Der Standard versucht Österreich vor dem Bargeld-Virus zu schützen (mit P.S.)

In Deutschland legen viele Dutzend, wahrscheinlich Hunderte Barzahlungsbegehren den Beitragsservice lahm, der die Rundfunkgebühren einzieht. Dem österreichischen Pendent GIS kann und soll das nicht passieren, meint „der Standard“. Eine Nachfrage bei den zitierten Experten fördert jedoch Erstaunliches zu Tage.

Seit mein Barzahlungsexperiment mit der Rundfunkgebühr in Deutschland durch die Massenmedien geht, droht der Bargeld-Virus auch auf die benachbarte Alpenrepublik überzugreifen, wo es auch einen weithin gehasste Rundfunkgebühr gibt, und eine GIS, die sie einzieht und keine Barzahlung erlaubt.

Barzahlungstrick in Österreich wohl nicht möglich“, untertitelt der Standard und führt dafür zwei Rechtsprofessoren von der Wirtschaftsuniversität Wien ins Feld. Privatrechtler Martin Spitzer stellt fest, dass die GIS nicht an eine Vorschrift des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (§907a ABGB) gebunden ist, die auch Barzahlung erlauben würde. Zweiter Experte ist „Wirtschaftsrechtler“ Harald Eberhard. Der Standard schreibt, er vertrete die Auffassung, dass die GIS Barzahlung zwar akzeptieren könne, aber nicht müsse. Ein solches Experiment sei in Österreich also mit großer Wahrscheinlichkeit nicht möglich.

Auf Nachfrage sagt Professor Spitzer, er habe sich als Privatrechtler nur zu Vorschriften des Privatrechts geäußert, die aber hier nicht einschlägig seien, sondern das Verwaltungsrecht, das nicht in sein Fachgebiet falle. Professsor Eberhard ein Verwaltungsrechtler, antwortet auf eine Anfrage:

Ich wurde gefragt, wie die Rechtslage zur Entrichtung von Abgaben und Gebühren im österr Recht, speziell auch im österr Rundfunkgebührenrecht, geregelt ist und habe dies dem anfragenden Journalisten erläutert. Zum Unionsrechtsaspekt wurde ich weder gefragt noch könnte ich dazu eine fundierte Aussage treffen, das müsste wohl ein Europarechtler machen.“

Der Standard hat also zum rechtlichen Kern meines Bargeld-„Tricks“, den Vorschriften zum gesetzlichen Zahlungsmittel in Artikel 128 des EU-Vertrags weder gefragt, noch eine Auskunft erhalten. In Österreich ist die Vorschrift des EU-Vertrags auch noch einmal in § 61. (1) des Nationalbankgesetzes enthalten. Dort heißt es:

Die von der Oesterreichischen Nationalbank, der EZB und von den nationalen Zentralbanken der anderen an der dritten Stufe der WWU teilnehmenden Mitgliedstaaten ausgegebenen, auf Euro lautenden Banknoten sind gesetzliche Zahlungsmittel.“

Ich dagegen habe einen zuständigen Fachmann befragt. Den Geld-, Währungs- und Notenbankrechtler Helmut Siekmann, von der Universität Frankfurt. Und der ist überzeugt, dass staatliche Stellen von Rechts wegen Euro-Banknoten zum Nennwert und ohne Abzug annehmen müssen. Es sagt auch, dass Staaten und erst recht Bundesländer oder Rundfunkanstalten nicht das Recht haben, davon abweichende Regelungen zu erlassen.

Ich fürchte, lieber Standard, Österreich und die GIS sind doch nicht gegen Ansteckung gefeit.

P.S. Der Standard hat meine Kritik bemerkenswert souverän aufgegriffen und den oben verlinkten Artikel entsprechend ergänzt.

„Europäisches Recht könnte Vorgehen erlauben

Einige Tage nach Erscheinen wurde dieser Artikel von Norbert Häring aufgegriffen. Er kritisiert, dass, dass der „rechtliche Kern“ seines Anliegens nicht abgedeckt sei, da ausschließlich Experten zu nationalen Rechtsnormen befragt wurden.Häring hat seinerseits nun den Währungsrechtler Helmut Siekmann der Universität Frankfurt zur Thematik befragt. Er ist, so schreibt der Wirtschaftsjournalist, der Ansicht, „dass staatliche Stellen von Rechts wegen Euro-Banknoten zum Nennwert und ohne Abzug annehmen müssen“, dies auch für Rundfunkanstalten gilt und somit auch GIS-Beitragszahler die Möglichkeit hätten, auf Barzahlung zu bestehen. (gpi, 04.06.2015)“

Der Autor des Standard-Artikels hat mir gegenüber sehr glaubwürdig versichert, dass er von den befragten Rechtsexperten nicht auf möglicherweise entgegenstehendes Europarecht hingewiesen wurde und mit dem Artikel keineswegs die Abischt verfolgte, die GIS vor Nachahmern zu schützen.

Ich entschuldige mich dafür, diesen Eindruck erweckt zu haben.

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