21. 10. 2020 | Der Landkreis Berchtesgadener Land ist Rekordhalter bei der wöchentlichen Corona-Inzidenz. Es wurden Ausgangssperren und ein Lockdown verordnet. Was ist da los? Update 6.11. Der 7-Tage-Inzidenzwert der positiven Corona-Test ist weiter auf 211 gesunken, rund 60 Punkte niedriger als zu Lockdown-Beginn. Im Krankenhaus werden 24 Patienten mit Covid behandelt, davon 6 intensiv. Mehr …
Update 6.11. und vorläufige Schlussbetrachtung
Die 7-Tage-Inzidenz ist im Kreis damit weiterhin deutlich höher als im Bundesgebiet, wo sie nach Angaben des RKI vom 5.11. 127 beträgt. Eine weitere Person ist nach Mitteilung des Landratsamts „an Covid-19“ gestorben. Sie war 99 Jahre alt. Anders als etwa das RKI spricht das Landratsamt von an Covid-19 Gestorbenen, nicht von „an oder mit“ Covid-19 Gestorbenen.
Lockdown könnte gewirkt haben
Der fortgesetzte Rückgang der Inzidenz gegen den Bundestrend deutet anders als in früheren Updates vermutet darauf hin, dass der harte Lockdown im Kreis die Ausbreitung des Virus merklich vermindert haben könnte. Diese Einschätzung steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass dahinter keine Änderungen in der Häufigkeit der Tests oder der Teststrategie steht und der Landkreis nicht in größerem Umfang von falsch positiven Testergebnissen betroffen war, die möglicherweise inzwischen abgestellt wurden (siehe Update 28.10.). Da es hierüber meines Wissens keine Informationen gibt, muss die Validität der Vermutung über die deutlich positive Wirkung des Lockdowns mit einem Fragezeichen versehen bleiben.
Anzahl der Positivtests hat gewisse Aussagekraft
Der Landkreis hatte seit August mit 1079 neuen Covid-Fällen etwa doppelt so viele wie das Bundesgebiet, bezogen auf die Einwohnerzahl, nämlich 1,0%. Anders als ich das zu Anfang meiner Landkreisbeobachtung vermutet habe, findet das seinen Niederschlag auch in einer in ähnlichem Ausmaß erhöhten Relation von Intensivpatienten mit Covid (derzeit 1 zu 18.000 im Kreis vs. 1 zu 28.000 im Bundesgebiet) und bei den Todesfällen seit August (0,0047% im Kreis versus 0,0021% im Bund). Der Anteil der Verstorbenen an den positiv Getesteten seit August ist gleich wie im Bundesgebiet (0,5%).
Aber einen Gesundheitsnotstand gab und gibt es nicht
Im Kreis sind seit März 30 Menschen an Covid-19 gestorben, davon 5 oder 6 während der neuen Welle nach dem Sommer (die Situationsberichte des Landratsamts scheinen hier nicht ganz konsistent). Das Durchschnittsalter der im Herbst an oder mit Covid-19 Gestorbenen betrug etwa 86 Jahre. Das entspricht etwa dem durchschnittlichen Sterbealter der Bevölkerung.
Wie unterschiedlich die gesundheitliche Situation im Vergleich zum Frühjahr ist, wird an den Sterberelationen deutlich. Im Bundesgebiet ist der Anteil der Gestorbenen im Verhältnis zu den positiv Getesteten von 4,4% im Frühjahr um fast 90% auf 0,46% gesunken. Im Kreis war der Rückgang noch stärker, von 7,0% im Frühjahr auf 0,46%. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung sank die Covid-Sterberate von 0,01% im Frühjahr auf 0,002% im Herbst um etwa 80%. Im Berchtesgadener Land ging die Sterblichkeit von 0,02 im Frühjahr auf 0,005% zurück.
Die Situation in den Krankenhäusern des Kreises, der längere Zeit mit Abstand den Corona-Inzidenzrekord hielt, war zu keiner Zeit kritisch.
Falls diese Schlussfolgerungen aufgrund neuer Entwicklungen zu ändern sind, wird es weitere Updates geben, sonst nicht.
Update 4.11.
Der 7-Tage-Inzidenzwert der positiv Getesteten ist in den letzten drei Tagen kontinuierlich gesunken. Gut zwei Wochen nach Lockdownbeginn im Kreis liegt er nun bei 233, rund 40 Punkte niedriger als bei Beginn. Keine nennenswerte Änderung der Lage in den Krankenhäusern. Meine Schlüsse daraus:
Der Rückgang des Inzidenzwertes könnte bedeuten, dass der Lockdown mit Verzögerung doch etwas mehr bewirkt als im Update vom 2.11. gemutmaßt. Das ist weiter zu beobachten.
Weiterhin und immer stärker gilt jedoch die zweite Schlussfolgerung, dass der allein auf positiven PCR-Tests beruhende Inzidenzwert eine sehr geringe Aussagekraft über die Gefahr eines Gesundheitsnotstands besitzt. Im Kreis mit dem wochenlang rekordhohen Inzidenzwert sind weiterhin nur 23 Menschen im Krankenhaus, davon vier in Intensivbehandlung. Letzteres sind einer auf 30.000 Einwohner, praktisch gleichauf mit der Situation im Bundesgebiet. Wenn die 7-Tage-Indizidenz so wichtig und 50 tatsächlich ein kritischer Wert wäre, sollte Schlimmeres passiert sein, wenn der Wert in Berchtesgaden seit einem Monat über 200, über längere Zeiträume auch über 300 liegt. Die Krankenhaussituation sollte deutlich schlimmer sein als im Bundesgebiet, wo die 7-Tage-Inzidenz im Durchschnitt sehr viel niedriger war. Zu Anfang wurde mir bevorzugt entgegengehalten, der Gesundheitsnotstand im Kreis werde noch kommen. Er kam nicht.
Update 2.11.
Die Erfahrung mit dem Lockdown im Kreis Berchtesgadener Land gibt wenig Grund zum Optimismus für Deutschland, dafür umso mehr, die auf PCR-Testergebnisse fokussierte Strategie der Exekutive anzuzweifeln. Angela Merkel hat heute in der Bundespressekonferenz mehr oder weniger deutlich einen Rückgang des 7-Tage-Inzidenzwerts unter 50, von derzeit deutlich über 100, zur Bedingung für die planmäßige Beendigung des Lockdowns in einem Monat erklärt. Im Berchtesgadener Land liegt der PCR-Inzidenzwert knapp zwei Wochen nach Beginn eines härteren Lockdowns mit Ausgangssperre und Schulschließungen mit über 280 immer noch leicht oberhalb des Ausgangswerts. Gleichzeitig ist die Anzahl der Covid-Krankenhauspatienten auf 26 gestiegen, die der Intensivpatienten darunter auf vier.
Die Erfahrung des Kreises deutet nicht darauf hin, dass eine gesundheitliche Katastrophe ausbricht, wenn man die Kontakte der vielen positiv Getesteten nicht mehr nachverfolgen kann. Seit Wochen liegt der Inzidenzwert hier bei einem Vielfachen von 50, bis zu dem es heißt, dass die vollständige Nachverfolgung noch möglich sei. Mit einem Intensivpatienten je 30.000 Einwohner steht der Landkreis nicht viel schlechter da als das Bundesgebiet, wo die Relation 1 zu 40.000 beträgt.
Umgekehrt deutet die Erfahrung mit dem Lockdown im Berchtesgadener Land nicht darauf hin, dass man damit allzu viel Eindruck auf das Virus und die PCR-Tests machen kann. Dass wir durch den Lockdown im Bundesgebiet – trotz der unvermeidlich zunehmenden virenfreundlichen Kälte und Nässe – den 7-Tage-PCR-Inzidenzwert unter 50 drücken können, darf als unwahrscheinlich gelten.
Und beides zusammen deutet ziemlich offenkundig darauf hin, dass die PCR-Inzidenz eine denkbar ungeeignete Basis für die Gestaltung der Maßnahmen gegen die Corona-Welle ist. Da die Bundesregierung jedoch unbeirrt daran festhält, müssen wir uns wohl auf einen langen Lockdown einstellen. Einziger Hoffnungsschimmer: Im Berchtesgadener Land wurden die Schulen und Kindertagesstätten trotz einem PCR-Wert um 300 wie geplant wieder geöffnet. Man hat offenbar doch einen gewissen Respekt vor der begrenzten Duldsamkeit der Bevölkerung.
Update 30.10.
Die PCR-Inzidenz liegt auch an Tag 10 des Lockdowns noch über dem Startwert und über 300. Trotzdem öffnen Schulen und Kitas wieder. Die Lage in den Krankenhäusern ist weiter entspannt. Der PCR-Inzidenzwert ist gegenüber dem Vortag nach Daten des Landkreises wieder leicht auf 316 gestiegen. (Er wird zur Vorspiegelung von Präzision sogar mit einer Kommastelle angegeben, was wir hier nicht tun.) Auch am Tag zehn des Lockdown liegt der praktisch allein zur Begründung des Lockdowns herangezogene Inzidenzwert noch 40 Zähler über dem Wert beim Lockdownbeschluss. Auch unter Berücksichtigung der Inkubationszeit sollte man allmählich einen Rückgang beobachten, wenn der Lockdown auch nur annähernd so hilfreich wäre, wie er in vieler Hinsicht teuer ist.
Einen Gesundheitsnotstand gibt es im Kreis trotz der hartnäckig extrem hohen PCR-Inzidenz nicht ansatzweise. 21 Menschen liegen wegen oder mit Corona im Krankenhaus, davon zwei auf der Intensivstation.
Noch am 29.10. hatte Landrat Kern an die Bevölkerung appelliert:
„Mein eindringlicher Appell an alle Bürgerinnen und Bürger im Landkreis: Halten Sie, halten wir weiter durch! Halten Sie sich an die Hygienevorschriften. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können wir es schaffen, dass die Zahlen wieder auf ein normales Maß sinken und wir wie geplant am 3. November die KiGas und KiTas und ab 9. November die Schulen mit einem entsprechenden Hygienekonzept wieder öffnen können.
Zwar sind die (PCR-Inzidenz-)Zahlen nicht gesunken, schon gar nicht auf ein normales Maß, trotzdem öffnet der Landkreis Berchtesgadener Land ab Montag bzw. nach Ferienende wieder die Kindertagesstätten und Schulen. Man passt sich damit wohl den Vorgaben für ganz Deutschland an, wo die Schulen und Kitas ja offen bleiben.
Dass sich bisher kein positiver Effekt des Lockdowns zeigt, könnte auch daran liegen, dass die Begründung ziemlich hakt. Immerhin hatte das RKI noch in seiner „Strategie-Ergänzung, Stand 23.10.2020“ festgestellt:
„—-Ausbrüche in einzelnen Settings (etwa durch Familienfeiern oder in Bildungseinrichtungen wie Kitas, Schulen), auch noch weiter verstärkt im Herbst/Winter bedingt durch verändertes Verhalten (z.B. längere Aufenthalte in geschlossenen Räumen). — „
Wie es bei dieser Problemdiagnose hilfreich sein soll, wenn man den Leuten verbietet, ohne triftigen Grund ihre Wohnungen zu verlassen, erschließt sich nicht jedem auf Anhieb.
Auch in der heutigen Corona-Info des Landratsamts findet sich kein Hinweis darauf, ob der Landkreis von den falsch-positiven Testergebnissen des Labors in Augsburg betroffen war, beziehungsweise, ob man mit diesem Labor zusammengearbeitet hat. Auch sonst kann ich einen solchen Hinweis nirgends finden.
Leseempfehlung: Christof Kuhbandner: „Droht tatsächlich eine akute nationale Gesundheitsnotlage?“
Update 28.10.
Eine meiner Thesen war, dass vielleicht in einem Labor etwas schief gegangen sein könnte. Nun wurde bekannt, dass in einem großen oberbayerischen Labor aufgrund von Hektik und Materialknappheit massenhaft falsch positive Ergebnisse produziert und nicht gegengeprüft wurden. Ob und gegebenenfalls wie viele PCR-Tests dort für den Kreis Berchtesgadener Land durchgeführt wurden, ist noch nicht bekannt.
Update 27. 10. und Zwischenresümee
Update 27.10. Der 7-Tage-Inzidenzwert nähert sich wieder der 300er-Marke, trotz Lockdown. Die Anzahl der Covid-Krankenhauspatienten stieg um 2 auf 20, die der Intensivpatienten um 1 auf 3. Setzt man die Zahl der Intensivpatienten ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl, zeigt sich, dass die Situation weder im Berchtesgadener Land, noch im zweiten Lockdown-Kreis Rottal Inn, außergewöhnlich ist.
Bezogen auf die Bevölkerungszahl von rund 105.000 bedeuten die 3 Intensivpatienten im Berchtesgadener Land einen Patienten pro 35.000 Einwohner. Zum Vergleich: Im Bundesgebiet kommt ein Intensivpatient auf 55.000 Einwohner. Die Unterschiede von Kreis zu Kreis sind enorm. Bis gestern lag Berchtesgadener Land noch auf Bundesniveau.
Der zweite Lockdown-Kreis, Rottal-Inn, ebenfalls ländlich mit wenigen Einwohnern, liegt mit einem je 40.000 Einwohner noch näher am Bundesschnitt. In Frankfurt am Main, wo ich wohne, zum Vergleich, ist die Relation mit einem Intensivpatienten auf 18.000 Einwohner mehr als doppelt so hoch, in der Nachbarstadt Offenbach mit einem auf 13.000 Einwohner dreimal so hoch wie im Lockdown-Kreis Rottal Inn. Im Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge kommt ein Intensivpatient aus dem Kreis auf nur 4000 Einwohner. Es mag noch krassere Beispiele geben, ich habe fast zufällig ein paar Kreise gegriffen.
Und das bei Inzidenzwerten, die überall niedriger sind als im Berchtesgadener Land und Rottal Inn, oft deutlich niedriger. Das zeigt für mich, dass Inzidenzwerte als Grundlage für Lockdowns und sonstige Maßnahmen nicht sachgerecht sind und hart an reine Willkür grenzen.
Ich will nicht die Hand für jeden einzelnen Wert ins Feuer legen, und es mag im Einzelfall Verzerrungen oder falsche Zahlen geben. Die Zahlen zur Inzidenz unterscheiden sich zum Teil deutlich zwischen Landkreisen und RKI. Aber die Vergleiche machen hinreichend deutlich, dass die Inzidenzwerte für sich genommen, so wie sie der Öffentlichkeit um die Ohren gehauen werden, herzlich wenig über Vorhandensein und Schwere des Gesundheitsnotstands vor Ort aussagen.
Ich würde sagen, die Einwohner der Kreise Berchtesgadener Land und Rottal Inn haben allen Grund wütend darüber zu sein, dass sie auf Basis eines untauglichen Indikators eingesperrt werden, während der Rest der Republik noch Freigang genießt. Das wirkt auf mich ein bisschen wie das Statuieren eines abschreckenden Exempels an bevölkerungsmäßig kleinen Kreisen am Rand der Republik.
Updates 23.10. -. 26.10.
Nachdem die Anzahl der im Krankenhaus behandelten Patienten mit Covid zwischenzeitlich von 13 auf 10 gesunken war, stieg sie bis Montag auf 18, Von diesen liegen seit 23.10. zwei auf der Intensivstation. Der Anteil der intensiv Behandelten mit Covid im Berchtesgadener Land an allen als aktiv geltenden Fällen ist damit am 26.10. auf 0,5% gefallen, weniger als halb so hoch wie die 1,2% bundesweit. Der Anteil der Hospitalisierten an den 378 aktiven Fällen ist auf 4,7% gestiegen und ist damit nun fast so hoch wie im Bundesgebiet, wo laut RKI-Lagebericht vom 20.10. (Seite 8) in der 42. Woche 5% der Fälle, für die die entsprechenden Angaben vorliegen, ins Krankenhaus eingewiesen wurden. Der Anteil derer ohne Symptome lag zuletzt bundesweit bei 16%, im Berchtesgadener Land war dagegen laut Bericht des Gesundheitsamts vom 23.10. mit über einem Drittel ein mehr als doppelt so hoher Anteil der positiv Getesteten symptomfrei.
Zwischenresümee: Für mich sieht das sehr nach einem dieser Fälle aus, wo in einem dünn besiedelten Landkreis einige Fälle erfasst werden, dann viele Kontaktpersonen getestet werden, von denen wieder manche positiv testen, was zu vielen weiteren Tests führt. Das schlägt dann bei geringer Bevölkerung stark auf den in dieser Absolutheit völlig untauglichen Inzidenzindikator durch. Eine medizinische Krise, die schlimmer ist als in vielen anderen Landkreisen, scheint es im Berchtesgadener Land trotz der Rekordwerte bei der Inzidenz nicht zu geben. Ergänzung (26.10): Wohl nicht zufällig geht am 26.10. mit Rottal Inn ein zweiter dünn besiedelter ländlicher Kreis wegen einer hohen 7Tage-Inzidenzzahl in den Lockdown. Dort liegen 3 Patienten mit Covid-19 auf der Intensivstation.
Update 22.10.
Die Zahl der intensiv im Krankenhaus behandelten Patienten mit Covid im Landkreis liegt laut DIVI-Intensivregister unverändert bei 1, die Anzahl der stationär behandelten stieg um 1 auf 13, Die 7-Tage-Inzidenz stieg auf den neuen Rekordwert von 293. Die Zahl der Positiven, deren Quarantäne noch nicht abgelaufen ist, stieg um 53 auf 342. Die Relation von intensiv behandelten Krankenhauspatienten zu „aktiven Fällen“ fiel damit nochmal etwas weiter und 0,4% und entfernte sich damit weiter nach unten vom bundesdeutschen Durchschnitt, der etwa dreimal so hoch ist.
Update 21.10. – 18 Uhr
In der Klinik in Bad Reichenhall sind laut Gesundheitsamt am Mittwoch 12 Menschen aus dem Landkreis wegen Covid in Behandlung, davon einer intensiv. Die Anzahl der aktiven „Infektionen“ im Landkreis sei auf 289 gestiegen. Das heißt, 4% der positiv Getesteten deren „Infektion“ noch nicht als abgeklungen gilt, sind im Krankenhaus, 96% der positiv Getesteten haben keine Symptome oder so moderate Symptome, dass sie diese zuhause auskurieren können.
Update 12:25 Uhr
Auf ntv.de ist heute zu lesen, dass die Sieben-Tage-Inzidenz der Menschen mit positivem Testergebnis noch einmal gestiegen sei. Diese stehe laut Robert-Koch-Institut nun beim neuen Höchststand und deutschen Rekord 262. Eine schlüssige Erklärung gibt es nicht. Der Leiter des Gesundheitsamtes gehe von einem „diffusen Infektionsgeschehen“ aus. Laut Aussagen des Gesundheitsamtsleiters von Dienstag zeigten von den 260 bestätigten aktiven Fällen 169 Menschen Symptome wie Husten oder Fieber. Mehr als ein Drittel der positiv Getesteten sind also völlig symptomfrei und damit nach gängiger Definition einer Infektionskrankheit nicht infiziert. Man sei „noch weit davon entfernt, die Kapazitätsgrenze des Kreiskrankenhauses in Bad Reichenhall zu erreichen.
Blogbeitrag 8:25 Uhr
In dem Landkreis gab es Stand 20. Oktober 260 aktive Corona-Infektionen. Von diesen musste einer intensivmedizinisch im Krankenhaus behandelt werden, davon keiner beatmet. Das sind weniger als 0,4% der registrierten Fälle in Intensivbehandlung.
Zum Vergleich: In Deutschland gibt es 879 Covid-Patienten in Intensivbehandlung bei 68.800 aktiven Fällen. Das sind 1,2% oder dreimal so viel wie in dem Hotspot-Landkreis.
Nun, was nicht ist kann ja noch werden. Hoffen wir es nicht. Sonderbar ist es zunächst einmal schon.
Vor knapp drei Wochen wurde der Chefarzt des zuständigen Kreiskrankenhauses Bad Reichenhall, Christian Geltner, gefragt, woran es liegen könnte, dass trotz der überall stark steigenden Fallzahlen in diesem Krankenhaus kein Patient intensivmedizinisch betreut werden müsse, und es überall sonst in Bayern ähnlich aussehe. Das ist, wie gesagt, ein paar Wochen her, aber trotzdem nicht uninteressant.
Der Lungenfacharzt sagte, dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass viele gesunde, asymptomatische Patienten getestet würden. „Die hat es im Frühjahr sicher auch gegeben, aber da wurde erst sehr spät getestet.“ Demnach hätten die Fallzahlen im Frühjahr deutlich höher sein müssen als jetzt und es fällt schwer einen Vergleich zu ziehen.
Außerdem seien die Behandlungsmöglichkeiten inzwischen viel besser. Für die Frage, ob eine zweite Welle zu diagnostizieren ist, käme es vor allem darauf an, wie viele Infizierte im Krankenhaus behandelt werden müssten.
Noch früher, am 5. September hatte Geltner vorausgesagt, dass der Winter eine Herausforderung werden würde, wegen sicherlich dann wieder steigender Fallzahlen. Man sei in seinem Krankenhaus aber gut in der Lage, auf steigende Covid-Patientenzahlen zu reagieren. Und weiter auf BGLand24.de:
„Man müsse sich aber auch darüber im klaren sein, egal welche Maßnahmen man ergreift, „wir werden Deutschland und Europa nicht Virusfrei kriegen“. Deshalb sei es aus der Sicht des Chefarztes wichtig, dass die Bevölkerung mit dem Virus in Kontakt komme. „Nur so ist eine Immunisierung möglich.“ Schulen und Grenzen zu schließen seien aus seiner Sicht nicht die richtigen Maßnahmen. „Was hilft es einem Arbeiter, wenn er durch zwei Wochen Quarantäne zwar nicht an Corona erkrankt ist, aber dafür danach arbeitslos ist?“ Dr. Christian Geltner weiß, dass da extreme Maßnahmen aufeinander treffen. „Der Mittelweg wird der richtige sein“, ist er sich sicher. „Zu einer gewissen Rate an erkrankten gehören auch gewisse Todesfälle.“
Der Landrat dort, inspiriert von der Bayerischen Landesregierung mit ihrem hart durchgreifenden Landesvater und Kanzlerkandidaten in spe sieht das offenkundig anders.
Ohne konkrete Zahlen zu nennen, sagte Landrat Bernhard Kern am Dienstag dem Bayerischen Rundfunk, die Zahl der Covid-19-Erkrankten im Krankenhaus nehme zu: „Die Covid-Patienten werden mehr. Und das Krankenhaus in Bad Reichenhall ist natürlich gefordert.“ Das sei auch der Grund für die Ausgangsbeschränkungen, die seit Dienstag in dem Landkreis gelten.
Die Menschen dürfen im Landkreis die eigene Wohnung nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Schulen, Kitas, Freizeiteinrichtungen und Restaurants müssen schließen, Veranstaltungen werden untersagt. Die Beschränkungen gelten vorerst für 14 Tage.
Man kann verschiedene Vermutungen anstellen, was im Berchtesgadener Land los ist:
- Ist der Anstieg der Fallzahlen noch zu frisch und der Anteil der schwerer Erkrankten wird steigen?
- Gab es eine große Testoffensive im Landkreis?
- Ist in einem Labor etwas schiefgelaufen?
- Geht eine relativ harmlose Virusvariante in dem Landkreis um?
Es wird sich lohnen, das weiter zu beobachten. Dieser Beitrag wird nach Bedarf und Nachrichtenanfall ergänzt werden.