Weil man die ARD auch einmal loben muss: Tagesschau.de bringt einen der wenigen Berichte, die ohne den ansonsten obligatorischen Verweis auf die Folgen des Klimawandels auskommen. Hier heißt es kurz und knapp zum Grund des Versinkens: „Ursache für die Probleme ist vor allem das exzessive Abpumpen von Grundwasser.“ In der 20 Uhr Tagesschau im Fernsehen war am 17.8. ebenfalls nicht von Klimawandel die Rede. Und auch im ZDF wurde solide berichtet. Dort hieß es korrekt, in geringem Maße trage auch der Anstieg des Meeresspiegels zum Problem bei.
Bei ntv.de dagegen heißt es vorn im Artikel:
„Das wohl größte Problem der Stadt sind die regelmäßigen starken Überschwemmungen. Mitverantwortlich sind der steigende Meeresspiegel und die sich häufenden Extremwetterereignisse.“
Da noch keine anderen Verantwortlichen genannt wurden, muss der Leser denken, Jakarta habe vor allem ein Problem mit dem Klimawandel. Das ist jedoch grob falsch und die Autorin weiß das. Denn sie schreibt später im Text:
„Die Kombination aus steigendem Gewicht und sich leerenden Hohlräumen im sumpfigen Boden ist gefährlich: Die Stadt sackt ab und mit ihr die Bevölkerung. Im Norden sinkt sie bis zu 25 Zentimeter pro Jahr. Zum Vergleich: Venedig hat mit zwei Millimetern zu kämpfen.“
Die Autorin ist also bestens in der Lage, die Bedeutung von unterschiedlichen Größenordnungen zu erfassen. Der Anstieg des Meeresspiegels wird in einem Geo-Artikel mit 1,6 Millimeter pro Jahr im globalen Durchschnitt angegeben. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass es in Indonesien mehr sein könnte: Das Absinken des Baugrunds ist um etwa den Faktor 100 bedeutsamer als der Anstieg des Meeresspiegels. Deshalb wird letzterer auch im ganzen restlichen Artikel überhaupt nicht erwähnt. Der oben zitierte Satz aus der Einleitung, der steigende Meeresspiegel sei verantwortlich für Jakartas Probleme, wirkt inhaltlich und sprachlogisch deplaziert.
Noch stärker zutage trat der innere Widerspruch bereits in einem ntv-Artikel von 2019 aus Anlass der damaligen Entscheidung für den Umzugsplan. Autor war ein anderer Redakteur. Dort hieß es im Vorspann des Artikels: „Indonesiens Hauptstadt Jakarta geht unter. Das liegt am Klimawandel, hat aber auch andere menschengemachte Gründe.“ Auch hier konnte dem Autor nicht entgehen, dass das die grob verkehrte Reihenfolge der Ursachen war. Denn er schreibt weiter hinten: „Am schlimmsten betroffen sind die Küstenviertel. Hier sackt der Boden pro Jahr um bis zu 20 Zentimeter ab.“ Und noch weiter hinten: „Natürlich hat der Klimawandel seinen Anteil. Der Meeresspiegel steigt auch hier, drei Millimeter pro Jahr.“ Drei Millimeter pro Jahr ist gut ein Siebzigstel von 20 Zentimetern im Jahr. Und schließlich schreibt der Autor sogar, alle Experten hielten die Grundwasserentnahme für das größte Problem, „schlimmer als der Klimawandel“. Im Vorspann des Artikels steht das Gegenteil.
Von der Neuen Züricher Zeitung würde der Laie solch klimakatastrophenpolitische Korrektheit eigentlich nicht erwarten. Aber weit gefehlt. In der Beschreibung des aktuellen NZZ-Videobeitrags heißt es: „Schuld sind der Klimawandel und illegale Wasserbohrungen.“ Seit 1993 ist der Meeresspiegel jährlich um drei Millimeter gestiegen.“ Durch die illegalen Brunnengrabungen ist an manchen Orten der Stadt der Boden um zwei bis vier Meter abgesackt.“ Zwei bis vier Meter ist gut das 20- bis 40-fache des Anstiegs des Meeresspiegels in 30 Jahren. Doch dieser Vergleich wird nicht ansatzweise angestellt. Stattdessen wird die entsprechende Passage eingeleitet mit „Und es gibt einen weiteren Grund, warum Jakarta im Meer versinkt: Der Klimawandel.“
Bei der Zeit liest man: „Die Metropole ist durchzogen von Wasserläufen und sinkt Jahr für Jahr weiter ab, teilweise mehrere Zentimeter. Die Klimakrise, die steigende Meeresspiegel mit sich bringt, vergrößert das Problem zusätzlich.“ Ohne Hinweis auf die drastisch unterschiedlichen Größenordnungen ist das irreführend.
Bei Deutschlandfunk-Kultur heißt es in der Videobeschreibung aus dem Jahr 2023: „Weite Teile Jakartas werden langfristig untergehen – wegen der Klimakrise und hausgemachten Problemen in der Zehn-Millionen-Metropole.“
Beim Spiegel findet man, was man erwartet: Klimakrise. In dem schon etwas älteren Beitrag heißt es einleitend: „(Jakarta) kämpft um sein Überleben. Zu viele Menschen, zu viel Verkehr, Müll, Luftverschmutzung – gepaart mit Folgen der Klimakrise: steigende Meeresspiegel, unvorhersehbarer Regen.“
Wie kommt das?
Traditionelle Quelle der Gleichrichtung von Medienberichten sind die Nachrichtenagenturen, deren Artikel von sehr vielen Medien mit mehr oder weniger kleinen Änderungen und Ergänzungen übernommen werden. In diesem Fall ähneln sich zwar die Beiträge inhaltlich und vom Tenor her stark, aber es gibt kaum Erwähnungen von Nachrichtenagenturen. Deren Nutzung wird allerdings oft auch verschwiegen.
Geteilte Ideologie ist ein anderer möglicher Grund. Sehr viele deutschsprachige Journalisten gehören dem Netzwerk Klimajournalismus an. Dieses sieht es beispielsweise als Aufgabe des Klimajournalismus, „eine irreversible Katastrophe“ vorauszusagen, wenn die Verantwortlichen nicht entschieden handeln, die Klimakrise zur Bedrohung für Demokratie und Grundrechte zu erklären und das Pariser Klimaabkommen von 2015 als Richtschnur zu nehmen.“ Allerdings sind sich die Beiträge zu Jakarta und auch die Verzerrung in der Aussagelogik so ähnlich, dass doch eher eine gemeinsame Quelle für Informationen und Spin wahrscheinlich ist als lediglich eine gemeinsame Ideologie.
Möglicherweise ist diese Quelle auch eine der regierungsfinanzierten Einrichtungen, die genau diese Gleichrichtung des Tenors der Wissenschaftsberichterstattung in der gewünschten Richtung bewerkstelligen soll. Ein Kandidat ist das Earth Journalism Network. Ich habe kürzlich darüber geschrieben, dass dieses Netzwerk mit sehr vielen Mitgliedern und mutmaßlich sehr hohen Fördermitteln Reste von Ausgewogenheit in der Klimaberichterstattung als großes Problem betrachtet.
Ein Top-Kandidat sind außerdem die meist regierungsfinanzierten und miteinander kooperierenden Science Media Center verschiedener Länder, darunter Deutschland. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Medien zu aktuellen Themen so schnell Material und geeignete Experten zur Verfügung zu stellen, dass die Journalisten auf dieser Basis einfach und schnell – und natürlich mit gewünschtem Tenor – ihre Artikel verfassen können.
Fazit
Ziel dieses Beitrags war es, an einem Beispiel, zu zeigen, wie Journalisten in vielen Redaktionen leicht als solchen erkennbaren Unsinn schreiben, der ins gewünschte Klimanarrativ passt, und zum anderen, welche Instrumente im Verborgenen eingesetzt werden, um solche Gleichrichtung weg vom gesunden Menschenverstand zu bewirken. Welches dieser Instrumente in diesem Fall am Werk war, muss ich offen lassen.