus praktischen Gründen könnte es angezeigt sein, die Euro-Banknoten und Euro-Münzen bereits kurze Zeit vor Ende des Übergangszeitraums einzuführen. Von den Mitgliedstaaten aus Verwaltungsgründen eingeführte Begrenzungen für Zahlungen in Banknoten und Münzen sind mit der den Euro-Banknoten und Euro-Münzen zukommenden Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels nicht unvereinbar, sofern andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestehen.“
Eine jede „Begrenzbarkeit“ in diesem Sinne stand somit auch hier ausschließlich im systematischen Zusammenhang mit der sechsmonatigen Übergangsfrist vom 1. Januar 2002 bis zum 1. Juli 2002.
(20) In dem dann abgefassten weiteren interinstitutionellen Dossier vom 6. Dezember 1996 (12143/96) wird der vorliegend diskutierte Erwägungsgrund dann erstmals auch numerisch als „Erwägungsgrund 19“ bezeichnet. In seinem Satz 2 heißt es nach wie vor, daß die „aus Verwaltungsgründen“ eingeführten Begrenzungen mit der Eigenschaft des gesetzlichen Zahlungsmittels nicht unvereinbar sind, sofern andere rechtliche Mittel existieren.
Die Formulierung „aus Verwaltungsgründen“ wurde anschließend auch in der Version des Erwägungsgrundes 19 in der folgenden Fassung des Interinstitutionellen Dossiers vom 24. Januar 1997 (5232/97) unverändert beibehalten.
(21) Erstmals in einem konsolidierten Textentwurf vom 12. Juni 1997 (Interinstitutionelles Dossiers 9039/97) erfuhr die Formulierung „aus Verwaltungsgründen“ dann eine Änderung; der Satz 2 des Erwägungsgrundes 19 lautete nun:
„Von den Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung eingeführte Begrenzungen für Zahlungen in Banknoten und Münzen sind mit der den Euro-Banknoten und Euro-Münzen zukommenden Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels nicht unvereinbar, sofern andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestehen.“
Aus den „Verwaltungsgründen“ waren somit „Gründe der öffentlichen Ordnung“ geworden. Es findet sich jedoch keinerlei Hinweis darauf, daß diese letzte Wortlautmodifizierung in einem Erwägungsgrund (der – wie dargestellt – während des gesamten Regelwerdungsprozesses ausschließlich auf die Absicherung eines geordneten Überganges von den nationalen Währungen in den Euro während der sechsmonatigen Übergangsfrist zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 1. Juli 2002, bezogen war) zuletzt wieder eine gänzliche Infragestellung auch aller primärrechtlichen Regelungen betreffend das einzige „gesetzliche Zahlungsmittel“ hätte mit sich bringen können oder bedeuten sollen. Würde dies gewollt gewesen sein, hätte nahegelegen, nicht nur den Text des Erwägungsgrundes, sondern dann ordnungsgerecht auch den der Verordnung selbst entsprechend zu adjustieren. Dies ist erkennbar nicht geschehen.
(22) Gegen die Annahme einer derart überraschenden oder unbedachtsamen Änderung eines zentralen Regelungsgehaltes der Gemeinschaftswährung an dieser Stelle abseits des Primär- und Sekundärrechtes spricht ganz wesentlich das bereits am 29. Oktober 1996 ausführlich protokollierte Bewusstsein der Beteiligten, mit jedem kleinen Fehler an der Übergangsstelle von dem einen zum anderen gesetzlichen Zahlungsmittel fatale Probleme verursachen zu können, die den Erfolg des gesamten Projektes zunichtemachen könnten:
„In order to eliminate any uncertainty, either legal or economic, concerning the transition between the national currencies and the single currency, the Regulation should contain provisions concerning all aspect not dealt with by the Treaty text. Unless these points are clarified immediately, there is a danger not only that the adjustments which all economic agents are called upon to make will be more laborious and costly but above all confusion will arise, which would be fatal to the success of the operation.”
(23) Daß die an dem Gesetzgebungsprozess Beteiligten somit ungeachtet des protokollierten unbedingten Willens, jede rechtliche oder ökonomische Unsicherheit auszuschließen, („to eliminate any uncertainty“) ihre gesamte Operation durch eine von ihnen an dieser Stelle nur unspezifisch angedeutete Kompetenz nachgeordneter Gebietskörperschaften, die Nutzbarkeit des gesetzlichen Zahlungsmittels zu beschränken, in fatale Konfusions- und weitere spekulative Wechselkursrisiken hätten bringen wollen, statt eine praktikable Einführung des etablierten und vorhandenen gesetzlichen Zahlungsmittels sicherzustellen, erscheint nach allem ausgeschlossen. Die Beteiligten beabsichtigten, nach Kräften auf etablierte und erprobte Institutionen des Geldes und der Währung zurückzugreifen: Banknoten und Münzen.
(24) Weitere systematische Auslegungsgesichtspunkte stützen diese normengenetische Interpretation: Auf der tatbestandlichen Voraussetzungsseite des Erwägungsgrundes 19 wird explizit von „rechtlichen Mitteln“ gesprochen, die anderweitig für die Begleichung von Geldschulden zur Verfügung stehen mussten, um eine Einschränkung für die Nutzung der alten Zahlungsmittel zu legitimieren. Würde der Erwägungsgrund 19 mit diesen anderen „rechtlichen Mitteln“ statt Euro-Banknoten und Euro-Münzen tatsächlich auch Bankguthaben oder andere Vermögenswerte bezeichnet haben wollen, so hätte er an dieser Stelle auf den bereits etablierten Begriff des „Rechtsinstrumentes“ zurückgreifen können. Denn dieser Begriff bezeichnet bekanntlich Rechtsvorschriften, Verwaltungsakte, gerichtliche Entscheidungen, Verträge, einseitige Rechtsgeschäfte und Zahlungsmittel – „außer Banknoten und Münzen“ (!). Banknoten und Münzen sind per definitionem keine „Rechtsinstrumente“.
(25) Neben den mit Willen der Union ausgegebenen Euro-Banknoten und Euro-Münzen gibt es nach allem kein anderes „gesetzliches Zahlungsmittel“ in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist. Niemand darf gegen seinen Willen gehindert werden, seine auf Geldzahlung lautenden Verpflichtungen durch dieses gesetzliche Zahlungsmittel zu tilgen. Diese bestehende Rechtslage zu ändern, läge ausschließlich in der gesetzgeberischen Kompetenz der Union.
IV. Zwischenresümee
(26) Aus Gründen, über die zu mutmaßen nicht Aufgabe des hiesigen Prozeßvortrages ist, hat der EuGH in seinem Urteil vom 26.01.2021 den kategorischen Normbefehl des Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV zur generell schuldtilgenden bzw. jedenfalls schuldbefreienden Wirkung anerbotener Banknoten europarechtlich zu einer nur grundsätzlichen Rechtspflicht diminuiert. Zugleich erklärt er einen Mitgliedsstaat indes für befugt, Vorschriften zu erlassen, die eine Akzeptanzpflicht für die öffentliche Verwaltung statuieren, die Erfüllung von auferlegten Geldleistungspflichten „in bar zu akzeptieren“. Dies ist in Deutschland mit § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG der Fall. Nur durch diese Regel ist die Einheit der Euro-Währung auch überhaupt geldtechnisch aufrechtzuerhalten. Ein von dem EuGH theoretisch für möglich erachtetes Abweichen von dieser kategorischen Akzeptanzpflicht würde rechtliche und ökonomische Unsicherheiten in dem Sinne auslösen, wie sie in dem vorzitierten Gesetzgebungsprozeß des Jahres 1996 dezidiert erörtert worden waren. Abgesehen davon, daß die Entscheidung des EuGH vom 26.01.2021 – wie dargelegt – insoweit nicht auf einer validen Rechtsnorm fußt, sondern rein richterrechtlich partiell europäisches Primärrecht (Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV) derogiert, stellt sich ihr Ergebnis de facto auch in wenigstens drei Hinsichten als perplex dar.
(27) Wo nämlich erstens, wie in beiden Antworten auf die drei Vorlagefragen ausgeführt, mitgliedstaatliche Rechtsregeln den Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel nicht „determinieren“ können sollen, da ist es den Mitgliedstaaten konsequent unmöglich, eine Rechtsnorm zu erlassen, die Euro-Banknoten deren Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel absprechen könnte. Denn überall dort, wo eine mitgliedstaatliche Rechtsquelle die Pflicht zur Annahme von Euro-Banknoten und/oder Münzen restringierte oder ausschlösse, wäre zugleich eine Vorherbestimmung (Determination) über die dann künftig insoweit fehlende Zahlkraft der Banknoten und Münzen mit ausgesprochen. Wo verboten ist, eine „nationale Vorschrift [zu erlassen], die die rechtliche oder faktische Abschaffung des Euro-Bargeldes bezweckt oder bewirkt, indem sie die Möglichkeit untergräbt, eine Geldleistungspflicht in der Regel mit Bargeld zu erfüllen“ (Urteil, Rn 62), da muß alles nationale Recht einen kategorischen Normbefehl über den Annahmezwang für Banknoten statuieren, um nicht mit Europarecht zu kollidieren.
(28) Dies gilt aber zweitens insbesondere auch in Ansehung der weiteren Erwägung des Urteiles, daß Barzahlungsbeschränkungen diesenfalls dann möglich wären, „wenn die Zahl der Beitragspflichtigen, bei denen Forderungen einzutreiben sind, sehr hoch ist“ (Urteil, Rn 74). Mithin läge es insoweit im Belieben des Mitgliedstaates, durch autonome Ausweitung des Kreises gewisser Beitragszahlungspflichtiger die Zahlkraftpotentiale der Euro-Banknoten und Euro-Münzen rechtlich oder faktisch zu derogieren. Auch in dieser möglichen „Reziprok-Determination“ liegt eine eigenwillige Perplexität des Urteiles, die nicht zu übersehen ist. Widerspruchsfreiheit läßt sich auch insoweit ausschließlich dadurch herstellen, daß die Absolutheit des primärrechtlichen Normbefehls aus Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV unangetastet bleibt.
(29) Drittens ist ganz besonders heikel, wenn das Urteil den weiteren Versuch unternimmt, den zuvor aus dem Kategorischen gelösten Normbefehl des Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV durch die aus ihrem Ursprungskontext gelöste Formulierung des 19. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 974/98 näher zu konturieren: Wenn die Begrenzung der Zahlkraft von Euro-Banknoten und Euro-Münzen dann möglich wäre, „sofern andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestehen“ (Urteil, Rn 63), dann soll das zuvor erst richterrechtlich konturenunscharf gemachte Merkmal des „gesetzlichen Zahlungsmittels“ durch den noch weit weniger konturenscharfen Begriff eines „anderen rechtlichen Mittels“ eingegrenzt werden. Während das „gesetzliche Zahlungsmittel“ immerhin noch den definitorischen Anker aufweist, daß ein – wie auch immer gearteter – Gesetzgeber das Mittel, mit gezahlt werden soll, zu einem „gesetzlichen Zahlungsmittel“ bestimmt hat, kommt als „anderes rechtliches“ Mittel im Ergebnis jeder Gegenstand in Betracht, der zur Schuldtilgung eingesetzt werden kann, ohne dabei gegen die Rechtsordnung zu verstoßen. Der Bereich des von dem Urteil unerwünschten Determinierens von Ausschlüssen für das „gesetzliche Zahlungsmittel“ erweitert sich dadurch geradezu ins Unendliche.
V. Einschränkbarkeit der Zahlkraft de lege ferenda
(30) Selbst wenn man die rein richterrechtliche Umgehung des kategorischen Normbefehls aus Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV für rechtlich möglich und die beschriebenen faktischen Perplexitäten des Urteils für unbeachtlich hielte, so bliebe doch gleichwohl unmöglich, die von der Beklagten vorgestellte Ablehnung einer Annahme von Banknoten zur Beitragsschuldtilgung auf der Grundlage des Anforderungskataloges auch dem Urteil des EuGH für die Zukunft rechtswirksam zu implementieren.
(31) Für den vorliegend streitgegenständlichen (vergangenen) Zeitraum war der deutsche Gesetzgeber nicht gehindert, in Ausübung seiner Zuständigkeit und im Einklang mit den genannten europarechtlichen Normen die Regelung des § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG zu erlassen – besser gesagt: in Geltung zu halten – , und dadurch in Zusammenschau mit den verfassungsrechtlichen Zuständigkeits- und Vorrangregelungen, insbesondere im Hinblick auf Art. 31 GG, eine Unwirksamkeit des §10 Abs. 2 der Beitragssatzung der Beklagten zu bestimmen.
(32) Auch in Zukunft wird der Beklagten nach den Grenzziehungen des Urteiles vom 26.01.2021 unmöglich bleiben, die Entgegennahme von Beitragszahlungen in Gestalt von Euro-Banknoten und/oder Euro-Münzen prinzipiell abzulehnen. Denn die dafür von dem EuGH (kumulativ!) gesetzten Hürden erweisen sich im Ergebnis als unüberwindbar. Im Einzelnen:
(33) Die Beklagte hat sich in der Vergangenheit wiederholt darauf berufen, mit ihrem Beitragseinzug ein „Massenverfahren“ zu betreiben (wie es der Vorlagebeschluß des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2019, Rn 26, auch ausdrücklich wiedergegeben hat). Wird aber eine turnusmäßig wiederkehrende Zahlungsverpflichtung in millionenfachen Fällen prinzipiell von der Möglichkeit ausgeschlossen, regulär mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel beglichen werden zu können, so determiniert dies die rechtliche Ausgestaltung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel.
(34) Die in diesem Falle millionenfach verunmöglichte Schuldtilgung durch Bezahlung mit Banknoten und Münzen führt faktisch zu einer dauerhaften Denomination des gesetzlichen Zahlungsmittels in einem gesamten, nicht unwesentlichen Wirtschaftszweig und untergräbt somit zwangsläufig die Möglichkeit, jene Geldleistungspflicht mit Bargeld zu erfüllen.
(35) Es bedürfte eines öffentlichen Interesses an der generellen Ausschließung, die hoheitlich auferlegte Beitragszahlungspflicht in Euro-Banknoten und Euro-Münzen zu begleichen. Es ist nicht ersichtlich, welches Interesse die Öffentlichkeit daran haben kann, das explizit für diese Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte gesetzliche Zahlungsmittel teilweise aus dem Verkehr zu ziehen. In Ermangelung anderweitiger konkreter Anhaltspunkte spricht im Gegenteil eher mehr dafür als dagegen, daß die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat, öffentliche Geldschulden mit dem öffentlichen Zahlungsmittel begleichen zu können.
(36) Es ist zudem kein Ziel erkennbar, an dessen Verfolgung die beklagte öffentlich-rechtliche Körperschaft gehindert wäre, wenn sie weiter verpflichtet bleibt, von der sie finanzierenden Öffentlichkeit das der Öffentlichkeit im Allgemeinen zur Verfügung gestellte gesetzliche Zahlungsmittel entgegennehmen zu müssen. Der Beklagten bleibt weiterhin einschränkungslos möglich, ihren Anstaltszweck als öffentliche Rundfunkstation zu erfüllen. Die Möglichkeit ihrer Beitragszahler, das gesetzliche Zahlungsmittel zur Beitragsschuldtilgung zu verwenden, kollidiert in keiner vorstellbaren Weise mit der Rundfunkfreiheit der Beklagten.
(37) Die Beklagte kann auch nicht geltend machen, es sei für ihren Betrieb unabdingbar erforderlich, die Entgegennahme von Euro-Banknoten und Euro-Münzen zur Beitragsschuldtilgung prinzipiell untersagen zu können. Namentlich in diesem Kontext gilt es, die Gründe des Urteils vom 26.01.2021 im Blick zu halten, um die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer partiellen Denomination des gesetzlichen Zahlungsmittels beurteilen zu können.
(38) Folgt man dem Urteil des EuGH vom 26.01.2021 in seiner – diesseits, wie dargelegt, kritisch beurteilten – Methode, europäisches Primärrecht ohne vertragsrechtlich und/oder verfassungsrechtlich normative Anknüpfung rein richterrechtlich partiell außer Kraft setzen zu wollen, so bleibt auch nach der (wenn auch, wie vorstehend gezeigt, inhaltlich rechtsfehlerhaften) Analogie zu dem durch Zeitablauf gegenstandslos gewordenen Erwägungsgrund Nr. 19 aus dem Jahre 1998 das rechtsstaatliche Erfordernis, nicht nur gewisse „Gründe der öffentlichen Ordnung“, sondern die nach der Auffassung des EuGH umfassenderen „Gründe des öffentlichen Interesses“ (Urteil Rn 65f.) ordnungsgerecht zu subsumieren und in originärer Kompetenz des vorlegenden Gerichtes eine regelrechte Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen (Urteil, Rn 77).
(39) Da es dabei (entgegen der insoweit offenkundig in tatsächlicher Hinsicht unrichtigen Annahme des EuGH in seinem Urteil, Rn 76) nicht darum geht, ein „allen Beitragspflichtigen zugängliches Verfahren zur Barzahlung des Rundfunkbeitrages einzuführen“ (denn ein solches besteht bereits durch die Existenz des Geldsystems als solchem), sondern einzig darum, den Ausschluß der Beitragstilgung mittels des gesetzlichen Zahlungsmittels abzuschaffen, müssen hier notwendigerweise sämtliche relevant einzustellenden öffentlichen Interessen berücksichtigt und miteinander abgewogen werden.
(40) Auch wenn das Recht zum Tilgen von Zahlungsverpflichtungen mittels Banknoten oftmals nicht als Betätigung eines Grundrechtes betrachtet wird, so stellt doch die Begleichung von Geldschulden mittels Einzugsermächtigung, Basislastschrift oder Überweisung unausweichlich stets auch die (zudem zusätzlich kostenpflichtigen!) Inanspruchnahme von Bezahldiensten dritter Intermediäre dar, die den Umstand des Zahlungsvorganges datenschutzrechtlich relevant zu verarbeiten haben. Ein öffentliches Anstaltsinteresse der Beklagten, das die grundrechtlichen Positionen ihrer Beitragszahler aus den Art. 16 Abs. 1 AEUV und/oder Art. 8 Abs. 1 GRC unabweisbar überwöge, und zu einem Ausschluß der Möglichkeit einer Begleichung von Beitragsschulden mittels Banknoten (als dem überall sonst im Wirtschaftsverkehr seit jeher etablierten und zugänglichen Verfahren zu Begleichung von Geldschulden) führen müßte, ist von der Beklagten weder vorgetragen, noch auch sonst ersichtlich.
(41) Nach den datenschutzrechtlich etablierten Grundsätzen der Datenminimierung und der Datensparsamkeit gelten Datenerhebungen und Datenverarbeitungen, die nicht auf das unabweisbar notwendige Maß beschränkt sind, als unerheblich und also unerlaubt. Die bloße Datenverarbeitung zum Zwecke der Arbeitserleichterung ist kein legitimer Grund für eine Datenerhebung oder deren Speicherung. Das Abspeichern von Kontonummern ist unangemessen, wenn die Abwicklung des Geschäftsvorfalles nicht mit Giralgeld erfolgt.
(42) Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen insbesondere der (europarechtlichen) Datenschutzgrundverordnung ist erkennbar ein Interesse der Öffentlichkeit. Das Interesse der Privatheit eines Beitragsverpflichteten ist daher ebenso in die normenhierarchisch ordnungsgerechte Abwägung mit allen anderen denkbaren öffentlichen Interessen (auch denen der landesrechtlich nachrangigen Anstalt) einzustellen. Die besondere Schutzwürdigkeit eines jeden Beitragszahlers der Beklagten folgt dabei insbesondere aus dem gesetzlichen Teilnahmezwang des Beitragsschuldners. Hat der einzelne keine rechtliche Handhabe, von seiner Heranziehung zu einer bestimmten öffentlichen Pflicht Abstand zu nehmen, sind seine demnach nicht aus eigenem, freien Entschluß offengelegten Daten in besonderem Maße schutzbedürftig.
(43) Empirische Daten dazu, in welchem Umfange Beitragszahler der Beklagten überhaupt von ihrem Recht Gebrauch machen möchten, Beitragspflichten mit Banknoten zu tilgen, hat die Beklagte in den Tatsachinstanzen nicht vorgelegt. Auch zu der Frage, welchen zusätzlichen finanziellen Aufwand sie diesenfalls zu betreiben hätte, hat sie sich substantiiert nie erklärt. Folgerichtig fehlt es an jedem konkreten, tatsächlichen Substrat, den bisweilen behaupteten zusätzlichen Kostenaufwand einer Rundfunkstation einschätzen und gewichten zu können, was aber Voraussetzung für die Möglichkeit einer Angemessenheitsabwägung wäre. Insbesondere mangelt es an jeder Anknüpfungstatsache dafür, daß der Verwaltungsaufwand für eine teilweise Verbuchung von Banknoteingängen ganz außer Verhältnis zu denjenigen Mühen oder Kosten stünde, die umgekehrt von Beitragszahlungsverpflichteten bei Intermediären zu veranlassen (und zusätzlich zur Beitragszahlungslast zu entgelten!) sind, wenn die Schuldtilgung mittels Banknoten ausgeschlossen bliebe.
VI. (…)
VII. Conclusio
(46) Würde das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der ihm nun von dem EuGH überantworteten, autonom eigenen Angemessenheitsprüfung zu dem Ergebnis gelangen, einer Rundfunkanstalt gestatten zu müssen, die Annahme von Euro-Banknoten und/oder Euro-Münzen ablehnen zu dürfen, so wäre dadurch im Ergebnis kraft reinen Richterrechtes eine Parallelwährung für den Euroraum auf den Weg gebracht. Denn es läge in diesem Falle im Belieben einer öffentlichen Stelle, neben dem einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel im Sinne des Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV auch ein „anderes rechtliches Geldschuldenbegleichungsmittel“ im Sinne des EuGH (Urteil, Rn 63) einfordern zu können, das – was entscheidend ist! – mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel im Sinne des Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV nicht in seiner Zahlkraft konvertibel wäre. Die Befugnis, das gesetzliche Zahlungsmittel nicht kategorisch akzeptieren zu müssen, sondern an seiner Stelle ein nicht näher definiertes „anderes rechtliches Geldschuldenbegleichungsmittel“ einfordern zu können, führt nämlich unausweichlich zu einer dann mindestens partiellen Inkonvertibilität dieser beiden Zahlungsmittel.
(47) Aus den Staaten, deren Währung der Euro ist, würden dadurch allerdings nicht nur Staaten, die zwei teilweise nicht gegeneinander konvertible Währungen nutzten, sondern sogar Staaten, die eine Vielzahl je länderspezifisch eigener „Geldschuldenbegleichungsmittel“ neben dem gesetzlichen Zahlungsmittel nutzen. Denn die partielle Denomination des bisher einzigen gesetzlichen Zahlungsmittels läge nach der Kompetenzzuweisung des EuGH in seinem Urteil vom 26.01.2021 nicht bei der Union, sondern bei den Mitgliedstaaten.
Nach hiesiger Auffassung erscheint nicht angemessen, das gesamte Eurosystem alleine deswegen aufzuweichen, weil eine Rundfunkstation in nicht näher spezifiziertem Umfang Kosten für das Halten einer Barkasse einsparen möchte.
(Gebauer)
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Medizinrecht