Antithese
Lieber Herr Häring,
Ich schätze ihre Arbeit sehr, muss mich aber bezüglich Ihres Artikels zu dieBasis mit einer anderen Sichtweise an Sie wenden. Ich will das mal als Antithese zu Ihrem Artikel (These) bezeichnen, was dann im besten dialektischen Sinne zu einer den Diskurs bereichernden Synthese führen könnte. Sie sprechen in Ihrem Artikel vom Politikverständnis der Basisdemokraten von dieBasis und erläutern dies auch etwas weiter unten im Text, nämlich „dass die jeweils Betroffenen über die Dinge entscheiden sollen, die sie selbst angehen“.
Missverständnisse über Demokratie – aus Anlass des Parteitags von dieBasis
In Ihrem Artikel stellen Sie dies u.a.in einen Zusammenhang mit einem fehlenden Wahlprogramm. Zur Anmerkung, ich selbst als Basismitglied finde, dass wir ein Wahlprogramm oder vielleicht besser Leitideen erstellen sollten. Jedoch wird dieses dann in nichts den Programmen der etablierten Parteien gleichen. Im Weiteren setzen Sie diesen basisdemokratischen Ansatz in Bezug zu einer libertären Ideologie, wie sie von den Unternehmen des Silicon Valley vertreten wird. Schlagworte hierzu von Ihnen angeführt: Vernetzung und Mitwirkungsmöglichkeit aller, Autonomie des Einzelnen, Zusammenführen von Präferenzen der Einzelnen über digitale Technologie zu einem Gesamtwillen.
Meines Erachtens liegt hier einerseits der theoretische Denkfehler Ihres Artikels vermischt mit dem strukturellen Fehler, verschiedene theoretische Konstrukte ohne weitere Ausführung plakativ zu verwenden. dieBasis möchte sich gerade mit Ihrem basisdemokratischen Grundsatz von jeglicher Ideologie unabhängig machen. Das dieser Ansatz dann mit Teilen anderer Theorien wie dem von Ihnen angeführten Libertarismus und dessen individualistischem Anspruch von Freiheit von äußerem Zwang zusammentrifft sollte dann jedoch in Beziehung zu einer gemeinschaftlichen Sichtweise von Demokratie gesetzt werden.
Dieses Demokratieverständnis zeichnet sich dadurch aus, dass sich alle Bürger, unabhängig von der Philosophie jedes Einzelnen, bei Entscheidungen von unmittelbarer Betroffenheit für den Einzelnen mitwirken können. Dies hat nun wirklich nicht viel mit der von Ihnen angesprochenen Ideologie gemein. Individualität und Gemeinschaft sind hier nicht als Gegensätze sondern als Teile eines Ganzen, dass nicht durch Ideologiebegriffe getrennt werden kann zu verstehen.
Natürlich verleiten die von Ihnen erwähnten Begriffe der Vernetzung und digitalen Technologie zur Abbildung des Gesamtwillens die Parallele zu den Unternehmen des Silicon Valleys mit Ihrer Streben nach technokratischer Macht zu ziehen. dieBasis ist jedoch weder ein auf maximalen Gewinn orientiertes Unternehmen noch eine nicht-transparente Organisation, die Ihre Einflussnahme zu verschleiern versucht.
Im Programm der Partei, wenn man denn von einem Programm sprechen möchte, stehen in vorderster Reihe die Forderungen nach einer Freiheit, die wohlgemerkt durch das Grundgesetz und die Menschenrechte definiert ist. Machtbegrenzung, die Transparenz der Abläufe und Interessen als Voraussetzung hat, Achtsamkeit gegenüber anderen Menschen, um einen friedlichen und freiheitlichen Umgang zu fördern, sowie die Schwarmintelligenz, zu deren Durchführung und Konsensierung es natürlich technologischer Mittel bedarf. Dies führt aber zu keiner digitalen Kontrolle, da alle zur demokratischen Meinungsfindung nötigen Technologien offen und transparent abgebildet und von den Bürgern kontrolliert werden.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ihr Missverständnis der Demokratie auf einem Missverständnis Ihrerseits der Partei dieBasis beruht. Ihr Text befindet sich leider in der alten Schwarz-Weiß-Routine, die wir überwinden müssen. Ideologie, digitale Technokratie, Silicon Valley sind in diesem Zusammenhang Konzepte von denen wir uns entfernen sollten hin zu basisdemokratischem Konsens, freiheitlicher Mitbestimmung, Kontrolle und Machtbegrenzung von digital und global operierenden gesellschaftlich relevanten Unternehmen.
Die BürgerInnen dürfen hier, nach Ihren Worten, nicht nur Schwarmintelligenz spielen, sondern sind als staatsbildende Entscheidungsakteure als für Ihre Zukunftsgestaltung mitverantwortlich zu sehen und zu respektieren. Leider verfallen Sie hier in einen infantilisierenden Unterton, der dem Anspruch und der Wichtigkeit der Partei und Ihres Demokratieverständnisses in keinster Weise gerecht wird. Ich hoffe, dass ich Sie mit meinen Zeilen zum Weiterdenken anregen konnte.
Mit besten Grüßen,
Ralf Spielmann