Was das IMD-Wettbewerbsfähigkeitsranking über die Agenda der Euro-Eliten verrät

In der Presseerklärung des Business School IMD zu ihrem unsäglichen World Competitiveness Jahrbuch sucht man den Hinweis vergebens. Versteckt in den Begleittexten im Internet erfährt man, wenn man danach sucht, dass die Definition von Wettbewerbsfähigkeit geändert wurde. Sie ist jetzt ebenso ehrlich wie entlarvend, auch was die Agenda der Euro-Politker angeht.

Nun ist es also wieder quasi-amtlich. Die Schweiz und Deutschland haben an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Da muss man wohl wieder die Löhne kürzen und die Steuern senken. Allerdings hat das, was die Lausanner Managerschmiede IMD da für 700 Franken aufwärts verkauft, der Kritik nicht standgehalten. Das kann man der ebenso gut versteckten, wie verschwurbelten Erläuterung eines Definitionswechsels entnehmen.

Die ganze Zeit, bis letztes Jahr  hieß die Definition von Wettbewerbsfähigkeit, die das IMD angeblich misst:

Die Fakten und Maßnahmen, die die Fähigkeit einer Nation gestalten, ein Umfeld zu schaffen und aufrecht zu erhalten, das mehr Wertschöpfung für ihre Unternehmen unterstützt und mehr Wohlstand für ihre Menschen.“ (Übersetzung N.H.)

Die vielen Indikatoren, die das Institut auf undurchsichtige Weise zusammengewichtet, haben jedoch überhaupt nicht den Wohlstand der Menschen gemessen. Hohe Löhne: schlecht, Staatsausgaben: schlecht; alles was Geld kostet, egal was es den Bürgern bringt, ist schlecht.

Der versteckte Erklärtext des IMD beschreibt das Problem, dass so ziemlich jeder ernst zu nehmende Wissenschaftler dieses Ranking zerreißt, folgendermaßen:

Wohlstand ist jedoch ein subjektives Konzept. Daher ist es schwierig, „Wohlstand“ in einen umfassenderen konzeptionellen Rahmen zu integrieren. Die Forschung stellt fest, dass es schwer ist, nationalen Wohlstand direkt mit der Performance der Unternehmen in Verbindung zu bringen.  Manche Wissenschaftler bemerken die Abwesenheit eines klaren Wirkungszusammenhangs zwischen den bestehenden strukturellen Komponenten des Wettbewerbsfähigkeitsrankings.“

Übersetzt heißt das in etwa: dieses willkürliche zusammengestoppelte Sammelsurium von marktradikal-ideologisch motivierten Indikatoren, taugt nichts. Es sagt das nicht aus, was es angeblich aussagen soll.

Die Folgerung des IMD war allerdings nicht etwa, seine Analyse in Richtung von etwas vernünftigem, wissenschaftlich vertretbarem weiterzuentwickeln.

Kern einer ernsthaften Analyse von Wettbewerbsfähigkeit ist es, die Entwicklung von Marktanteilen auf dem Inlandsmarkt und den verschiedenen Auslandsmärten anzuschauen, und das von der Entwicklung dieser Märkte zu separieren. Dann kann man etwa sagen, ob ein Exportzuwachs Deutschlands darauf zurückgeht, dass das Glück es so wollte, dass wichtige Absatzmärkte der deutschen Industrie stark wuchsen, oder ob daráuf, dass die deutschen Exporteure dort Marktanteile gewannen, also mehr Erfolg im Wettbewerb hatten.

So ein Vorgehen bringt aber nicht die schlagzeilenträchtigen Ranglisten, auf die es die Lausanner abgesehen haben, und nicht das „Deutschland hat vier Plätze verloren“, „Italien ist acht  Plätze vorgerückt“, das die Medien so lieben, auch wenn es noch so großer Unsinn ist.

Stattdessen haben die Macher des Rankings einfach bei im Wesentlichen unveränderten Indikatoren die Definition dessen geändert, was diese Indikatoren aussagen sollen. Jetzt ist „Wettbewerbsfähigkeit“ nur noch:

Die Fähigkeit eines Landes ein Umfeld zu begünstigen, n dem Unternehmen nachhaltigen Wert generieren können.“

Das ist die Einräumung,, dass das mit dem Wohlstand für die Bürger nicht so gemeint war und die Lausanner uns seit 1989 Blödsinn erzählt haben. So lange treiben sie mit ihrem unsäglichen Jahrbuch nämlich schon ihr Unwesen.

Es geht also nur um die Gewinne der Unternehmen. Da fangen die Indikatoren schon langsam an Sinn zu machen und konsistent zu wirken. Jetzt muss man sich nur noch fragen, ob das wirklich immer so nachhaltig positiv auf die Gewinne ausstrahlt, wenn man den Staat so schlank macht, dass er keine vernünftige Infrastruktur mehr aufrechterhalten kann und keine gutes Bildungssystem finanzieren, oder wenn er es mit der Deregulierung so weit treibt, dass kriminelle Machenschaften von Managern und die Ausplünderung der ihnen anvertrauten Unternehmen gang und gäbe werden.

Aber damit sollen sich diejenigen beschäftigen, die die alleinige Profitmaximierung der Unternehmen unter Ausschluss der Belange der Bürger zum Ziel erheben und das System der Lausanner dahingehend optimieren wollen, oder diejenigen die sich allen Ernstes überlegen, ob sie für diesen Mist 700 bis 2500 Franken, oder ungefähr ebenso viele Euro, ausgeben wollen. Mir ist das egal.

Man muss sich jetzt allerdings fragen, was wohl die Führungsspitze der Europäischen Zentralbank und die EU-Politiker meinen, wenn sie dauernd die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsstaaten als A und O betonen. Offenkundig nicht gemeint ist Wettbewerbsfähigkeit als das relative Konzept,das sie eigentlich  ist, bei dem eder eine an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt, was der andere verliert. Gemeint sein kann eigentlich nur das Lausanner Konzept: Wettbewerbsfähigkeit ist alles, was die Unternehmensgewinne sprudeln lässt.

Die Angesprochenen formulieren das selten aus, aber zum Beispiel bei der DZ-Bank kann man die menschenverachtende Philosophie dahinter nachlesen:

Seit 2007 haben die Lohnstückkosten in Deutschland mit am stärksten zugelegt. Vergleichbare Zuwächse gab es allerdings auch in Frankreich, Italien und Großbritannien. Alle diese Länder haben folglich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Dagegen sind diese Kosten in Japan und den USA, vor allem aber in Spanien gesunken. Das sieht bei der Produktivität ähnlich aus. Während Italien hier ein weiteres Mal klares Schlusslicht mit gesunkener Produktivität ist, schlägt Spanien hier alle anderen Länder, sogar die USA. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist die Produktivität um rund zehn Prozent gewachsen, nur auf der iberischen Halbinsel war das Wachstum noch etwas höher. Spanien hat, so das Urteil der DZ-Bank-Experten, durch die eingeleitete Reformpolitik und den erheblichen Stellenabbau die Wende geschafft. Deutschland dagegen büßt zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit ein. Die Folge: Deutschland dürfte mittelfristig an Wachstumsdynamik verlieren. Die Politik hierzulande habe sich zu lange auf den Reformen der Vorjahre ausgeruht.“

Mehr Stellenabbau auch hierzulande, für mehr Produktivität und mehr Gewinne, wollen also die Volkswirte des Spitzeninstituts der deutschen Genossenschaftsbanken sehen. Können sich die Genossen keine Volkswirte leisten, dienicht gar so eklatant die genossenschaftliche Philosophie verachten.

Jetzt höre ich auf, ich schreibe mich mal wieder in Rage.

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