Den Schweizer Großbanken geht es nicht gut. Sie leiden, wie andere auch unter den Niedrigzinsen, zu denen die Schweizerische Nationalbank gezwungen ist, um eine Aufwertung des Franken gegenüber der Niedrigzinswährung Euro zu verhindern. Das muss man mitdenken, wenn man sich mit dem Plädoyer von UBS-Verwaltungsratspräsident Axel Weber
für höhere Leitzinsen auseinandersetzt, das dieser am 15. August im Handelsblatt abgab. Weber war früher Bundesbankpräsident. Notenbanker umgeben sich gern mit der Aura der allein am Gemeinwohl orientierten Expertokraten. Aber wenn man zum Beispiel in die Mitgliederliste der Group of 30 schaut, eine globale Lobbyorganisation der internationalen Großbanken, dann können einem schon gewisse Zweifel kommen. Eine Mehrheit der Mitglieder sind aktive Zentralbanker, die vorher in der privaten Finanzbranche aktiv waren, oder ehemalige Zentralbanker, die heute sehr viel Geld in der privaten Finanzbranche verdienen. So wie Weber. Der hat seinen Job bei der Bundesbank an den Nagel gehängt, um bei einer Großbank ein Vielfaches zu verdienen. Gerade bei ihm ist daher die Vermutung erlaubt, dass finanzielles Interesse bei seinen öffentlichen Äußerungen zumindest mitschwingt.
Worin liegt das Interesse einer Schweizer Großbank, die zu den ganz großen Adressen im Vermögensverwaltungsgeschäft gehört und das Investmentbanking deutlich zurückgestutzt hat? Ein höheres Zinsniveau weltweit hilft erheblich bei der schwierigen Aufgabe den überwiegend sehr vermögenden Kunden eine attraktive Rendite zu erwirtschaften. Das gleiche gilt für die Anlage eigener Gelder. Axel Weber verlangt, dass die Europäische Zentralbank eine Unterschreitung ihres Inflationsziels in Kauf nimmt, um mit höheren Leitzinsen Blasen an den Finanzmärkten entgegenzuwirken. Zu niedrige Inflation ist eine höfliche Umschreibung von wirtschaftlicher Rezession, denn das ist es, was die Inflation drücken würde. Der UBS kann das ziemlich egal sein. Wenn das Zinsniveau höher ist, legt sie in Anleihen an oder irgendwo auf der Welt, wo keine Rezession ist.
Aktien in den Beständen der UBS-Vermögensverwaltungskunden würden leiden. Das wäre in Kauf zu nehmen. Wenn man die Wende frühzeitig mitbekommt, was Axel Weber bei seinem Netzwerk hoffen kann, kann man sich allerdings durch Gegengeschäfte in gewissem Maße vor Verlusten schützen. Und selbst wenn nicht. Allgemeine Kursverluste sind normalerweise kein Grund für einen Kunden, den Vermögensverwalter zu wechseln. Aber wenn die Anleiherenditen höher sind und bei Aktien durch Entlüftung der Blase wieder mehr Potential nach oben sichtbar wird, sollte es leichter werden, Kunden zur Anlage neuer Gelder und Neukunden zu gewinnen.
Was bei höherem Zinsniveau schlechter läuft ist das Investmentbanking in Form von Beratung und Finanzierung von Unternehmensübernahmen oder die Verpackung und Umverpackung von Forderungen irgendwelcher Art in neuartige Finanzprodukte. Aber diesen Bereich hat Weber für die UBS deutlich heruntergestuft.
Alles in allem also kein Zufall, dass gerade Axel Weber so radikal argumentiert. Es ist auch kein Wunder, dass er sich so entschieden gegen „finanzielle Repression“ ausspricht, denn das ist der Horror für seine vermögende Kundschaft. Sie besteht grob gesprochen darin, dass das Zinsniveau niedrig gehalten wird und die Banken irgendwie dazu gebracht werden, zu diesen niedrigen Zinsen trotzdem noch Anleihen zu kaufen.
Zur inhaltlichen Würdigung der Weberschen Argumente aus gesamtgesellschaftlicher Sicht will ich mich in Kürze in Teil 2 dieses Beitrags äußern.