Justizminister Maas überlässt Datenschutzstandards im vernetzten Auto der Industrie

Heiko Maas hat im  Handelsblatt einen verräterischen Beitrag zum Datenschutz im vernetzten Auto geschrieben. Er fordert, der Mensch müsse im intelligenten Auto die Hoheit über seine Daten behalten. Aber er schafft es, ohne die Wörter „ich“, „Regierung“, „Justizministerium“ oder Andeutungen konkreter Absichten oder Initiativen auszukommen, als schriebe hier nicht der Justizminister, sondern ein besorgter Bürger. Er kuscht erneut vor Gabriel.

Lernfähigkeit beweist der Minister damit immerhin, hat er sich doch in Sachen Vorratsdatenspeicherung ohne erkennbaren Widerstand von seinem industriehörigen Parteichef und Wirtschaftsminister umknicken lassen. Wie groß wären die Chance, dass dieser Heiko Maas, wenn er denn irgendwelche Absichten formulieren würde, Datenschutz im vernetzten Auto tatsächlich per Gesetz durchzusetzen, gegen Sigmar Gabriel und sein Bündnis für Industrie bestehen könnte?

Wem die Antwort nicht gleich einfällt, der lese diese kurze Passage aus einem Interview Gabriels mit dem Deutschlandfunk von März:

Deutschlandfunk: Herr Gabriel, in den kommenden Tagen werden wir wieder viel über zunehmende Vernetzung, über sogenannte intelligente Netze, über große Datenmengen und ihre Aussagekraft und nicht zuletzt über den Wandel in der Industrie hin zur sogenannten Industrie 4.0 hören. … Für Sie, als Wirtschaftsminister, was sind denn die größten digitalen Herausforderungen, die die Wirtschaft der Bundesrepublik in den kommenden Jahren meistern muss?

Sigmar Gabriel: Ja, die wichtigste Herausforderung ist natürlich, dass völlig neue Wertschöpfungen entstehen und nicht klar ist, ob eigentlich … die Innovation weiter bei uns bleibt oder ob sie durch neue Wertschöpfungen eher zu denen wandern, die die Daten darüber haben. Denn die Wertschöpfungen werden ja dort entstehen, wo die Nutzung solcher Produkte Daten erzeugen und man aus diesen Daten neue Geschäftsmodelle macht. Und die werden natürlich Rückwirkungen haben auf Innovationen, auf Forschung oder auf Entwicklung – und das ist noch nicht ausgemacht. Das ist die größte Herausforderung, vor der wir stehen.“

Gabriel sagt hier: Aus den Daten werden Geschäftsmodelle gemacht, das ist gesetzt. Es geht nur noch darum, ob das bei uns geschieht oder im Silicon Valley.

Maas will, dass die deutschen und europäischen Autobauer auf diese Geschäftsmodelle verzichten.Das ist nicht ganz das, was sein Parteichef im Sinn hat. Dann doch lieber im Allgemeinen bleiben und feststellen, dass „wir Menschn nicht zum bloßen Objekt von Technik und Märkten werden“dürfen und deshalb „beim Autobau der Zukunft sieben Punkte beachtet werden müssen.“ Der Justizminister appelliert also an das freiheitlich-bürgerschaftliche Empfinden der Autobauer, dass sie den Datenschutz berücksichtigen, indem sie ihm per „Privacy Design“ die Arbeit abnehmen, die er gern machen würde, aber nicht darf, weil eben jene Autobauer sich sonst beim Dicken über ihn beschweren würden. Aber vielleicht machen sie es ja, wenn sie nicht per Gesetz gezwungen werden sollen, sondern einfach so von sich aus. Man soll ja die Hoffnung nie aufgeben.

„Datenveremeidung und Datensparsamkeit müssen leitende Grundsätze sein“, fordert er, immer noch von den Autobauern offenbar. Sie sollten Daten nur kurzfristig speichern, wenn sie nur kurzfristig gebraucht würden. Klar: Die Autobauer werden bestrebt sein, das wertvolle Gut Kundendaten so schnell wie möglich zu vernichten, nachdem man es produziert hat, wenn der Bürger Heiko Maas das für ein Muss hält.

Und so geht es weiter mit unverbindlichen Wünschbarkeiten, bis der Justizminister mit der Aufforderung an uns alle zum Schluss kommt: „Weil Menschen die Freiheit behalten müssen, über ihr Verhalten selbst zu entscheiden, müssen sie über die Verwendung ihrer Daten autonom entscheiden.“

Man beachte: Da steht kein „können“ oder „dürfen“ am Ende. Im Schlusswort schiebt der besorgte Bürger Heiko Maas uns selbst die Verantwortung zu. Mir wäre ein Justizminiser lieber. Im Abspann unter seinem Kommentar im Handelsblatt wird er schließlich nicht als „besorgter Bürger“ vorgestellt, sondern mit dem Amt, das er formal bekleidet: Justizminister.

P.S. (16.7):  Dass die Erwähnung irgendwelcher Initiativen nicht bloß vergessen wurde, sieht man an folgendem Bericht:

Gesetzesänderungen hierzu will Maas nach Informationen der Zeitung nicht ausschließen. Die Hersteller müssten jedoch auch von selbst darauf achten, ihre Systeme so auszurichten, „dass möglichst wenige Daten erhoben werden und die Datenverarbeitung auf ein Minimum beschränkt wird“, erklärte der Minister.“ Die Überschrift des Berichts: „Maas will ‚gläserne Autofahrer‘ vermeiden“ müsste also korrekt heißen „Maas will nichts dagegen unternehmen, dass Autofahrer gläsern werden“

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