Am morgigen Mittwoch versucht der Chef von Sigmar Gabriels Kommission zur Infrastrukturfinanzierung, Marcel Fratzscher, in einer Telefonkonferenz so viel von den Vorstellungen der Finanz- und Industrielobbyisten gegen den Widerstand der Gewerkschaften in den Abschlussbericht zu retten, wie möglich. In der Neuen Züricher Zeitung springt nun Immo Querner, Vorstand des großen Versicherers Talanx, in einem Gastkommentar den in
die Defensive geratenen Lobbyisten bei.
Er spart dabei nicht mit Falschdarstellungen. Trotzdem lohnt es sich, auf sein Werk einzugehen, weil es so beeindruckend ist, wie wenig Überzeugendes er den Hauptvorwürfen und Gegenargumenten gegen die Einbeziehung privater Finanzinverstoren in die Infrastrukturbereitstellung entgegenzusetzen hat.
„Die einen warnen vor dem Ausverkauf der öffentlichen Infrastruktur. Die anderen sprechen von einem Rettungsprogramm für die von der Niedrigzinsphase betroffenen Versicherer“,
bringt er die Vorwürfe auf den Punkt.
„Warum investiert Deutschland nicht durch neue Schulden in Infrastruktur? Nie zuvor hat sich die Bundesrepublik so günstig am Kapitalmarkt finanziert“,
liefert er auch das wichtigste Gegenargument und antwortet:
„weil ein niedriges Zinsumfeld nicht in Stein gemeisselt ist. Niemand kann sagen, wann die Zinsen wieder steigen werden. Eine Gewissheit, dass sie für immer niedrig bleiben werden, gibt es nicht. Wurde dann nicht langfristig finanziert, steigt die Zinslast drastisch an.“
Herr Querner, Sie täuschen – ich unterstelle wissentlich – die Öffentlichkeit! Wer würde, wenn dreißigjährige Bundesanleihen zu 0,6 Prozent rentieren, eine Infrastrukturinvestition kurzfristig finanzieren?!
Und dann kommt natürlich das Argument mit der Schuldenbremse, als ob eine Umgehung der Schuldenbremse, welche künftige Generationen schließlich viel mehr kostet als normale Investitionsfinanzierung über (offene) Staatsschulden oder Steuern, in irgendeiner Weise der vorgeblichen Intention der Schuldenbremse entspräche – künftige Generationen vor Belastungen durch die heutige zu schützen.
„Es ist kein Geheimnis, dass gerade die deutschen Lebensversicherer derzeit nach renditestarken, aber risikoseitig vertretbaren Investmentmöglichkeiten suchen“,
gibt Querner zu. Aber letztlich seien das für die großen Versicherer nur Peanuts, gibt er vor:
„Nehmen wir an, wir bei Talanx wollen fünf Prozent unserer Kapitalanlage in Infrastruktur investieren, also rund fünf Milliarden Euro. Nicht jedes Infrastrukturprojekt passt zu uns als langfristigem Investor. Die Auswahlkriterien sind strikt: Die Erfahrung lehrt uns, dass wir nur bei jedem fünften Projekt zum Zuge kommen. Bei einem Durchschnittsinvestment von 50 Millionen Euro pro Projekt müssen wir rund 500 Angebote durchleuchten. Hier zeigt sich: Bei den Überlegungen der Bundesregierung zur Lockerung von Infrastrukturprojekten von einem Rettungsprogramm für Versicherer zu reden, ist stark übertrieben.“
Auch das ist irreführend. Schließlich beschäftigt sich ja die Fratzscher-Kommission nicht von ungefähr damit, Infrastrukturgesellschaften und öffentliche Fonds einzurichten, die den Versicherern die Arbeit der Projektauswahl und -bewertung abnehmen. Diese sollen die Möglichkeit bekommen, weitgehend aufwandsfrei ihr Geld in einen Pool zu geben und dafür eine de fakto garantierte Rendite zu bekommen, die weit über der von Bundesanleihen liegt. Das unterschlägt er.
Auch daran, die Regulierungen, die er als Grund für das voraussichtlich geringe Engagement der Versicherer in der Infrastrukturfinanzierung anführt, versuchen die Versicherungslobbyisten mit Macht zu kippen.
Dass die Investoren nicht ganz so in einer dienenden Rolle sehen, wie sie das immer darstellen, verrät der Schlussabsatz des Kommentars, der deutlich macht, dass sie normale staatliche Finanzierung von Infrastruktur schon als eine Art Diebstahl ihrer rechtmäßigen Gewinnchancen betrachtet:
„Daneben sollten staatliche Kapitalsammelstellen nicht über ein «crowding-out»-artiges Investitionsverhalten dazu beitragen, dass für den freien Kapitalmarkt geeignete Investitionen letztlich doch wieder «verstaatlicht» werden, indem der Staat oder eine EU-Institution sie letztlich den Privatinvestoren wegkauft.“