Der MDR und die Zensur

29. 12. 2023 | Als der ARD-Sender MDR kürzlich aus dem öffentlich-rechtlichen Schweigekartell ausbrach und eine Sendung über mutmaßliche DNA-Verunreinigung von Impfstoffen zeigte, wurde er schnell genötigt, den Beitrag wegzuzensieren. Das ist nicht das erste Mal, dass MDR-Redakteuren, die es wagen, journalistisch zu arbeiten, solches widerfährt.

Die Sendung zu den Impfstoff-Verunreinigungen wurde wenige Tage nach Ausstrahlung erst „vorläufig“ aus der Mediathek gelöscht. Man habe nicht genug Informationen gehabt, wie ein Labor, auf das Bezug genommen wurde, gearbeitet habe. Dann wurde der Beitrag endgültig gelöscht, weil auf nicht näher erläuterte Weise gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen worden sei. Die Option, den Beitrag mit einem Hinweis zu versehen und oder in transparent korrigierter Version in der Mediathek zu lassen, wurde nicht gewählt. Ein klarer Akt von Zensur auf politischen Druck hin.

Es ist nicht der erste Fall beim MDR, der offenbar ein größeres Problem als die anderen ARD-Sender mit unbotmäßigen, journalistisch arbeitenden Redakteuren hat.

Am 7. Februar 2022 verkündete der MDR: „Ungeimpfte sind bei schweren Verläufen deutlich in der Mehrheit“. Er berief sich dabei völlig unkritisch auf Datenanalysen des RKI, die – wie ich mit den bescheidenden Mitteln eines nebenberuflichen Bloggers leicht nachweisen konnte – auf völlig unzureichenden, ja untauglichen Daten beruhten.

Der MDR-Autor mit dem Kürzel (rr) las das oder merkte es auf andere Weise und brachte Anfang März einen weiteren Artikel mit dem Titel „Anteil von Geboosterten auf den Intensivstationen nimmt rasant zu“.  Darin erläuterte er (oder sie) die Untauglichkeit der vom RKI verwendeten Zahlen ähnlich wie ich es getan hatte, und wies darauf hin, dass die viel aussagekräftigeren Daten des Intesivregisters DIVI etwas ganz anderes zeigten als die vom RKI verwendeten Meldungen der Gesundheitsämter.

Die RKI-Daten umfassten nur einen sehr kleinen Teil der Intensivpatienten, weil die Gesundheitsämter nur sehr unvollkommen Bescheid wussten, wer nach einer Infektionsmeldung später auf eine Intensivstation kam und wie deren Impfstatus war. Offenkundig waren die Daten des RKI zum Impfstatus der Patienten verzerrt, weil die viel umfassenderen DIVI-Daten viel niedrigere Anteile der Ungeimpften auswiesen.

Heute ist nur noch umstritten, ob die damalige, von der Politik begierig aufgegriffene und weiterverbreitete These von der angeblichen Pandemie der Ungeimpften, auf lediglich schlampiger oder auf absichtlich manipulativer Datenanlyse beruhte.

Sofort nach Publikation des zweiten, kritischen MDR-Berichts setzte sich die Zensurmaschinerie in Gang. Der Artikel, der am 7. März 2022 erschien, ist in der ursprünglichen Form auf den MDR-Seiten nicht mehr vorhanden. Er wurde ab 8. März massiv und auf völlig intransparente Weise überarbeitet und die Aussage dabei stark gedreht. Statt der Aussage, dass die vom RKI insinuierte Pandemie der Ungeimpften auf untauglichen Daten beruht, und das wahre Bild ein ganz anderes ist, steht da nun ein Artikel, der feststellt, dass alles sehr kompliziert und schon irgendwie gerechtfertigt ist, was das RKI tut.

Dem Artikel wurde ein neues Datum verpasst (7. Mai) und eine weitgehend unverständliche Vorbemerkung vorangestellt, die die dramatischen Änderungen in keiner Weise transparent macht. Diese sieht man nur, wenn man den Artikel in seiner Version vom 7. März über das Internet Archiv Wayback Machine aufruft.

So lautete der Vorspann des Artikels im Original:

„Mittlerweile liegen fast so viele Geboosterte auf den Intensivstationen wie Ungeimpfte. Der Anstieg pro Woche ist immens. Aber das RKI sieht „keine starken Hinweise, dass die Booster-Effektivität deutlich nachlässt. Gibt es da einen Denkfehler?“

Im revidierten Stück liest sich das so:

„Auf den Intensivstationen liegen immer mehr Menschen, die bereits eine Booster-Impfung bekommen haben. Liegt das am nachlassenden Schutz oder an der steigenden Menge geboosterter Menschen? Die Datenlage ist schwierig.

So setzt sich das fort. Am Ende ist das neue Resümee, dass die Datenlage schlecht ist, und dass das bedauerlich ist. Die völlig gedrehte Struktur und Tonalität des Artikels hat sich seit 9. März 2022 nicht mehr wesentlich geändert, aber das heute angegebene Datum des Artikels ist der 7. Mai 2022. Aus meiner Sicht ist das Vorgehen des MDR – das sicherlich auf starken politischen Druck zurückgeht – schlimmer als Zensur, bei der einfach ein nicht genehmes Stück Information entfernt ist. Hier wird die Geschichte im Sinne der Mächtigen nachträglich umgeschrieben, wie in George Orwells Roman „1984“.

Die Vorbemerkung lautet seit 9. März:

„Vorbemerkung: Wir haben diesen Artikel nach fundierter inhaltlicher Kritik am 8. und 9. März gründlich überarbeitet, insbesondere was die Rolle der Altersgruppen bei der Einschätzung der Impfeffektivität angeht, inkl. der Grafik, die zu Missverständnissen geführt hatte. Vielen Dank für die Diskussion und die Anregungen.“

Üblich ist, dass nach Überarbeitungen mindestens transparent gemacht wird, wann ein Artikel erstmals erschienen ist und welche Änderungen vorgenommen wurden.

Wenn die Änderungen so umfassend sind, dass das nicht mehr sinnvoll möglich ist, man aber aus irgendeinem Grund am alten Platz den neuen Artikel stehen haben möchte, gibt es die Möglichkeit, den alten Artikel zu dokumentieren. Das habe ich zum Beispiel kürzlich auf diesem Blog bei einem fehlerhaften Artikel so praktiziert.

Der MDR dagegen schreibt intransparent völlig um und verheddert sich dabei. Die Historie der Datumsangabe des Artikels ist skurril.

Heute steht da als Datumsangabe „07. Mai 2022, 15:13 Uhr“. Ein Datum ohne „Stand“ davor gibt üblicherweise das ursprüngliche Erscheinungsdatum des Beitrags an. Legt man diese übliche Verfahrensweise auch beim MDR zugrunde, ist die Datumsangabe falsch.

Die erste verfügbare Archivversion des Artikels ist laut Wayback Machine vom 7. März 2022. Das dürfte der Ersterscheinungstag gewesen sein.

Zwei Tage später wurde am 9. März als Datum für den völlig umgeschriebenen und entschärften Artikel „Stand 9. März“ angegeben. Das Ursprungsdatum wurde nicht mehr genannt und dabei blieb es.

Am 7. Juni lautete der angegebene Stand noch wenig überraschend „Stand 7. Juni“.

Ab 18. August lautete die Datumsangabe dann auf einmal  „Stand 7. Mai“. Es wurde also rückdatiert, aber nicht zum ursprünglichen Erscheinungsdatum.

Seit der Archivversion von 19. Oktober 2023 bis heute steht da nicht mehr „Stand“, sondern nur noch „07. Mai 2022, 15:13 Uhr“. Dieses Datum steht seitdem auch nochmal unter dem Artikel, vor den Kommentaren, also an einer Stelle, wo man definitiv den Ersterscheinungstag angeben sollte, wenn man oben nur den Stand der letzten Änderung (oder wie derzeit der MDR ein willkürlich gewähltes Datum) angibt. Da in der „Vorbemerkung“ keine Jahreszahl der Änderung angegeben wird, muss der unbefangene Leser, der heute auf den Artikel klickt, annehmen, dass dieser erst im März 2023 umgeschrieben wurde. Denn ein Artikel von Mai 2022 kann ja schlecht im März 2022 umgeschrieben worden sein.

Fazit

Ich habe mir die Mühe gemacht, diesen verunglückten Fall von Zensur kritischer Berichterstattung nachzuzeichnen, damit jeder leicht auf diesen Fall und den jüngsten MDR-Fall beim Bericht über verunreinigte Impfstoffe verweisen und verlinken kann, wenn jemand bezweifelt, dass in den deutschen (öffentlich-rechtlichen) Medien auf politischen Druck hin zensiert wird.

Wenn man hinreichend misstrauisch interpretiert hat, was ZDF-Intendant Thomas Bellut 2020 dem MDR gegenüber zum Thema Staatsnähe des Rundfunks sagte, konnte man schon ahnen, dass es so läuft und offenbar auch laufen soll. Bellut sagte:

„Am Ende ist es die Aufgabe des Intendanten, Versuchen der politischen Einflussnahme klare Grenzen zu setzen.“ Es gebe aber kaum direkten Kontakt zum Beispiel zur Bundeskanzlerin. „Es ist in der deutschen Politik einfach nicht üblich. Es gibt natürlich Kritik nach Sendungen. Das muss auch sein. Wir machen Fehler, dann muss man darüber diskutieren.“ Aber sich vorab beeinflussen zu lassen sei ein NoGo, so Bellut.“

Der MDR versteht das offenbar so. Man darf nachher zensieren und das Fehlerkorrektur nennen, wenn die Regierung sich beschwert. Man soll sich nur nicht von der Politik in geplante Sendungen reinreden lassen.

Da die Redakteure keine Lust haben, nachträglich zensiert, pardon, korrigiert, und als inkompetent dargestellt zu werden, ist die Wirkung ähnlich. Sie arbeiten von vornherein mit der Schere im Kopf. Beim MDR hat diese sonst unmerkliche Selbstzensur in mindestens zwei Fällen nicht richtig funktioniert und es musste mit – immerhin öffentlich sichtbarer – nachträglicher Zensur nachgeholfen werden. Das ist insofern gut, als nur Misstände, die im öffentlichen Bewusstsein sind, eine realistische Chance haben, abgestellt zu werden. Wie denken wohl die MDR-Journalisten (und die anderen öffentlich-rechtlichen Journalisten) darüber, und welchen Knacks gibt es wohl ihrem journalistischen Selbstverständnis?

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