Warum Frauen weniger verdienen

Frauenarbeit wird schlechter bezahlt. Das Statistische Bundesamt hat einen „unbereinigten“ Lohnabstand von 21 Prozent ermittelt. Bedeutet das, dass Frauen am Arbeitsmarkt diskriminiert werden? Die Wissenschaft sagt ja: Diskriminierung ist Teil der Erklärung. Das geht aus einem jüngst veröffentlichten, besonders guten und umfassenden Überblick über den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zum Thema hervor.

Das Statistische Bundesamt relativiert die unbereinigte Lohnlücke von 21 Prozent so:  „Die wichtigsten Gründe für die Differenzen der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste waren Unterschiede in den Branchen und Berufen, in denen Frauen und Männer tätig sind, sowie ungleich verteilte Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation.“

Also: 1. Frauen arbeiten in weniger gut bezahlten Berufen, oder anders herum ausgedrückt: Frauenberufe werden schlechter bezahlt. 2. Frauen sind weniger in (besser bezahlten) Führungspositionen vertreten oder anders herum ausgedrückt: Fraue kommen nicht so leicht in Führungspositionen.

Welche Interpretation jeweils die treffendere ist, ist schwer zu sagen. Dahinter verbirgt sich ein kaum entwirrbares Gemenge aus freien Entscheidungen und ungerechtfertigten Benachteiligungen. Ohne eine differenzierte Analyse kommt man daher bei der Frage nicht sehr weit, ob Frauen am Arbeitsmarkt diskriminiert werden – und was sich dagegen machen lässt.

Das Ökonomen-Ehepaar Francine Blau und Lawrence Kahn von der New Yorker Eliteuniversität Cornell haben einen Fachaufsatz vorgelegt, in dem sie ausführlich auf die verschiedenen Mess- und Erklärungsansätze für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen eingehen. In „The Gender Wage Gap: Extent, Trends, and Explanations“ stellen sie dar, wie Frauen lange Zeit stabil nur rund 60 Prozent dessen verdienten, was Männer bekamen. Und wie der Abschlag ab den 80er-Jahren beträchtlich schrumpfte, bis auf 21 Prozent im Jahr 2014. Das ist zufällig der gleiche Wert, wie ihn das deutsche Statistikamt berechnet hat. Blau und Kahn befassen sich zwar fast nur mit den USA, gehen aber davon aus, dass sich viele ihrer Befunde auf andere westliche Länder übertragen lassen. Der größte Teil der Aufholjagd der Frauen geschah in den 80er-Jahren, seit 2010 scheint nicht mehr viel passiert zu sein. Am geringsten waren die Gewinne der Frauen relativ zu den Männern in den oberen Gehaltssegmenten.

Zwar nahm der Anteil der Frauen in Führungspositionen deutlich zu, gleichzeitig weitete sich aber der Gehaltsrückstand von Führungspositionen in stark von Frauen besetzten Branchen deutlich aus. Zynisch könnte man sagen, wenn Frauen eine Branche erorbern, oder bestimmte Führungspositionen, dann sinkt das Gehalt, relativ zu anderen Branchen oder Führungspositionen.

Diskrminierung erklärt einiges

Dass Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle spielt, wird anhand der Feldexperimente und Laborexperimente deutlich, die Blau und Kahn in ihrem Literaturüberblick anführen. So wurde etwa festgestellt, dass deutlich mehr Frauen bei Symphonieorchestern zum Zuge kamen, nachdem diese auf „blindes Vorspielen“ umgestiegen waren, bei dem das Geschlecht der Vorspielenden für die Entscheider nicht erkennbar ist. Experimente, bei denen gleichwertige Bewerbungsunterlagen mal mit weiblichen, mal mit männlichen Bewerbernamen versehen wurden, zeigten ebenfalls sehr viel bessere Chancen für Männer auf. Andere Experimente legen nahe, dass Frauen – entgegen den objektiven Tatsachen – weithin geringere Fähigkeiten bei mathematisch-naturwissenschaftlichen Aufgaben zugetraut werden.

Ein ergänzender Erklärungsstrang, der in letzter Zeit populärer geworden ist, führt Gehaltsnachteile von Frauen auf deren schwächer entwickelte Fähigkeiten und Neigungen zu hartem Verhandeln und zu ehrgeizigem Konkurrenzverhalten zurück. Eine ganze Reihe von Feldexperimenten und Laborversuchen hat eindrucksvoll gezeigt, dass Frauen sich schwerer tun, Beförderungen oder Gehaltserhöhungen zu verlangen. Zudem agieren sie in Konkurrenzsituationen oft weniger aggressiv als Männer, insbesondere wenn sie mit diesen konkurrieren.

Egal was frau macht, es ist falsch

Offen ist jedoch, inwieweit diese Verhaltensunterschiede vom Geschlechtsunterschied abhängen oder einfach nur eine Anpassung der Frauen an soziale Erwartungen darstellen. Studien haben nämlich auch gezeigt, dass Männer für selbstbewusstes Auftreten und Konkurrenzneigung mit Karrierevorteilen belohnt werden, Frauen aber nicht. Offenbar wird entsprechendes Verhalten von Frauen als rollenwidrig wahrgenommen und mit negativen sozialen Reaktionen bedacht – eine Zwickmühle, aus der einfache Verhaltenstipps nicht heraushelfen. „Psychologische Attribute sind kein Patentrezept für das Verständnis von Geschlechterunterschieden am Arbeitsmarkt“, schließen Blau und Kahn. Auch ihre Literaturübersicht habe ergeben, dass der quantitative Beitrag dieser Attribute zur Erklärung von Gehaltsdifferenzen nur gering bis mäßig ist.

Derartige Rückkopplungen machen es schwer, echte Diskriminierung von statistischer Diskriminierung trennscharf zu unterscheiden und deren quantitative Bedeutung zu messen. Statistische Diskriminierung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber bestimmten Gruppen, zum Beispiel Frauen, bestimmte Eigenschaften zuschreibt. Diese können im Durchschnitt auch korrekt sein, etwa wie leistungsbereit und verlässlich sie relativ zu Männern sind. Das Problem: Geringere Produktivität oder höhere Fluktuation kann eine Folge echter Diskriminierung sein. Wenn etwa Frauen in diskriminierender Weise weniger verdienen und weniger befördert werden, dann kann das dazu führen, dass sie auch weniger leistungsbereit und leistungsfähig werden – und so statistische Diskriminierung scheinbar rechtfertigen.

Selbstverstärkende Vorurteile

Denn wenn Frauen weniger verdienen und schlechtere Karrierechancen haben als ihre männlichen Partner, gibt es auch weiterführende Anreize. Das Haushaltseinkommen wird maximiert, wenn die Frau zugunsten der Kinderbetreuung die Belange des Arbeitgebers hintanstellt und nicht der Mann. Ein etwaiges Vorurteil, dass man sich auf Frauen weniger verlassen kann, würde so bestätigt und verfestigt. Das führt dann wieder zu statistischer Diskriminierung, wie sie sich in dem Befund ausdrückt, dass Mütter Karrierenachteile erleiden, während der Vaterstatus dem beruflichen Aufstieg nicht schadet.

Auch abseits der Kinderbetreuung können solche Karriere- und Gehaltsnachteile dazu führen, dass Frauen weniger in die eigene Karriere investieren und sich so das Vorurteil geringerer Produktivität bestätigt und verfestigt. Maßnahmen, die vor allem Unternehmen die Kosten für etwas aufbürden, was dann vorhersehbar vor allem von Frauen in Anspruch genommen wird, wie etwa die Elternzeitregelungen kombiniert mit dem Elterngeld, erscheinen unter diesen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Denn sie sind eher geeignet, statistische Diskriminierung zu verstärken, als sie abzubauen.

Dummdreiste Elterngeldregelung

Die Ausgestaltung des Elterngeldes, wie es die große Koalition 2006 beschloss, ist in diesem Zusammenhang schon fast dummdreist zu nennen. Das Elterngeld verlängert sich um zwei damals heftig umstrittene „Papamonate“, wenn auch der zweite Ehepartner mindestens zwei Monate Elternzeit in Anspruch nimmt.  Die richtige Idee: Die Rückkopplung sollte durchbrochen werden, wonach aus finanziellen Gründen vor allem Frauen die Elternzeit in Anspruch nehmen, und deshalb (potentielle) Mütter am Arbeitsmarkt statistisch diskriminiert werden. Gegen mehr als den schließlich beschlossenen verlängerten Babyurlaub für die Väter auf Staatskosten opponierten in der Regierung Teile der Union (die wohl das traditionelle Rollenbild bewahren wollten) und in der Oppostion ganz heftig die FDP (die wohl ihrer gut verdienenden, fast nur männlichen Klientel nicht zumuten wollte, auf Geld zu verzichten oder Windeln zu wechseln). Zwei Monate Abwesenheit männlicher Führungskräfte und Spezialisten sind für Unterehmen ohne großen Zusatzaufwand überbrückbar, im Gegensatz zur sehr viel längeren typischen Elternzeit von Frauen. Deshalb ist diese Maßnahme völlig ungeeignet die Erwartung der Unternemen zu dämpfen, dass man eher Fluktuationsprobleme wegen Elternzeit bekommt, wenn man Frauen einstellt, mit wichtigen Aufgaben betraut oder befördert. Wollte man das Ziel ernsthaft erreichen, dürfte man zwei zusätzliche Monate nur gewähren, wenn jeder Elternteil mindestens vier oder eher sechs Monate Elternzeit in Anspruch nimmt. Dann wäre der Unterschied in der Zeitdauer der Abwesenheit vom Betrieb nicht mehr so groß und die Botschaft an Arbeitgeber wäre: Nicht nur Frauen, auch Männer müssen zeitweise ersetzt werden, wenn sie Kinder bekommen.

[3.12.2017]

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