Meine Stellungnahme für die Expertenanhörung im NRW-Landtag zum Bargeld

Am Dienstag, 3. Mai 2016 findet im Düsseldorfer Landtag eine öffentliche Anhörung zu Obergrenzen für Barzahlungen statt.  Grundlage sind Anträge der FDP und der PIRATEN, die sich gegen entsprechende Vorschläge und Initiativen richten. Zeit und genauer Ort, sowie die Anträge und die Liste der geladenen Experten und deren schriftliche Stellungnahmen finden sich auf der Landtagswebsite. Im folgenden meine vorab eingereichte schriftliche Stellungnahme.

 Bargeldverbote sind europarechtswidrig und ermöglichen einen totalitären Überwachungsstaat

 Stellungnahme zur Anhörung des Landtags Nordrhein-Westfalen zu den Anträgen der FDP-Fraktion (Mündige Bürger nicht immer mehr bevormunden und unter Generalverdacht stellen) und der Fraktion der PIRATEN (Bargeld – Freiheit – Privatsphäre – PUNKT!) am 3. Mai 2016

 Von Dr. Norbert Häring, Wirtschaftsjournalist und Fachbuchautor (zuletzt: „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen – Der Weg in die totale Kontrolle)

 

 Der Antrag der FDP-Fraktion

 Der Beschlussantrag der FDP vom 25.8.2015 bezieht sich auf die Anregung des NRW-Finanzministers Norbert Walter-Bojans von Juli 2015, eine Obergrenze für Barzahlungen einzuführen um gesetzwidrige Transaktionen zu erschweren.

 Der Beschlussantrag stellt fest, dass Daten über alle Kontobewegungen der Bürger erfasst und langfristig gespeichert werden, sodass die erzwungene Nutzung des unbaren Zahlungsverkehrs zu negativen Nebenwirkungen für den Schutz der Privatsphäre und Missbrauchsgefahr führt. Als Beispiel wird die Gefahr angeführt, dass Unbefugte sich Zugang und den Daten verschaffen und diese missbrauchen.

 Kritisch angemerkt wird weiterhin, dass eine Obergrenze für Barzahlungen die Bürger indirekt zwinge zumindest einen Teil ihres Ersparten auf einem Bankkonto zu halten, wo es der staatlich veranlassten „Entreicherung“ in Form von Negativzinsen anheim fallen könne.

 Der bessere Weg zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Schwarzgeldgeschäften  sei, das vorhandene gesetzliche Instrumentarium vollständig und sachgerecht anzuwenden, unter anderem indem die bisher kaum stattfindenden Vor-Ort-Kontrollen in Sachen Geldwäsche erheblich intensiviert werden.

 Der Landtag NRW  möge daher beschießen, dass Möglichkeiten zur Barzahlung erhalten bleiben sollen und dass die Landesregierung aufgefordert wird, von einer unverhältnismäßigen Initiative zur Unterbindung von Bargeldnutzung auf Bundesebene Abstand zunehmen.


Der Antrag der Fraktion der PIRATEN

 Der ein halbes Jahr später eingebrachte Antrag der PIRATEN (23.2.2016) bezieht sich auf bestätigte Medienberichte, wonach der Bundesfinanzminister ein europaweit einheitliches Limit für Bargeldtransaktionen gesetzlich festschreiben möchte, sowie auf die Aufforderung des Europäischen Rats für Wirtschaft und Finanzen vom 17.2.2016 an die Kommission, einen Vorschlag für eine solche einheitliche Obergrenze vorzulegen.

 Über die Feststellungen im Antrag der FDP hinaus, stellen die PIRATEN fest:

 Die Terrorgefahr werde für einen Angriff auf elementare Bürger- und Freiheitsrechte instrumentalisiert. Organisierte Kriminalität und Terrorismus seien längst auf elektronische Zahlungsmethoden umgestiegen und Terroristen scherten sich nicht darum, ob die Nutzung von Bargeld legal oder illegal sei.

 Dass nach Berechnungen des Ökonomen Friedrich Schneider eine Obergrenze für Bargeldgeschäfte von 5000 Euro die Schwarzarbeit nur geringfügig einschränken würde.

 Dass mit einer Absenkung der Schwelle und weiteren Beschränkungen fest zu rechnen sei, bzw. diese sogar bereits geplant sein dürften.

 Dass man immer mit der Möglichkeit rechnen müsse, dass aus einem „guten Staat“ ein „böser Staat“ werden kann. Ein etwaiger antiliberaler Staat hätte mit Vorratsdatenspeicherung und Einschränkung des Bargeldverkehrs Instrumente an der Hand, das Konsumverhalten seiner Bürger zu beeinflussen und zu kontrollieren, im Sinne des Unterwerfens unter paternalistische Restriktionen.

 Im Fall einer Bankenkrise können Bürger ihr Geld nicht länger von der Bank abziehen, wodurch die Enteignung der Einleger bei ins Straucheln geratenen Banken erleichtert werde.

 Negativzinsen, deren Einführung durch Bargeldbeschränkungen erleichtert werde, hätten Blasen an den Immobilien- und Aktienmärkten zur Folge, mit verheerenden Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft.

 Der  Landtag möge daher beschließen, die Landesregierung aufzufordern, sich gegen jedwede Obergrenze für Bargeldgeschäfte zu positionieren.

 

 Stellungnahme:

  1. Ein strafbewehrtes gesetzliches Verbot von Barzahlungen von mehr als 5000 Euro (oder 3000 Euro) ist zur Bekämpfung von Geldwäsche, Schwarzarbeit und Terrorismus nahezu wirkungslos.
  2. Mit weiteren Einschränkungen der Bargeldnutzung wäre daher und aus weiteren gewichtigen Gründen fest zu rechnen.
  3. Es gibt starke Indizien für die Vermutung, dass die Begründung der Bekämpfung der Terrorfinanzierung vorgeschoben ist.
  4. Was die finanziellen Interessen der Bürger angeht, sind Negativzinsen die kleinere Gefahr. Bedeutsamer  ist die Gefahr der Enteignung der Einleger im Fall von Bankenpleiten, die im Antrag der FDP nicht, in dem der PIRATEN nur kurz erwähnt wird. Daneben sind Verteilungsfragen von erheblicher Bedeutung.
  5. Die Gefahr für die bürgerliche Privatsphäre und Freiheit, die von der Überwachung des unbaren Zahlungsverkehrs ausgeht, wird allgemein und in den Anträgen unterschätzt.
  6. Nationale Bargeldverbote widersprechen dem EU-Primärrecht, auch die in manchen Ländern bereits bestehenden.
  7. Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers für ein sicheres und die Privatsphäre respektierendes gesetzliches Zahlungsmittel zu sorgen, mit dem man auch unbar bezahlen kann.

 

Zu 1.  Mangelnde Wirksamkeit

 In der Öffentlichkeit wird oft der Eindruck erweckt, mit der Erschwerung oder gar Beseitigung von Geldwäschemöglichkeiten würden die zugrunde liegenden Verbrechen und Vergehen automatisch mit beseitigt. Das ist nicht der Fall.

 Für einen Terroristen, der ohne Bargeldobergrenze illegale oder verdächtige Güter im Wert von mehr als 5000 Euro kaufen möchte, und für deren Verkäufer, dürfte die zu erwartende (zusätzliche) Strafe bei Missachtung des Barzahlungsverbots und Entdeckung keine nennenswerte abschreckende Wirkung ausüben. Kauft ein Terrorist ein Auto oder ein ähnliches unverfängliches Gut, so kann die anonyme Barzahlung durch eine Bargeldobergrenze etwas erschwert werden. Ein registrierter und eventuell gesuchter Terrorverdächtiger wird aber nur in Ausnahmefällen so dumm sein, größere bargeldlose Zahlungen selbst  in eigenem Namen zu tätigen.

 Für einen Schwarzarbeiter oder Geldwäscher sowie deren Auftraggeber stellt eine Strafe für unerlaubtes Barzahlen im Fall der Entdeckung nichts anderes als eine moderate Strafverschärfung für das originäre Vergehen dar. Das dürfte kaum abschreckende Wirkung erzielen. Ohnehin  wäre eine Obergrenze von 5000 Euro (aber auch 3000 Euro) so hoch, dass anonyme Bezahlung für Schwarzarbeit dadurch kaum behindert würde. Ähnliches gilt für Geldwäsche, die in den als besonders anfällig identifizierten Branchen Einzelhandel, Hotel, Gaststätten, Spielhallen durch eine solche Obergrenze kaum beeinträchtigt würde. Für Barzahlung von Immobilien und Kunstgegenständen wären Spezialregelungen für diese Branchen das bei weitem mildere aber ebenso effektive Mittel. In Relation zu den Milliardenbeträgen, die über Scheinfirmen und Steuerparadiese gewaschen werden, fallen Bargeld-Beträge im Tausendervolumen nicht ins Gewicht.

 Fazit: Nur wenn die Empfänger von Bargeld mit diesem Bargeld kaum noch etwas anfangen können, weil allenfalls noch Kleinstbeträge damit bezahlt werden können, würde kleinteilige Geldwäsche, Schwarzarbeit und Terrorfinanzierung möglicherweise nennenswert erschwert. Doch selbst was das angeht, gibt es kundige Zweifler. So hat die Leiterin der Bargeld-Abteilung der EZB, Doris Schneeberger, am 11.4. auf einer Bargeldkonferenz in Paris festgestellt, dass es keinen Nachweis einer Verbindung zwischen der Bargeldnutzung und der Verbreitung von Kriminalität gebe. So sei die Schattenwirtschaft in Schweden größer als in Deutschland, trotz der dort sehr viel geringeren Bargeldnutzung. [1]

 

Zu 2: Weitere Verschärfung zu erwarten

 Das es bei Einführung einer Obergrenze für Barzahlungen von 5000 Euro zu weiteren Bargeldbegrenzungen kommen würde, kann als fast sicher gelten, denn:

  1. Eine Grenze in dieser Höhe kann die erklärten Ziele offenkundig nicht erreichen. Hält man die Zielsetzung aufrecht, sind Verschärfungen folgerichtig.
  2. Das Bundesfinanzministerium hat seinen Vorstoß u.a. mit den bereits bestehenden Bargeldbeschränkungen in vielen EU-Ländern begründet. Die Obergrenzen sind dort zumeist deutlich niedriger. Frankreich hat jüngst eine Obergrenze von 1000 Euro eingeführt. Es gibt im Zeitablauf einen klaren Trend zu immer niedrigeren Obergrenzen. Die Erhöhung in Italien von 1000 Euro auf 3000 Euro im Zuge eines Regierungswechsels ist eine einsame Ausnahme. In Griechenland wird sogar bereits ein Gesetzentwurf diskutiert, der Bargeld das außerhalb der Banken aufbewahrt wird, anmeldepflichtig macht und Kontrollen der Behörden vorsieht.
  3. Der Harvard-Professor und ehemalige US-Finanzminister Larry Summers, eine der ersten prominenten Stimmen für die Abschaffung des Bargelds, hat im Februar, unmittelbar nachdem die EZB in Aussicht gestellt hat, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, in mehreren Zeitungskolumnen unter Verweis auf eine Harvard-Studie gefordert, die 100-Dollar-Note, den größten Geldschein der USA, abzuschaffen. Dieser hat weniger als ein Fünftel des Wertes des 500-Dollar-Scheins.

 

Zu 3. Vorgeschobene Begründung

Die Vielzahl der je nach Ort und Zeit wechselnden Argumente für das Zurückdrängen der Bargeldnutzung deutet stark darauf hin, dass das Argument der Bekämpfung der Terrorfinanzierung vorgeschoben ist.

  1. Seit 2012 gibt es eine „Better Than Cash Alliance“ mit Sekretariat beim United Nations Capital Development Fund in New York. Diese “Besser als Bargeld Allianz” hat das erklärte Ziel, in gering entwickelten Ländern Afrikas und Asiens das Bargeld zurückzudrängen und bargeldlosen Zahlungsverkehr zu fördern. Begründet wird dies mit finanzieller Inklusion der armen und ländlichen Bevölkerungsschichten, ein Ziel dem das tatsächliche Handeln der Allianz aber nicht gerecht wird.[2] Der finanziellen Inklusion diene auch die durch die Speicherung ermöglichte automatisierte Auswertung aller Finanztransaktionen, denn dadurch könnten die Finanzdienstleister besser die benötigten Dienstleistungen bereitstellen. Hauptfinanciers der Allianz sind die Gates-Stiftung des Microsoft Gründers, die Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard, US-AID, die Ford-Stiftung, sowie die US Großbank Citi.  
  2. Der Harvard-Professor und ehemalige US-Finanzminister Larry Summers forderte 2013 auf einer IWF-Tagung die Abschaffung des Bargelds und begründete dies mit geldpolitischen Erwägungen (Negativzinsen bei säkularer Stagnation nötig).
  3. Im Januar 2015 forderte der Harvard-Professor und ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Ken Rogoff, auf einem Vortrag in München die weitgehende Abschaffung des Bargelds, vor allem um negative Leitzinsen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Als Nebenargument führte er die Vorteile bei der Kriminalitätsbekämpfung an.
  4. Im Juni 2015 richtete die Schweizerische Nationalbank in London eine Konferenz zur Beseitigung der Nullzinsuntergrenze für die Bankzinsen aus. Die Konferenz wurde nicht öffentlich angekündigt, die Presse war nicht geladen und wurde auf Anfrage nicht zugelassen. Hauptredner waren Ken Rogoff (siehe c), der aber jetzt überwiegend mit dem Argument der Kriminalitätsbekämpfung argumentierte, sowie Willem Buiter, Chefvolkswirt der Großbank Citi (siehe a), der die völlige Bargeldabschaffung forderte, sowohl wegen der Nullzinsgrenze, als auch mit dem Argument der Kriminalitätsbekämpfung.[3]
  5. Im Februar 2016 prognostizierte und befürwortete der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, in Davos das Verschwinden des Bargelds, weil es unpraktisch und teuer für die Finanzinstitute sei. Wenige Tage später verabschiedete die SPD-Fraktion im Bundestag eine Entschließung zugunsten der Zurückdrängung des Bargelds, begründet mit Kriminalitätsbekämpfung. Wiederum einige Tage später ging das Bundesfinanzministerium mit seinen Vorschlägen an die Öffentlichkeit, ebenfalls begründet mit Kriminalitätsbekämpfung und unter Berufung auf eine Studie[4]. Wenige Tage später signalisierte der EZB-Präsident, dass man die Abschaffung des 500-Euro-Scheins erwäge, da dieser oft von Kriminellen genutzt werde. Wiederum wenige Tage später forderte Larry Summers die Abschaffung des 100-Dollar-Scheins. Wie nachträglich bekannt und veröffentlicht wurde, ist Larry Summers in einer Reihe von kommerziellen Fintech-Unternehmen engagiert, die ein großes kommerzielles Interesse an einer bargeldlosen Zukunft haben.

 Fazit zu 3: Je nach Ort und Zeit werden unterschiedliche Gründe für das gleiche Ziel angegeben, die vordergründig überzeugend sind, bei genauem Hinsehen aber nicht weit tragen.

 
Zu 4: Negativzinsen und Gläubigerbeteiligung

 Die Gefahr einer schleichenden Entwertung der in Geld gehaltenen Ersparnisse der Bürger wird in den Anträgen angesprochen. Es ist vor allem eine weltanschauliche Frage, ob man bei der Höhe des Zinses, den man für seine Bankguthaben bekommt, der Nulllinie eine besondere Bedeutung zumisst. Wird die Bargeldnutzung stark erschwert, wird es leichter für die Banken negative Einlagenzinsen der Notenbank an ihre Einleger weiterzugeben, da das Umwandeln der Einlagen in Bargeld weniger attraktiv wird.  Auch hier gilt, dass eine nennenswerte Wirkung wohl erst bei weiteren Verschärfungen der Bargeldobergrenze und bei Abschaffung auch der nächstniedrigeren Denominationen unter dem 500-Euro-Schein eintreten würde.

 Die Erschwerung der Bargeldabhebung hat noch eine andere Wirkung. Einleger können sich dann nicht mehr so leicht  der seit Januar verpflichtenden Gläubigerbeteiligung im Fall der notwendigen Rettung oder Abwicklung einer Geschäftsbank entziehen. Diese sieht vor, dass in diesem Fall alle Gläubiger, einschließlich der Einleger, teilweise oder ganz auf ihre Forderungen verzichten müssen.  Die Einleger, als volumenmäßig bedeutsamste Gläubigergruppe, stehen dabei hinter den Aktionären (die eigentlich keine Gläubiger sind sondern Eigentümer) und Anleihehaltern an dritter Stelle der Haftungskaskade.

 Es erscheint (über Punkt 6 hinaus) rechtlich fragwürdig, dass Teilnehmern am Zahlungsverkehr die Nutzung des insolvenzsicheren gesetzlichen Zahlungsmittels untersagt werden soll, sodass sie so genötigt werden, ihr Geld als Kredit an eine insolvenzgefährdete Bank zu geben, während der Staat gleichzeitig festschreibt, dass die Einlagen bei den Banken entwertet werden müssen, bevor der Staat selbst einspringt.

 Die extreme Niedrigzinspolitik, die durch ein Zurückdrängen des Bargelds ermöglicht würde (und wohl auch werden soll, siehe 3 b,c,d) hat sehr ungünstige Verteilungswirkungen. Denn die schnellste und einfachste Methode für Banken und Einleger, unerwünschte Zentralbankguthaben los zu werden, die negativ verzinst werden, ist es, Aktien, Anleihen oder Immobilien zu kaufen. Das treibt die Preise für Vermögenswerte überproportional nach oben.[5] Vermögenswerte sind bei den Vermögenden konzentriert. Ablesbar ist diese Wirkung an den im Zuge der extrem lockeren Geldpolitik der großen Notenbanken der letzten Jahre stark gestiegenen Vermögen der sehr Reichen und die dadurch steigende Vermögenskonzentration.  Dagegen machen Bankeinlagen als Mittel der Geldanlage vor allem im unteren und mittleren Vermögensbereich einen großen Teil des Gesamtvermögens aus. Daraus lässt sich folgern: Die Regierungen sind zwar nicht befugt, sich in die Geldpolitik der Notenbank einzumischen. Sie sind aber auch nicht gehalten, durch (rechtlich fragwürdige) gesetzgeberische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Notenbank eine Politik mit unerwünschten Verteilungswirkungen noch verstärken kann.

 

Zu 5. Privatsphäre

 Über die in den Anträgen problematisierte Feststellung hinaus, dass die Banken und Finanzdienstleister unbare Transaktionen dauerhaft speichern, ist festzustellen:

 Anders als etwa Telekommunikationsunternehmen, wo die Vorratsdatenspeicherung zu recht stark problematisiert wurde, speichern Finanzdienstleister nicht nur Metadaten, sondern alle Transaktionsdaten. Noch wichtiger: Sie speichern sie nicht nur, sie sind verpflichtet, die Daten laufend und annähernd in Echtzeit auf verdächtige Muster hin zu untersuchen und Verdachtsfälle zu melden. Das bedeutet, es ist Standard, dass unsere Finanzdaten laufend automatisiert mittels Computeralgorithmen überwacht und analysiert werden.

Folgerung: Ein totalitärer Staat mit Kontrolle über die Algorithmen hätte nahezu unbegrenzte Möglichkeiten unser Leben zu überwachen und zu steuern, sowie unliebsame Personen und Institutionen durch Abkopplung vom Zahlungsverkehr zu neutralisieren, wenn die Möglichkeit der Nutzung des anonymen Bargelds entfällt oder stark eingeschränkt ist.

 

Zu 6: Rechtswidrigkeit

 Nach §14 Bundesbankgesetz sind Euro-Banknoten einziges unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel in Deutschland. Es gehört zum Wesen des (einzigen)unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittels, dass man damit jegliche inländische Geldschuld begleichen kann, soweit nicht vorher auf freiwilliger vertraglicher Basis etwas anderes vereinbart wurde. Das hat unter anderem auch die EU-Kommission auf Basis der Ergebnisse einer Arbeitsgruppe aller EU-Finanzministerien und Notenbanken 2010 festgestellt.[6]

 Nach Artikel 128 VAEU sind Euro-Banknoten und Münzen gesetzliche Zahlungsmittel im Euroraum. Das ist EU-Primärrecht, das von nationalen Gesetzgebern nicht angetastet werden kann. Die von einzelnen EU-Staaten erlassenen Verbote, bestimmte Geldschulden mit Noten und Münzen zu begleichen, dürften daher EU-rechtswidrig sein. Entsprechende Stellungnahmen und Ausarbeitungen gibt es vom Frankfurter Professor für Geld und Währungsrecht, Helmut Siekmann[7], Herausgeber eines juristischen Kommentars zur Währungsunion, und seinem Chemnitzer Kollegen Ludwig Gramlich[8], Verfasser einer Kommentierung des Bundesbankgesetzes.

 Um die Eigenschaft von Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel und den sich daraus ableitenden Annahmezwang und das Recht zur Nutzung abzuschaffen oder einzuschränken, bedarf es einer Änderung des Vertrags über die Arbeitsweise der EU.

 Für Deutschland hat der Bundesgerichtshof zuletzt am 28.7.2015 – (XI ZR 434/14) geurteilt, dass nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG „jede Geldschuld durch Barzahlung des Nennwertbetrags erfüllt werden“ kann. Das Bundesbankgesetz könnte der Bundesgesetzgeber zwar ändern, es wiederholt aber im Wesentlichen nur die Vorschrift auf Artikel 128 VAEU. Diesen kann der deutsche Gesetzgeber nicht ändern.

 Zu 7: Alternatives Zahlungsmittel

 Wie unter Punkt 4 ausgeführt, ist es nicht wünschenswert und möglicherweise auch nicht zulässig, die Eigenschaft von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel einzuschränken oder abzuschaffen, solange der Gesetzgeber kein alternatives, insolvenzgesichertes und das Recht der Bürger auf Schutz der Intimsphäre wahrendes gesetzliches Zahlungsmittel bereitstellt.

 Dazu gäbe es verschiedene Möglichkeiten, die hier nur kurz angeführt werden sollen. Eine politische Diskussion hierüber ist dringend notwendig. Es ist ein Versäumnis des Gesetzgebers, dass er, nachdem er den Geschäftsbanken Befugnis zur Emission von Banknoten entzog und Banknoten zum staatlich emittierten gesetzlichen Zahlungsmittel machte, trotz der weiteren Entwicklung des Bankwesens hin zu einer immer größeren Bedeutung unbaren Geldes tatenlos blieb  und nicht einmal diskutierte, ob man nicht, aus den gleichen Gründen wie bei Banknoten, für insolvenzsicheres Buchgeld sorgen sollte. Diese politische Diskussion muss geführt werden. Denn es versteht sich keineswegs von selbst, dass das von den Geschäftsbanken in Eigeninteresse emittierte Buchgeld auch gesamtwirtschaftlich die beste Lösung ist. Da der Staat diese kurzfristigen Verbindlichkeiten der Geschäftsbanken zu einem quasi-gesetzlichen Zahlungsmittel macht, indem er es für Steuer- und sonstige Zahlungen akzeptiert und da er außerdem durch staatliche wiederkehrende Bankenrettungen zur Sicherung des Zahlungsverkehrs in Anspruch genommen wird, ist eine derartige Diskussion mehr als legitim. Die Entscheidung über die Art des Geldsystems darf  nicht allein den ungewählten Experten in den Zentralbanken überlassen werden, die historisch und tatsächlich – u.a. durch engste personelle Verflechtungen – eine große Nähe zu den Interessen der privaten Bankbranche aufweisen.

 In einem Interview mit dem Verfasser hat selbst Harvard-Professor Ken Rogoff gefordert, zuerst müssen den Bürgern eine insolvenzgesicherte Alternative geboten werden, wobei er Alternativen a. und b. der folgenden Auflistung nannte.[9]

 Einige der Möglichkeiten sind: 

  1. Alle Bürger und Unternehmen haben ein Anrecht, mindestens ein Basiskonto bei der Deutschen Bundesbank zu führen.
  2. Alle Bürger und Unternehmen haben ein Anrecht, mindestens ein Basiskonto bei einer staatlich garantierten oder geführten Bank zu führen, etwa nach dem Vorbild früherer Postsparkassen.
  3. Der Status von Bankeinlagen auf Zahlungsverkehrskonten wird dahingehend geändert, dass sie zu Sondervermögen außerhalb der Bankbilanzen werden, ähnlich wie Fondanteile. Die Guthaben bleiben damit Eigentum der Einleger. Sie sind bei einem Konkurs der Bank nicht Teil der Konkursmasse. Der Zahlungsverkehr ist also von Bankenpleiten nicht oder kaum betroffen.

 Diese Auflistung ist nicht erschöpfend.

 


 

[1] Handelsblatt-Online 11.4.2016: „EZB-Expertin steht zum Cash“

[2] Beschränkungen der Bargeldnutzung  werden von der „Besser als Bargeld Allianz“ wohlwollend kommentiert (Z.B. hier: Cashless Nigeria: Facilitating the Transition to Digital Payments, von  Ruth Goodwin-Groen, November 12, 2015 auf der Website der Alliance.) Dies steht in eklatantem Widerspruch zum vorgeblichen Ziel die finanzielle Inklusion zu fördern, denn für die Bedürftigsten, mit dem geringsten Zugang zu elementaren Finanzdienstleistungen ist die Nutzung von Bargeld der erste und mit Abstand am leichtesten zu gehende Schritt zur finanziellen Inklusion. Kleinstunternehmer können problemlos Bargeld annehmen. Für andere Zahlungsmethoden brauchen sie eine spezielle Infrastruktur. Wird darauf verzichtet, die Bargeldversorgung in der Fläche zu verbessern, oder wird diese sogar behindert, wird entgegen der vorgeblichen Intention die Teilnahme von Teilen der Bevölkerung am Zahlungsverkehr erschwert. Das gilt selbst für ein reiches, digital-technisch sehr fortgeschrittenes Land wie Schweden, wie aus einer Stellungnahme der Schwedischen Reichsbank vom 16.3.2016 hervorgeht, in der sie davor warnt, die schnelle Zurückdrängung des Bargelds führe zu Problemen für bestimmte Gruppen und Regionen, den Anschluss an den Zahlungsverkehr zu behalten („Remissyttrande om Tillgång till betalkonto med grundläggande funktioner Delrapport 2 från 2015 års betaltjänstutredning“).

[3] Siehe Norbert Häring: „Ist Bares noch Wahres?“ Handelsblatt 18.05.2016.

[4] Das vom Finanzministerium unter Berufung auf die Studie angegebene Volumen der jährlichen Geldwäsche in Deutschland von 100 Mrd. Euro pro Jahr erscheint weit übertrieben. Die zu Grunde liegende Untersuchung von Kai Bussmann: „Dunkelfeldstudie zum Umfang der Geldwäsche in Deutschland und über die Geldwäscherisiken in einzelnen Wirtschaftssektoren (15. August 2015)“ ist bisher unveröffentlicht. Nur eine Kurzfassung wurde veröffentlicht. 

[5] Siehe dazu u.a. Flossbach von Storch Research Institut: „FVS Vermögenspreisindex Q4 2015 Rekordjahr der Vermögenspreise.

[6] EU-Kommission: “Paying with euro cash in the euro area: Commission recommendation on the legal tender of the euro, 22.3.2010”.

[7] Zitiert u.a. in Norbert Häring: „Darf der Staat das gesetzliche Zahlungsmittel verbieten?“ Handelsblatt, 18.5.2015.

[8] Ludwig Gramlich: „Zahlungsformen und –modalitäten im Lichte des Geld- und Währungsrechts – am Beispiel des Rundfunkbeitrags.“ Kommunikation & Recht, 10/2015.

[9] Norbert Häring: Ken Rogoff – „Die Ausgabe großer Scheine stoppen“. Handelsblatt 18.05.2015.

 

Auch zum Thema:

Stellungnahme der Bundesbank zur Anhörung

 

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