June Sekera.* Die beiden meistverwendeten Methoden der industriell-chemischen Kohlenstoffabscheidung, die von den Steuerzahlern finanziert werden, geben mehr CO2 in die Luft ab, als sie entfernen. Bei der „Kohlenstoffabscheidung und -speicherung“ (CCS) wird CO2 aus Schornsteinen aufgefangen und meist für eine „verbesserte Erdölförderung“ verwendet, wobei es dem atmosphärischen CO2 wieder hinzugefügt wird. Die „direkte Luftabscheidung“ (DAC), die CO2 aus der Umgebungsluft abzieht, erfordert einen enormen Energieaufwand. Wenn dieser aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird, ist DAC auch ein Netto-CO2-Verursacher.
Studien zeigen, dass diese Methoden 1,4- bis 4,7-mal mehr CO2 ausstoßen, als sie entfernen. Diese Forschungsergebnisse scheinen an den US-amerikanischen, britischen und europäischen Gesetzgebern vorbeigegangen zu sein, die diese Methoden fördern, zum finanziellen Vorteil der Ölgesellschaften und anderer, die die industrielle Kohlenstoffabscheidung bewerben.
Dies ist ein Problem. Kollektiv müssen wir das atmosphärische CO2 reduzieren. Das wird durch finanzielle Anreize für Marktakteure angegangen, weil CO2 als kommerzieller Bestandteil für Anwendungen wie synthetische Kraftstoffe oder Zement angesehen wird oder weil die Unternehmen das CO2 in Gigatonnen vergraben würden, und zwar angeblich ohne schädliche Auswirkungen.
Fehlende Verwendungen für CO2
Aber die Märkte für die Nutzung von abgefangenem CO2 sind im Verhältnis zum Bedarf in einem klimabedeutenden Maßstab verschwindend gering. Und Nebenschäden im Zusammenhang mit der geologischen Speicherung von CO2 wie Erdbeben, Wasserverschmutzung und Ausbrüche sind gut dokumentiert.
Lösungen werden nicht durch Gewinnanreize entstehen. CCS kann niemals atmosphärisches CO2 reduzieren, da man nicht mehr vergraben kann, als man aus Schornsteinen abtrennt. Daher sind öffentliche Subventionen nicht gerechtfertigt. Die DAC kann eine Netto-CO2-Reduzierung erreichen, wenn CO2 abgeschieden und eingelagert und nicht verkauft wird.
Unbeirrt von den zugrundeliegenden falschen Prämissen wird das Mantra Net-Zero (Netto-Null) verkündet und beworben. Der Inhalt ist sehr undurchsichtig. Dahinter steckt die Prämisse, dass wir weiterhin die verbleibenden Reserven an fossilen Brennstoffen verbrauchen und CO2-Mengen ausspucken können, weil wir den Dreck danach durch industrielle Prozesse der „Kohlendioxid-Entfernung“ wieder beseitigen können.
Auf diese Weise können wir angeblich den gesamten von uns ausgestoßenen Kohlenstoff aufsaugen und sicher speichern. Netto-Null klingt gut und verkauft sich gut. Wie jedoch in einem Bericht für die britische Regierung im vergangenen Jahr betont wurde, ist „Netto“ ein Fluchtwort. Es erlaubt uns, die Dringlichkeit und Notwendigkeit zu ignorieren, uns auf „Absolut-Null“ festzulegen. Absolut-Null bedeutet schlicht und einfach null Emissionen.
Durch das Mantra „Netto-Null“ verleitet, fallen Politiker und private Investoren der Behauptung zum Opfer, dass Technologien zur Kohlenstoffabscheidung uns den Übergang in eine ferne Zukunft mit null Emissionen erleichtern können. Auch die Öffentlichkeit wird vom genial beruhigenden Klang von der Netto-Null eingelullt.
Spiel mit dem Feuer
In der Eile, uns der Netto-Null und der damit einhergehenden Kohlenstoffabscheidung zuzuwenden, spielen wir mit dem Feuer. In Zeiten der von Jahr zu Jahr schlimmer werdenden Waldbrände in weiten Teilen der Welt ist das nicht mehr nur eine Redensart.
Wenn die Kohlenstoffabscheidung unabdingbar ist (was an sich schon fragwürdig ist) und öffentlich bezahlt werden muss, brauchen die Entscheidungsträger ein Instrument, um Methoden hinsichtlich Ressourceneinsatz und der biophysikalischen Ergebnisse vergleichen können. Ich beschreibe ein solches Instrument im Aufsatz „Assessing Carbon Capture“ in der Zeitschrift „Biophysical Economics and Sustainability“.
Außerdem muss die Kohlenstoffreduzierung als eine öffentliche Dienstleistung wie Abfallbeseitigung behandelt werden und nicht als Chance für privaten Profit.
Technologie und Fachwissen sollten im öffentlichen Bereich angesiedelt sein, die Auftragsvergabe sollte bei öffentlichen Bediensteten liegen, die gesellschaftlichen Bedürfnissen verpflichtet sind. Nur dann könnte die Kohlenstoffbeseitigung den biophysikalischen Ertrag bieten, den die Menschheit benötigt.
*June Sekera ist Gastwissenschaftlerin an der New School for Social Research und Senior Research Fellow am University College London.
Aktueller Beitrag von June Sekera und Andreas Lichtenberger: „The Carbon Capture Conundrum: Public Need vs Private Gain“