Mögliche bürgerfreundliche Reformprojekte neugewählter Landesregierungen

 2. 09. 2024 | In Sachsen und Thüringen wurde ein neuer Landtag gewählt. Die Regierungsbildung wird sehr schwierig. Doch es gibt eine ganze Reihe von bürgerfreundlichen Reformprojekten, die der Programmatik der meisten möglichen Koalitionäre nicht zuwiderlaufen, wenn auch vielleicht deren tatsächlich betriebenener Politik in Bund und Land. Die Vorschläge konzentrieren sich auf Handlungsmöglichkeiten, die weniger von regionalen Besonderheiten geprägt sind und Vorbildcharakter für andere Bundesländer und den Bund entfalten können.

Inhaltsverzeichnis

 

Digital- und Smartphonezwang

Zahlungsverkehr

Noch ist Euro-Bargeld in Deutschland und dem Euro-Raum das einzige gesetzliche Zahlungsmittel. Jedoch nehmen selbst viele staatliche Stellen vom Finanzamt über Straßenverkehrsämter bis zu Bürgerämtern Bargeld nicht mehr an oder verhängen Strafzuschläge für Barzahler. Alle Parteien im Bundestag behaupten, dem Bargeld nichts Böses zu wollen, aber gleichzeitig lässt sich der Bundestag von der IT-Branche auf eine „Welt ohne Bargeld“ einstimmen und einschwören. Barzahler und Geschäfte, die Bargeld annehmen, werden immer mehr als Verdachtsfälle für Geldwäsche und Steuerhinterziehung behandelt. Durch gesetzliche Vorschriften und durch Vorgaben internationaler Standardsetzer wird es für Banken und Geschäftstreibende immer schwerer und teurer gemacht, mit Bargeld umzugehen. Durch all das droht der Weg in eine weitgehend und schließlich ganz bargeldlose Zukunft, wie sie in Ländern wie Schweden schon in weiten Teilen verwirklicht ist. Nicht mehr bar bezahlen zu können bedeutet, dass das Bankkonto zu einem detaillierten Logbuch des eigenen Lebens wird. Wer darin Einblick bekommt, kann noch Jahrzehnte später sehen, wo man an welchem Tag war, und was man mit wem zusammen gemacht hat.

Eine Landesregierung oder Landtagsmehrheit, die dem auf ihrem Gebiet Einhalt gebieten und ein Zeichen für andere Bundesländer setzen möchte, kann eine Verwaltungsanordnung oder ein Gesetz erlassen, das allen Behörden und allen Unternehmen, die Leistungen zur Daseinsvorsorge in Landesauftrag erbringen, vorschreibt, Bargeld diskriminierungsfrei anzunehmen. Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs in meinem Verfahren um Barzahlung des Rundfunkbeitrags wäre das eine zulässige Regelung zur Organisation der eigenen Verwaltung und kein Eingriff in Kompetenzen der europäischen Union. Die Richter sprechen in dem Urteil zwar nur von den Mitgliedsstaaten, aber gemeint sein können damit nach meinem Verständnis nur die für die Organisation der betreffenden Verwaltungen jeweils zuständigen Gebietskörperschaften.

Siehe auch Sparkassengesetz

Regionalverkehr

Im Verkehrssektor nutzt der Minister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP), seine Macht, um vor allem über das von ihm kontrollierte Staatsunternehmen Deutsche Bahn Menschen zu zwingen, sich ein Smartphone anzuschaffen, zu nutzen und sich die Datenkrakenapp DB Navigator herunterzuladen. Semestertickets und das Deutschland-Ticket gibt es oft nur noch für das Smartphone. Außerdem macht die Bahn es den Bürgern immer schwerer und teurer, Bahn zu fahren, ohne jedes Mal eine digitale Datenspur hinter sich herzuziehen, die letztlich ein Bewegungsprofil entstehen lässt.

Für den Regionalverkehr sind die Länder zuständig. Eine Parlamentsmehrheit sollte daher ein Gesetz erlassen können, das es den Anbietern von öffentlichen Verkehrsleistungen im Land auferlegt, den Menschen die Möglichkeit zu geben, anonym im Regionalverkehr Bahn, Bus und Straßenbahn zu fahren. Das lässt sich derzeit durch Verwendung von Bargeld oder einer leicht und ausreichend verfügbaren, aufladbaren Bezahlkarte erreichen.

Parken nur mit App

Immer mehr Parkplatz- und Parkhausbetreiber machen Barzahlung der Parkgebühren unmöglich und verlangen, dass Nutzer sich für jeden Anbieter eine separate App auf Ihr Smartphone laden, ohne die sie nicht mehr parken können. Ein aktueller Bericht der britischen Times beschreibt (auf Englisch) welche Kosten, Nachteile und Unbequemlichkeiten für Autofahrer es mit sich bringt, wenn sie – wie in Großbritannien – fast nur noch digital für das Parken bezahlen können.

Hier liegt die Zuständigkeit bei den Kommunen. Die Kommunalaufsicht liegt beim Land. Die Landesregierung hat daher die Möglichkeit (und die Pflicht) dafür zu sorgen, dass die Kommunen die Rechte der Bürger nicht verletzen. Zu diesen Rechten gehört laut Europäischem Gerichtshof und Bundesverwaltungsgericht in meinem Verfahren gegen den Hessischen Rundfunk auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags das Recht auf finanzielle Inklusion. Genereller Ausschluss von Barzahlung für wichtige Leistungen ist nicht zulässig, da er es Menschen ohne Konto unmöglich macht, die Leistungen zu nutzen. Auch ein Zwang zum Kauf und zur Nutzung eines Smartphones, um öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen zu können, dürfte klar eine Rechtsverletzung darstellen. Zu prüfen wäre, ob eine von der Regierung unabhängige Landtagsmehrheit, dies gesetzlich sicherstellen oder befördern kann.

Zugang zu Behörden

Immer mehr Behörden schotten sich durch Digitalzwang gegen die Bürger ab. Termine gibt es nur noch online, was für Menschen ohne Computer und ohne Internet eine hohe Hürde darstellt. Auch Verwaltungsleistungen gibt es vermehrt nur noch gegen Online-Antrag.

Auch hier ist die Landesregierung als Kommunalaufsicht gefragt sicherzustellen, dass kommunale Behörden auch für Menschen ohne Internetverbindung ohne fremde Hilfe zugänglich bleiben und sie Verwaltungsleistungen in Person oder brieflich beantragen können. Zu prüfen wäre, ob eine von der Regierung unabhängige Landtagsmehrheit, dies gesetzlich sicherstellen oder befördern kann.

Corona-Aufarbeitung

Amnestiegesetz

Dass viele der Grundrechtseinschränkungen aus der Corona-Zeit unnötig, überzogen oder sinnlos waren, ist inzwischen Konsens. Das betrifft insbesondere die Schulschließungen, anlasslose, häufige Testung von Schulkindern und die Maskenpflicht für Schulkinder und Erwachsene, Impfpflicht und Impfdruck auf Erwachsene und sogar Kinder, sowie die Isolierung der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, die dazu führte, dass Tausende alte Menschen allein und einsam sterben mussten. Trotzdem wurden und werden bis heute Menschen zum Teil drakonisch abgeurteilt, weil sie ungerechtfertigte oder zweifelhafte Grundrechtseinschränkungen nicht akzeptierten oder anderen halfen, die dadurch in Not kamen.

Derzeit wird die Revision im Verfahren eines Weimarer Familienrichters verhandelt, der zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt wurde, weil er Schulkinder vor der Drangsalierung schützen wollte. Eine Richterin auf Probe wurde kürzlich zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt, weil sie einem Seelsorger, ihrem Vater, ermöglicht hatte, Sterbebegleitung im Altenheim zu machen. In Hessen wurde eine Hausärztin jüngst zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie in ihrer Praxis vor Nebenwirkungen der Corona-Impfung gewarnt hatte.  In Weinheim wurde eine Ärztin wegen des Ausstellens von Maskenattesten zu zwei Jahren und neun Monaten Haft ohne Bewährung und drei Jahren Berufsverbot verurteilt. Viele Menschen wurden wegen Verstoßes gegen die sinnlose Maskenplficht im Freien zu Geldbußen verurteilt, andere wegen Verstößen gegen Regeln, die dazu dienen sollten, das Demonstrieren gegen die Maßnahmen zu erschweren oder unmöglich zu machen.

Eine Landtagsmehrheit kann ein Amnestiegesetz beschließen, das Verurteilungen wegen Verstößen gegen die Pandemiemaßnahmen aufhebt und verfügt, dass Geldbußen zurückerstattet werden. Das sollte unabhängig davon gelten, ob sie die Regierung stellt oder nicht.

Aufarbeitung

Die politische und rechtliche Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen ist nötig, damit die Spaltung der Gesellschaft überwunden werden kann und weite Teile der Bevölkerung, die das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren haben, dieses Vertrauen wieder bekommen können.

Auf Landesebene kann ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zwar nur das Handeln auf Landesebene untersuchen. Damit kommt man aber bereits recht weit. Denn für die Umsetzung der meisten Maßnahmen waren die Länder zuständig. Ein Untersuchungsausschuss sollte den Auftrag bekommen, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu prüfen, auch wenn dieses auf einer Rechtsgrundlage beruht, die im Bund geschaffen wurde. So hat das Landgericht Darmstadt in meinem Verfahren gegen das Paul-Ehrlich-Institut geurteilt, dass Regeln der Coronamaßnahmen-Ausnahmeverordnung grundgesetzwidrig waren. Grundgesetzwidrige Regeln des Bundes müssen und dürfen die Länder nicht umsetzen. Aufgeklärt werden kann auf Landesebene auf jeden Fall die Rolle der verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Ministerpräsidentenkonferenzen mit Vertretern der Bundesregierung als Entscheidungsgremium.

Während der Corona-Zeit wurden Demonstrationen von Maßnahmenkritikern mit Tricks und Schikanen verhindert oder eingeschränkt. Versammlungsrecht ist Ländersache. Eine Landtagsmehrheit sollte dafür sorgen, dass das aufgearbeitet wird – wenn nötig mit einem Untersuchungsausschuss – und eine Wiederholung
in der Zukunft durch geeignete Vorschriften in einem reformierten Versammlungsrecht ausgeschlossen wird.

Medien

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Die Länder sind zuständig für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Um diesen länderübergreifend einheitlich zu organisieren, haben sie einen Rundfunkstaatsvertrag und zur Regelung der Zwangsbeiträge der Bürger einen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geschlossen. Die Aufsicht über den Rundfunk üben Rundfunkräte aus, die mit Parlamentariern und Vertretern von gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen besetzt werden, wie Gewerkschaften, Berufsverbänden, Kirchen etc. Diese wiederum stehen aufgrund ihrer Tätigkeit in enger Beziehung zu Regierung und Behörden und sind auf deren Wohlwollen mehr oder weniger angewiesen.

Bei vielen Menschen herrscht Unzufriedenheit mit dem Programmangebot, das sie von den öffentlich-rechtlichen Sendern für den hohen und nicht nach Einkommen gestaffelten Rundfunkbeitrag geboten bekommen. Oft wird eine fehlende Einhaltung des Programmauftrags hinsichtlich politischer Neutralität, Meinungsvielfalt und journalistischer Sorgfalt kritisiert. Die geforderte Staatsferne der Aufsichtsgremien ist fraglich. Die Aufsicht leidet darunter, dass die Sender sich für eine pflegliche Behandlung durch Aufseher mit einer freundlichen Berichterstattung erkenntlich zeigen können. Umgekehrt können sie unvorteilhaft über die Organisationen von Rundfunkräten berichten, die ihnen Ärger machen.

Bei anderen Zwangsmitgliedschaften, wie etwa in Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Ärztekammern und vielen mehr, gilt das Prinzip, dass die Beitragszahler als Mitglieder den Vorstand der Körperschaft wählen und oft auch über die Satzung bestimmen. Beim öffentlich-rechtlichen Runndfunk müssen die Bürger dagegen zwar bezahlen, bekommen dafür jedoch keinerlei Recht, über das Programm und die Organisation der Körperschaft mitzubestimmen.

Eine Landesregierung kann daher den Rundfunkstaatsvertrag und den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorsorglich kündigen. Eine Rücknahme dieser Entscheidung könnte sie davon abhängig machen, dass der Vertrag im Rahmen der für nächstes Jahr geplanten Neuverhandlung so geändert wird, dass die Rundfunkbeitragszahler die Intendanten und die Verwaltungsräte der Rundfunkanstalten wählen. Die Programmaufsicht sollte statt dem Rundfunkrat einem Gremium übertragen werden, dessen Mitglieder durch die Sender in der Regel weder begünstigt noch geschädigt werden können. Das könnte etwa eine Ombudsstelle sein, die vom Parlament mit Medienrechtlern und Medienwissenschaftlern besetzt wird, die gegenwärtig und zuvor keine politischen- und Regierungsämter ausüben oder ausgeübt haben. Eine von der Regierung unabhängige Landtagsmehrheit, kann die Regierung auffordern, entsprechend zu handeln. Zwingen kann sie die Regierung aber wohl nicht.

Zensur und Meinungskontrolle im privaten Rundfunk

Im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Rundfunk und Presse sind die Länder auch für private Medienanstalten zuständig. Sie gehen jedoch sehr weitgehend einheitlich vor. Wichtige Grundlage dafür ist der Medienstaatsvertrag (MStV). Alle Länder haben Landesmedienanstalten (zum Teil gemeinsame). Diese wurden in der Corona-Zeit (Ende 2020) durch den MStV auch mit der Kontrolle der Einhaltung von im MStV genannten journalistischen Grundsätzen bei privaten Inhalteanbietern betraut, wie zum Beispiel diesen Blog. Entscheidungen treffen oft gemeinsame Kommissionen der Landesmedienanstalten.

Die Landesmedienanstalten haben ihre neue Kompetenz schnell genutzt, um Druck auf Netzportale auszuüben, die Meinungen und Informationen zu Virus, Maßnahmen und Impfung jenseits des von den Behörden gutgeheißenen Korridors amtlicher Wahrheiten und zulässiger Meinungen veröffentlichten. Als letztes Beispiel hat die Landesmedienanstalt NRW Ende August dem Online-Magazin Multipolar ein „förmliches Verwaltungsverfahren“ angedroht und vier Beiträge und Interviews gerügt, die zum Teil Jahre zurückliegen. Diese Aktion kam, nachdem Multipolar die Protokolle des RKI-Krisenstabs freigeklagt hat und während eines anhängigen Gerichtsverfahrens des Magazins auf Entschwärzung der freigegebenen Protokolle. Die Rügen beziehen sich jeweils auf Aussagen von Autoren und Interviewpartnern, die von den amtlichen Wahrheiten in Sachen Corona abweichen.

Zu den überzogenen Gehältern und der großen Regierungsnähe von Chefs der Landesmedienanstalten gibt es einen aktuellen Bericht von epd.

Es kann in einer liberalen Demokratie jedoch nicht Aufgabe des Staates sein festzulegen, was wahr und was falsch ist. Eine Medienaufsicht, die das durchzusetzen versucht, wird zur staatlichen Zensurbehörde. Medienrechtler nennen die Aufsichtsfunktion der Medienanstalten über die journalistische Sorgfaltspflicht „Neuartiger staatlicher Angriff auf Pressefreiheit“ und „verfassungsrechtlich bedenklich“. Verleger warnten 2019 vor „gefährlichen Präzedenzfällen für staatliche Presseaufsicht“.

Eine Landesregierung kann als Gegenmaßnahme den Medienstaatsvertrag kündigen und sich aus den gemeinsamen Kommissionen der Landesmedienanstalten zurückziehen, solange bis die Zensurelemente aus dem Medienstaatsvertrag entfernt sind. Eine von der Regierung unabhängige Landtagsmehrheit, kann die Regierung auffordern, entsprechend zu handeln. Zwingen kann sie die Regierung aber wohl nicht. Zu prüfen wäre, ob sie ein Gesetz erlassen kann, das Medien im eigenen Land vor derartigen Übergriffen einer Landesmedienanstalt schützt.

Polizeiliche Überwachung

Die Bundesregierung hat in Reaktion auf die tödliche Messerattacke von Solingen ein sogenanntes Sicherheitspaket verabschiedet. Dieses beinhaltet die automatisierte Durchforstung des Internets nach Fotos von Bürgern und den ebenfalls automatisierten Abgleich mit Fotos von Verdächtigen. Das hat sie zwar als „Maßnahme gegen gewaltbereiten Islamismus“ begründet. Doch schon in einem vor dem Attentat von Solingen öffentlich gewordenen Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein neues BKA-Gesetz war weitreichende biometrische Überwachung als allgemeine polizeiliche Maßnahme vorgesehen.

Der Chaos Computer Club warnt, dass die biometrischen Überwachungsmaßnahmen in eine Zukunft führen, in der niemand mehr anonym im öffentlichen Raum oder im Internet unterwegs sein kann. Das führe zu Selbstzensur, Misstrauen und einem Klima der Angst. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampelregierung dagegen vereinbart: „Den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab. Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.“

Eine Landtagsmehrheit, die die Demokratie vor der Aushöhlung durch Totalüberwachung der Bürger schützen will, kann ein Gesetz erlassen, das der Polizei und anderen Behörden einschließlich Verfassungsschutz, den Einsatz von biometrischer Erfassung zum Zweck der massenhaften automatisierten Bevölkerungsüberwachung verbietet. Auch den Einsatz von Software, die der Polizei Daten über Personen aus verschiedensten Quellen automatisiert zugänglich macht, wie das Programm Gotham von Palantir, sollte der Landespolizei und dem Verfassungsschutz untersagt werden. Bisher wird diese Software von den unionsgeführten Ländern Bayern, Hessen und NRW genutzt.

Direkte Demokratie

In Sachsen und in Thüringen gibt es in der Verfassung Elemente der direkten Demokratie in Form von Volksabstimmungen. Auf Landesebene sind die Verfahren jedoch mehrstufig, zeitraubend und aufwendig, sodass die Bedeutung eher bescheiden ist. In Thüringen hat allerdings 2008 ein Volksbegehren dazu geführt, dass der Landtag ein Gesetz für mehr direkte Demokratie in den Kommunen beschlossen hat. Dieses sieht ein stark abgespecktes Verfahren vom (erfolglosen) Bürgerbegehren zum Bürgerentscheid ohne mehrmaliges Unterschriftensammeln vor.

Eine Landtagsmehrheit in Sachsen kann nach dem Vorbild von Thüringen ein Gesetz für mehr direkte Demokratie in den Kommunen erlassen.

In beiden Ländern ist zur Einführung von mehr direkter Demokratie auf Landesebene eine Änderung der Verfassung nötig, die nur mit entsprechend großer Mehrheit im Landtag beschlossen werden kann. Der Weg zur Volksabstimmung sollte dabei vereinfacht und verkürzt und die Hürden gesenkt werden. Vorzusehen wäre die Einführung der Möglichkeit den Landtag per Volksabstimmung aufzulösen und dadurch Neuwahlen zu erzwingen, nach dem Vorbild von Artikel 18 der Bayerischen Landesverfassung. (Änderungshinweis: Die letzten beiden Sätze wurden kurz nach Erstveröffentlichung hinzugefügt.) Parteien ohne verfassungsändernde Mehrheit könnten und sollten durchaus einen Entwurf für eine entsprechende Änderung der Verfassung zur Abstimmung zu stellen. Das bringt das Thema immerhin (erneut) auf die Tagesordnung und zwingt die anderen Parteien Farbe zu bekennen.

Wohnungswesen

Wien macht vor, wie man gleichzeitig relativ niedrige Mieten und eine sehr lebenswerte Stadt erreichen kann, indem man den Wohnungsbau nicht gewinnorientierten Unternehmen überlässt, sondern diesen kommunal und genossenschaftlich organisiert. Wien hat den Vorteil, dass dort der Boden und die Wohnungen nie privatisiert wurden, sodass die Kommune im Besitz der meisten Grundstücke ist, die für Wohnungsbau in Frage kommen. Deutsche Kommunen haben es da schwerer. Es gibt aber meines Wissens Möglichkeiten für Gemeinden, prospektives Bauland aufzukaufen, ohne dabei Preise wie für Bauland zu bezahlen. Das ist jedoch ein viel zu komplexes Gebiet, als dass ich dazu Genaues und Verlässliches beisteuern könnte.

Eine Landesregierung, die etwas für nachhaltig günstigen Wohnraum tun möchte, sollte daher sehr viel Experten-Gehirnschmalz darauf verwenden, herauszufinden, was das Land und die Gemeinden tun können, um Land zu bezahlbaren Preisen in eigenen Besitz oder den von Wohnungsbaugenossenschaften zu bringen und dafür zu sorgen, dass Wohnungsbaugenossenschaften günstig an Kredite kommen.

Es ist wichtig zu verstehen, was das Besondere am freien Grundstücksmarkt ist, das ihn fundamental von Warenmärkten unterscheidet. Baufähige Grundstücke und Wohnungen stellen einen weitgehend fixen Bestand dar. Die Bereitstellungen von neuem Bauland und der Bau von Wohnungen kann zwar das Angebot erweitern. Aber relativ zum Bestand ist das auf kurze Frist vernachlässigbar. Das verfügbare Angebot wird an die Nachfrager versteigert. Zum Zuge kommt – vereinfacht gesagt – derjenige, der bereit und in der Lage ist, den höchsten Kredit aufzunehmen. Das Hypothekengeschäft ist das größte Geschäftsfeld der Banken. Indem sie Kredit für Immobilienkäufe geben, ermöglichen die Banken zwar dem Einzelnen, der sonst nicht dazu in der Lage wäre, Immobilien zu erwerben. Gleichzeitig treiben sie durch massenhafte Kreditvergabe die Preise nach oben und schaffen so den Bedarf für immer mehr Kredit. Auf diese Weise sind die Banken in der Lage, sich einen sehr großen Teil des im Immobilienmarkt anfallenden Profits zu sichern und treiben die Kosten des Wohnens nach oben.

Staatliche Förderprogramme, die Immobilienkäufern durch Steuervergünstigungen oder Zuschüsse den Kauf eines Hauses leichter machen sollen, treiben ebenfalls die Immobilienpreise nach oben. Das sorgt dafür, das sie ihren Zweck nicht erreichen, sondern nur die Gewinne der Banken und der Immobilienwirtschaft nach oben treiben. Wenn Kommunen investieren und bestimmte Standorte oder die ganze Kommune attraktiver machen, treibt das ebenfalls die dortigen Immobilienpreise nach oben. Die Kosten haben die Steuerzahler, einen großen Teil des Vorteils bekommen – ohne eigene Leistung – die Immobilienbesitzer.

Langfristig hilft gegen hohe Immobilienpreise und Mieten vor allem die Ausweitung des Angebots an Bauland und des Wohnungsbaus und die Übernahme von Grundstücken in öffentliches oder gemeinschaftliches Eigentum. Begrenzungen von Mietsteigerungen sind auch nützlich. Aber durch harte und niedrige Mietobergrenzen wie sie in Berlin verfügt wurden, provoziert man unerwünschte Ausweichreaktionen und Angebotsverknappung, die schlimmer sein können als das Problem, das man damit lösen will.

Siehe auch Sparkassengesetz

Sparkassengesetz

Die Organisation und Aufsicht über die Sparkassen ist Sache der Länder. Diese haben jeweils eigene Sparkassengesetze, die von einer Landtagsmehrheit geändert werden können, unabhängig davon, ob diese die Regierung stellt oder nicht. Im Sparkassengesetz des Landes Thüringen zum Beispiel, bietet es sich an, §2 (Öffentlicher Auftrag) und §21 (Verwendung des Überschusses) zu ändern. Denn mit den Sparkassen in öffentlicher Trägerschaft steht den Ländern ein potentiell machtvolles Instrument zur Verfügung, um wichtige Ziele zu fördern.

Bisher lautet der Auftrag der thüringischen Sparkassen, die Versorgung mit Finanzdienstleistungen sicherzustellen, insbesondere Gelegenheit zur sicheren Anlage von Geldern zu geben, den Wettbewerb im Kreditgewerbe zu stärken, den Sparsinn, die allgemeine Vermögensbildung und die Wirtschaftserziehung der Jugend zu fördern. Es wird von ihnen verlangt, ihre Leistungen „unter Berücksichtigung der Markterfordernisse“ zu erbringen. Gewinnerzielung soll allerdings nicht das vorrangige Ziel sein.

Der Verweis auf die Marktbedingungen wird von den Sparkassen gern genutzt, um die gleichen, manchmal räuberisch anmutenden Geschäftspraktiken anzuwenden wie Geschäftsbanken, etwa was die Höhe von Überziehungszinsen angeht. Dadurch hält sich der Wettbewerbsdruck auf die Geschäftsbanken in Grenzen und indirekt wird die Gewinnerzielung doch zum dominierenden Ziel der Sparkassen. Gleichzeitig verstehen die Sparkassen es in der Regel gut, die Mitglieder des Verwaltungsrats günstig zu stimmen, sodass sie dem Vorschlag des Vorstands zustimmen und sich mit der Ausschüttung eines bescheidenen Anteils des oft recht hohen Jahresüberschusses an die Träger zufriedengeben. Auch sehr großzügige Vergütungen für das Management sind dadurch oft zu beobachten.

Eine wirksame Gegenmaßnahme wäre es, den Sparkassen gesetzlich zu verbieten, Kredite an Mitglieder des Verwaltungsrats und deren Familienangehörige zu vergeben. Zusätzlich wäre die Regelung zur Verwendung des Jahresüberschusses anzupassen, die bisher zu interpretationsfähige Ausnahmen vom Prinzip der Ausschüttung des Jahresüberschusses an die Träger für gemeinnützige Zwecke enthält. Statt „soweit er nicht zur Stärkung des Eigenkapitals“ benötigt wird, sollte in §21 eine konkrete Höhe der Rücklage genannt werden, bis zu der die Sicherheitsrücklage aus dem Überschuss aufgefüllt werden kann.

Einige der Aufgaben in §2 wirken nicht mehr zeitgemäß und könnten entfallen. Andere Ziele fehlen, die zu fördern öffentlich-rechtliche Kreditinstitute sehr geeignet wären. Bei anderen Zielen, wie der Förderung des Wettbewerbs ist Nachschärfen erforderlich. Statt des Verweises auf die Marktbedingungen würde es genügen, die Sparkassen darauf zu verpflichten, so zu wirtschaften, das keine Verluste zu erwarten sind und eine festgelegte Höhe der Sicherheitsrücklage erreicht oder gehalten wird.

Aufgabe der Sparkasse sollte auch ausdrücklich sein, das Bereitstellen von günstigem Wohnraum durch Wohnungsbaugenossenschaften mit günstigen Krediten zu fördern, deren Zinsen nur die Kosten decken.

Um politisch motivierten Bankenboykotten gegen Personen, Vereine und Parteien entgegenzuwirken, die deutschlandweit um sich greifen, sollte die Verpflichtung der Sparkassen, Girokonten anzubieten, nachgeschärft werden. Sparkassen sollten durch das Gesetz ausdrücklich verpflichtet werden, in Deutschland wohnhaften Personen und allen legalen Parteien, Vereinen und Unternehmen diskriminierungsfrei die Führung eines Girokontos anzubieten. Kontenkündigungen aus anderen Gründen als Pflichtverletzungen des Kunden sollten den Sparkassen gesetzlich untersagt werden. (Änderungshinweis: Dieser Absatz am Nachmittag hinzugefügt.)

Ferner sollte den Sparkassen explizit untersagt werden, für einzelne Leistungen Preise in Rechnung zu stellen, die im Verhältnis zu den Kosten stark überzogen sind. Das betrifft vor allem Überziehungszinsen bei Girokonten. Zur Vermeidung von Interpretationsspielräumen und Streit empfiehlt es sich vielleicht, die Spanne zwischen verlangten Zinsen und einem Referenzzins der Europäischen Zentralbank oder dem Geldmarktzins nach oben zu begrenzen.

Viele Sparkassen betätigen sich – entgegen ihrem Geschäftsinteresse als lokal verankerte Institute – als Vorkämpfer für die Bargeldverdrängung. Das Gegenteil ist im öffentlichen Interesse wünschenswert. Die Aufgabenliste der Sparkasse sollte daher erweitert werden um die Sicherstellung einer guten und kostengünstigen Versorgung mit Bargelddiensten für Bürger und
Unternehmen und die Förderung der Wahlfreiheit bei der Wahl des Bezahlverfahrens.

Transparenz des Behördenhandelns

Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze haben sowohl Sachsen als auch Thüringen. Diese garantieren Bürgern den Zugang zu Akten über behördeninterne Vorgänge, die zum Verständnis der Hintergründe und Motivation des nach außen sichtbaren Behördenhandels hilfreich sind. Manchmal werden so Skandale aufgedeckt, etwa anhand der Protokolle des RKI-Expertenrats und des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Idealerweise führt wirksame Informationsfreiheit dazu, dass Behörden sich von vorne herein korrekter verhalten, weil sie stärker damit rechnen müssen, dass es auffliegt, wenn sie unlauter arbeiten. Doch gerade wenn Regierung und Behörden etwas zu verbergen haben, verweigern sie regelmäßig die Herausgabe der angeforderten Informationen oder schwärzen sie so ausgiebig, dass sie nutzlos werden. Die Protokolle der Bund-Länder-Konferenzen zu den Corona-Maßnahmen sind teilweise noch unter Verschluss oder es heißt, es gäbe keine.

In Sachsen sind die Transparenzpflicht und die Effektivität des Auskunftsrechts übermäßig eingeschränkt. Gemeinden, Landkreise und Gemeindeverbände sind nur transparenzpflichtig wenn sie sich durch ihre Satzung selbst dazu verpflichtet. Die Ausnahmen von der Transparenzpflicht sind sehr umfangreich und – besonders wichtig – den Bürger steht nicht der Weg zu den Gerichten offen, wenn ihr Informationsfreiheitsantrag abgelehnt wird. Diese Mängel sollten durch beseitigt werden. (Änderungshinweis: Dieser Absatz wurde am Nachmittag ergänzt.)

Auf Länderebene ließe sich Verzögerungstaktiken und Abwehrhaltung der Behörden durch die Schaffung eines Landtagsausschusses für Informationsfreiheit entgegenwirken. Diesem müssten betroffene Behörden jede Ablehnung einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes mit Begründung in Kopie zuleiten, ebenso jeden Protest wegen mutmaßlich übermäßiger Schwärzungen. Der Ausschuss sollte das Recht haben, im Einzelfall dem Landtag ein Votum vorzuschlagen, das die Behörde auffordert, den Informationswünschen des Anfragenden zu entsprechen. Weiterhin sollte er das Recht haben, dem Landtag eine Rüge gegen Ministerien oder Behörden vorzuschlagen, die Wortlaut oder Geist des Informationsfreiheitsgesetzes wiederholt missachten, indem sie Informationen nicht, oder nur nach Gerichtsverfahren herausgeben und exzessiv schwärzen. Der Landtag kann zwar die Regierung, außer durch Abwahl, nicht zwingen, seinem Votum zu folgen. Aber immerhin wird geheimniskrämerisches Gebaren von Ministerien und Behörden auf diese Weise breit öffentlich und zum Politikum, und es müssen sich zur Wahl stehende und um ihr Amt fürchtende Abgeordnete dafür rechtfertigen.

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