Schwedische Notenbank arbeitet an digitalem Nachfolger des Bargelds

Die Schwedische Reichsbank hatte keinen geringen Anteil daran, das Bargeld in Schweden zurückzudrängen. Doch jetzt wechselt die Notenbank die Seiten und drängt, dass die Regierung die Banken zwingt, den Bargeldkreislauf sicherzustellen. Und für die Zeit nach dem Bargeld arbeitet sie an ausfallsicherem digitalen Geld, das die Privatsphäre wahrt.

Allein schon die Liste der Veranstalter von Konferenzen, auf denen Michael Bordo und Andrew Levin ihr Arbeitspapier „Central Bank Digital Currency and the Future of Monetary Policy“ schon vorgetragen haben, zeigt, wie heiß ihr Thema ist. Die beiden US-Ökonomen diskutieren, was dafür und was dagegen spricht, dass Zentralbanken eine digitale, staatlich garantierte Währung herausgeben – einen E-Euro oder einen E-Dollar also. Die Bank von Canada, die Banque de France, die norwegische und die schwedische Zentralbank sowie die Schweizerische Nationalbank luden die beiden ein.

Schwedische Notenbank wechselt die Seiten

Nur noch ein Siebtel der Schweden haben ihre Einkäufe 2016 bar bezahlt. Deswegen hat die schwedische Reichsbank gerade einen ersten Zwischenbericht zu einer theoretischen E-Krone vorgelegt. Die Zentralbank macht sich Sorgen, wie sie ohne Bargeld ihren Auftrag erfüllen kann, einen effizienten und sicheren Zahlungsverkehr zu gewährleisten. Denn wenn Bargeld als Alternative nicht mehr zur Verfügung steht, warnt sie, könnte die Marktmacht der Banken und Zahlungsverkehrsanbieter gegenüber den Konsumenten zu groß werden. Außerdem gäbe es keine Rückfalloption mehr, wenn die technischen Systeme des elektronischen Zahlungsverkehrs ausfielen. Deshalb drängt sie für die nähere Zukunft die Regierung, den Banken gesetzlich vorzuschreiben, dass sie einen funktionierenden Bargeldkreislauf zu gewährleisten haben. Die meisten Bankfilialen geben nämlich kein Bargeld mehr aus und – noch wichtiger – nehmen keines mehr an. Das macht vor allem kleinen Unternehmen und Selbständigen in entlegenen nördlichen Regionen große Schwierigkeiten. Sie müssen sehr weit fahren, um Bareinnahmen auf ihr Konto einzuzahlen. Auch funktioniert der bargeldlose Zahlungsverkehr in diesen Regionen bei weitem nicht so gut wie in Südschweden.

Für die dennoch in Schweden bereits absehbare Zeit nach dem Bargeld arbeitet die Notenbank an einem Nachfolger, der die guten Eigenschaften von Bargeld in die digitale Zukunft transferiert, an einer E-Krone. Noch ist nichts entschieden, aber die Zentralbank hat einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem sie ausführt, wie die E-Krone aussehen soll, wenn sie kommen sollte.

Elektronisches Zentralbankgeld hat mit dem Bargeld gemeinsam, dass die Zentralbank dieses Geld garantiert. Im Unterschied dazu wird das elektronische Bankengeld, auch Buchgeld genannt, von Banken herausgegeben und garantiert. Es hat die Form von Bankguthaben und macht den Löwenanteil des umlaufenden Geldes aus. Geht eine Bank Pleite, kann das Geld weg sein.

Zwei Varianten von E-Geld

Die E-Krone soll es gegebenenfalls in zwei Erscheinungsformen geben: Die eine ist näher am Bankengeld, die andere näher am Bargeld. Die Reichsbank bezeichnet die eine Möglichkeit als „Buchgeld-System“, die andere als das „wertbasierte System“.

Die E-Krone als Buchgeld hätte die Form eines Bankguthabens, nur eben mit der Zentralbank als Schuldner. In der weniger weitgehenden Variante würden die Geschäftsbanken die Guthaben im Auftrag der Zentralbank verwalten. Diese wären nicht Teil der Bankbilanz, sondern eine Art Treuhandvermögen. In der weiter gehenden Variante würde die Zentralbank selbst die Konten führen. Dann hätten alle Bürger und Unternehmen Zugang zu Zentralbankkonten.

Die wertbasierte, bargeldnahe Alternative sähe dagegen vor, dass das E-Geld im Besitz und unter Kontrolle der Eigentümer bleibt. Mit Zentralbankgeld aufgeladene Bezahlkarten und elektronische Geldbörsen, sogenannte Wallets, würden es allen ermöglichen, die über Lesegeräte beziehungsweise die nötigen Apps verfügen, mit E-Guthaben zu bezahlen. Wie Bares würde das Geld den Besitzer wechseln, ohne dass notwendigerweise ein zentraler Buchführer eingeschaltet wäre.

Kein Verzicht auf Bargeldvorteile nötig

Die Buchgeldvariante mit von Banken treuhänderisch verwalteten Zentralbankgeldkonten würde nur die Bargeldfunktion eines gegen Bankenkonkurse geschützten Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittels in die digitale Welt überführen.

Eine Sicherung für technische Störungen des Zahlungsverkehrs würde zusätzlich eingezogen, wenn die Zentralbank die Kontoführung selbst übernimmt. Dann gäbe es neben dem auf Banken-Buchgeld aufbauenden Zahlungsverkehrssystem ein zweites, das im Falle von Systemausfällen zur Verfügung stünde. Die Reichsbank weist darauf hin, dass man von privaten Zahlungsverkehrsanbietern nicht erwarten könne, dass sie Systemrisiken und deren mögliche Folgen für die gesamte Wirtschaft umfassend mit in ihr Kalkül nehmen. Eine staatliche Stelle werde eher kostspielige Vorrichtungen vorhalten, um zum Beispiel bei Internetausfall den Zahlungsverkehr zu gewährleisten.

Am leichtesten umsetzbar und gleichzeitig am ähnlichsten den Bargeldfunktionen ist nach Einschätzung der schwedischen Notenbank die wertbasierte Variante. Als zusätzlichen Vorteil des Bargelds könnte hierbei die Möglichkeit des anonymen Bezahlens ohne Einschaltung von und Kontrolle durch Dritte umgesetzt werden. Diese Möglichkeit sollte es nach Ansicht der Reichsbank nur für kleinere Beträge geben. Damit sähe sie die Belange der Geldwäschebekämpfung und das Bedürfnis der Menschen nach überwachungsfreien Zonen zum Ausgleich gebracht. Die Buchgeldlösung und die wertbasierte Lösung sollten parallel angeboten werden, empfiehlt der Zwischenbericht. Im Gegensatz zu diesem Vorschlag hat die Bank von England deutlich gemacht, dass für sie die Ausgabe eines anonymen digitalen Zahlungsmittels nicht infrage kommt.

Auffällig ist, dass nur Notenbanken außerhalb des Euro-Raums, darunter auch die Bank von England, die Ausgabe von digitalem Zentralbankgeld ernsthaft zu erwägen scheinen. Für die niederländische Zentralbank hat sich vor kurzem Divisionsdirektorin Petra Hielkema im Magazin „Central Banking“ von der Idee verabschiedet, den Bürgern ein digitales Zentralbankgeld zur Verfügung zu stellen.

Bundesbank fürchtet Nachteile für Banken

 

Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat sich dagegen positioniert, weil er die Finanzstabilität beeinträchtigt sieht. Ein Guthaben bei der Zentralbank sei sicherer als ein gewöhnliches Bankguthaben, sagte er im Juni auf einem Bundesbank-Symposium. Er warnte:

„Was den Sparer freut, ist eine Plage für die Banken, weil es möglicherweise einen Bankrun begünstigt.“ 

Seine Sorge: In guten Zeiten lassen die Leute ihr Geld auf der Bank, wenn sie von dieser mehr Zinsen bekommen. In Krisenzeiten ziehen sie es massenhaft ab, um es auf einem Konto bei der Zentralbank in Sicherheit zu bringen.

Dieses Problem sieht auch die Schwedische Reichsbank, hält es allerdings für nicht gravierend. „Wenn die Notenbank zu dem Schluss kommt, dass die Finanzstabilität gefährdet ist, hat sie es in der Hand, die ausreichende Versorgung der Banken mit Zentralbankgeld im Rahmen von Notkrediten sicherzustellen“, schreiben die Zentralbanker. Ein anderes Problem für die Banken räumen sie aber ein. Wenn es eine Konkurrenz für das Banken-Buchgeld in Form von sicherem Zentralbankgeld gäbe, müssten sie ihren Geldschöpfungsgewinn stärker mit den Kunden teilen. Sie müssten für Einlagen höhere Zinsen bieten.

Mein Resümee

Man sieht. Es gibt Visionen einer bargeldlosen Zukunft, vor denen man sich nicht fürchten muss. Aber starke Kräfte und Interessen, die dagegen stehen, machen es unwahrscheinlich, dass sie in dieser Form wahr werden. Es sei denn, es gibt starken politischen Druck. Deshalb lohnt es sich, für den Erhalt des Bargelds einzutreten, so lange, bis uns eine gleichwertige digitale Alternative bereitgestellt wird.  

[28.11.2017] 

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