8. 11. 2017 | Dem Fahrdienstvermittler Uber wird von Kritikern vorgeworfen, er unterlaufe Arbeitsmarktregulierungen und leiste einer Prekarisierung der Arbeitswelt Vorschub. Die Fahrpreise, die bei Nachfragespitzen deutlich steigen können, werden gelegentlich als Wucher gebrandmarkt. Uber tritt solchen Anwürfen nicht nur mit hochkarätigen Lobbyisten entgegen, sondern auch mit Hilfe von Ökonomen aus der allerersten Reihe, denen das Unternehmen interessante Daten oder lukrative Forschungsaufträge gibt – und denen es oft Uber-Ökonomen als Koautoren an die Seite stellt. Selbst angesehene Fachzeitschriften veröffentlichen die resultierenden Lobby-Papiere als wäre es Wissenschaft.
Ein aktueller Aufsatz des renommierten MIT-Professors Joshua Angrist mit Sydnee Caldwell und Uber-Research-Leiter Jonathan V. Hall kommt zu dem wohlgefälligen Ergebnis: Fahrer profitieren sehr davon, dass es Uber gibt. Auch Princeton-Ökonom Alan B. Krueger, ehemaliger Vorsitzender des ökonomischen Beraterstabs des US-Präsidenten, schrieb im Auftrag von Uber zusammen mit Uber-Mann Hall einen Aufsatz zum „Arbeitsmarkt für Uber-Fahrerpartner“, der das Unternehmen als sehr guten Arbeitgeber erscheinen lässt.
Darauf, dass Uber nach Ende des Untersuchungszeitraums in vielen Märkten die Vergütungen für Fahrer kürzte, weisen sie nicht hin. Dazu lägen ihm keine Daten vor, so Krueger. Seine regelmäßige Verdienstauswertung für New Yorker Fahrer konnte Uber auf Anfrage nur bis 2015 bieten. Er gehe davon aus, dass die Fahrer wegen solcher Kürzungen nicht weniger verdienen würden, so Krüger.
Tatsächlich gibt es auch dazu eine Studie. Im Januar stellten zwei Wissenschaftler der Eliteunis Stanford und Yale diese auf der Tagung der American Economic Association vor, unter Weglassung eines dritten Autoren, „um die Anonymität des Fahrdienstvermittlers, der die Daten bereitgestellt hat, zu schützen“. Ergebnis: Wenn ein Fahrdienstvermittler die Preise kürzt, gleicht sich der Einnahmeverlust schnell wieder durch höhere Auslastung der Fahrer aus. Die Demonstrationen der Uber-Fahrer gegen solche Kürzungen sind demnach unvernünftig. Inzwischen ist die Studie mit allen Namen im Internet veröffentlicht. Der dritte Autor ist Uber-Ökonom Daniel Knoepfle.
Daten von interessierter Seite
Krueger verfasste mit seinem Princeton-Kollegen Judd Cramer noch einen zweiten Beitrag zu Uber und brachte ihn in der Ausgabe Mai 2016 der „American Economic Review“ unter. Hauptinformation: Uber-„Fahrerpartner“ haben eine deutlich höhere Auslastungsrate als normale Taxifahrer. Die Daten über Uber-Fahrer suchte das Uber-Team zusammen, was man als problematisch ansehen könnte. Uber hat ein starkes Interesse an dem Ergebnis, welches besagt, dass die Taxi-Kontrahenten durch höhere Effizienz und nicht etwa durch Dumpingpreise aus dem Feld geschlagen werden – was man aufgrund der jährlichen Milliardenverluste auch mutmaßen könnte.
In einem Literaturüberblick zur Uber-Forschung für das Buch „More Equal by Design“ kommen Robert Hahn und Robert Metcalfe von den Universitäten Oxford und Chicago zu dem Ergebnis, Uber entfalte „wohl insgesamt positive Wirkungen“. Ein Beleg dafür ist die ausführlich dargestellte Studie „Cohen et al (2016)“: Laut dieser erzielten die Nutzer durch Uber eine riesige „Konsumentenrente“, die verloren ginge, wenn derartige Dienste regulatorisch unterbunden würden. Dass Cohen für Uber arbeitet, wird in einer Fußnote immerhin mitgeteilt, nicht aber, dass Hahn und Metcalfe selbst zu den Autoren gehören, zusammen mit Uber-Volkswirt Hall und dem Autor des Megasellers „Freakonomics“, Steven Levitt. Hahn ließ wissen, er werde sich bei der Bearbeitung der Druckfahnen für sein Buchkapitel um die Offenlegungsaspekte kümmern, auf die ihn die Handelsblatt-Anfrage aufmerksam gemacht habe.
Auch Deutschland lässt Uber nicht aus. So verfasste der frühere Chef der Monopolkommission, Justus Haucap, mit Koautoren im Uber-Auftrag eine Studie zu Mobilitätsmärkten, die 2015 unter anderem in der von Haucap herausgegebenen Fachzeitschrift „List Forum“ veröffentlicht wurde. Im „Wirtschaftsdienst“ 2.2015 erschien ein positiver Beitrag von Haucap zu Uber und anderen Unternehmen der „Sharing-Economy“. Einen Hinweis auf die parallele Auftragsarbeit für Uber sucht man dort vergebens. Auf Anfrage erklärte Haucap, die Offenlegung sei versehentlich unterblieben.
Einen wissenschaftlichen Beitrag mit Uber-Beteiligung, der nicht zu einem Ergebnis kommt, mit dem sich Uber gegen öffentliche Kritik an seinem Geschäftsmodell und seinen Geschäftspraktiken verteidigen kann, konnten weder der Verfasser dieses Beitrags noch ein Uber-Sprecher finden.
Zeitschriften ohne Berührungsangst
Dass ein mit vielen Milliarden an Investorengeld gesegneter Konzern mit Auftragsstudien PR macht, ist nicht ungewöhnlich. Anders als die meisten derartigen Auftragsstudien werden die von Uber beauftragten Studien aber über renommierte wissenschaftliche Publikationskanäle verbreitet – wozu die prominenten und gut vernetzten Auftragnehmer und Autoren sicher beitragen. So könnten aus Texten an der Grenze zur Unternehmens-PR scheinbar objektive wissenschaftliche Erkenntnisse werden. Immerhin erscheinen sie in der renommierten Reihe „NBER Working Papers“, renommierten Zeitschriften wie „Industrial & Labor Relations Review“ (ILR) oder in der „American Economic Review“. Selbst wenn die Ergebnisse wissenschaftlich sauber sind, was durchaus nicht immer unumstritten ist, so hat Uber es in der Hand, zu entscheiden, wem es die exklusiven Daten für welchen Zweck gibt.
Chicago-Ökonom Levitt sagte in einem Podcast: „Ich liebe Uber“ und schwärmte, dass Uber aus Sicht von Ökonomen einen idealen Markt geschaffen habe. Dass Uber von ihm keine allzu kritische Interpretation exklusiver Daten befürchten musste, war klar. Trotzdem habe sich das Unternehmen ein Jahr gesträubt, ihm die Daten zur Verfügung zu stellen, berichtet Levitt. Denn er habe Uber ein Vetorecht gegen die Veröffentlichung der Ergebnisse verweigert. „In diesem Fall war alles völlig koscher“, schließt Levitt daraus. Das ist jedoch eine Frage des Standpunkts. Bedenklich kann bei dieser Vorgeschichte stimmen, dass letztlich zwei Uber-Ökonomen als Koautoren firmierten und ein Jahr lang Zeit hatten, zu checken, ob die Daten das richtige Ergebnis lieferten.
Der Chef des National Bureau of Economic Research (NBER), James Poterba, räumt ein, es werde kompliziert, wenn Unternehmen für Studien bezahlen oder den Zugang zu den Daten kontrollieren. Das NBER achte darauf, dass Interessenkonflikte offengelegt werden, und verlasse sich auf die Integrität der assoziierten Forscher. Alan Krueger scheint kein großes Problem darin zu sehen, dass Uber die Wissenschaft für PR-Zwecke einspannen könnte, wenn es die Daten zusammenstellt und bereitstellt und Uber-Angestellte an der Auswertung beteiligt sind. Auf eine E-Mail mit kritischen Fragen in dieser Richtung antwortete er einleitend: „Viele wichtige Studien von Joshua Angrist und Clark-Preisträger Steven Levitt, John List und anderen Wissenschaftlern wären ohne Ubers Beteiligung nicht möglich. Andere Unternehmen sollten Uber’s Beispiel folgen und Wissenschaftlern Daten bereitstellen.“ John List ist neuerdings Chefökonom von Uber.
Krueger, der seine finanzielle Beziehung zu Uber immer korrekt offenlegte, betont, er habe vertraglich die volle Kontrolle darüber behalten, was er schreibt. Vom Koautor und Uber-Angestellten Hall gibt es allerdings kein solches Statement. Krueger erklärt dazu, er hätte Hall jederzeit als Koautor streichen können, wenn er sich über einen Textbestandteil mit diesem nicht einig geworden wäre. Ob das Streichen des Koautors eines wissenschaftlichen Textes mit den Ethikregeln der Zunft vereinbar ist, ist fraglich. Von Lawrence Kahn, dem Herausgeber der ILR-Review, in der der Text von Hall und Krueger erschienen ist, war als Stellungnahme zu solchen Fragen nur die Einladung zu erhalten, man möge doch einen Kommentar schreiben, der dann von Gutachtern auf Veröffentlichung geprüft würde.
Änderungshinweis (1.1.2018): In Absatz drei habe ich das Wort „belastbare“ vor „Daten“ gestrichen, da Professor Krueger dieses Wort in seiner Antwort nicht verwendet hat. Im vorletzten Absatz habe ich folgende Passage geändert: „Alan Krueger sieht kein Problem darin, dass Uber mit der Auswahl, wem es welche Daten gibt, die Wissenschaft für PR-Zwecke einspannen könnte: ‚Viele wichtige Studien von Joshua Angrist und Clark-Preisträger Steven Levitt, John List und anderen Wissenschaftlern wären ohne Ubers Beteiligung nicht möglich.‘ Andere Unternehmen sollten sich ein Beispiel nehmen. John List ist neuerdings Chefökonom von Uber.“ Die Änderung soll klar machen, dass Professor Krueger nicht auf einen konkrete Frage bezüglich möglicher selektiver Datenvereitstellung durch Uber antwortete, als er Uber als gutes Beispiel bezeichnete.
[8.11.2017]