25. 11. 2016 | Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Christoph M. Schmidt, war am 24.11. bei Maybrit Illner um über die Rente zu diskutieren. In einem Einspielfilm wurde das österreichische Rentensystem vorgestellt, das eine sehr viel bessere Rente gewährt als das deutsche. Wie geht das?, war die Frage. Christoph Schmidt und die anderen Rentenkürzungsexperten hatten keine Ahnung.
Es war eine Talkshow-Sternstunde, die Maybrit Illner da produzierte. Auf ihre Frage, warum in Österreich geht, was bei uns angeblich unmöglich ist und zum Zusammenbruch der Wirtschaft führen würde, sagte die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die die Kürzungen im deutschen System im Großen und Ganzen verteidigte: „ Das kann ich jetzt auch ad hoc nicht nachvollziehen … (und) … es ist sehr schwer, solche Vergleiche abstrakt zu fassen.“ Deshalb wollte Illner von Paul Ziemiak von der Jungen Union wissen, warum wir ein System der gesetzlichen Rente (wie in Österreich) kaputt gemacht haben, wenn es vielleicht viel effizienter und einfacher wäre, als das, was wir jetzt haben. Er hatte keine Antwort: „Ich kann ihnen das jetzt nicht vorrechnen, warum …“
Dann kam der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph M. Schmidt, dran, die hartnäckig wiederholte Frage zu beantworten. Der Sachverständigenrat für Wirtschaft hat unter seiner Ägide gerade erst wieder ein Jahresgutachten vorgelegt, nicht zum ersten Mal mit einem Kapitel zur Rente, in dem die vier arbeitgebernahen Weisen gegen ein gewerkschaftsnahes Minderheitsvotum für späteren Renteneintritt, geringere gesetzliche Rente und mehr kapitalgedeckte Rente eintreten. Er muss es also wissen, warum das in Österreich mit der gesetzlichen Rente so gut funktioniert. Oder?
„Ich glaube, dass Frau Dreyer schon recht hatte, als sie sagte, wir müssten schon mehr wissen über das österreichische System als die Zahlen, die wir hier vorliegen haben.“
Ganz recht, Herr Schmidt. Ein Sachverständigenrat, der jahrelang über dieses Thema scheinbar wissenschaftlich schreibt, sollte nicht nur, er MUSS sogar mehr wissen über dieses System. Tut er aber offenbar nicht. Alles was Schmidt dazu einfällt ist, Probleme-insinuierende Fragen zu stellen:
„Also insbesondere ist UNKLAR, wie die Tragfähigkeitslücke ist, wie das Verhältnis der Generationen zueinander ist, wie sich das entwickeln wird. Es ist ja nicht ganz einfach, das alles MIT EINEM BLICK zu durchschauen. Ich könnte mir gut VORSTELLEN, dass ein so generöses System wie das österreichische irgendwann an die gleiche Fragestellung kommt und zu gleichen Lösungen kommen wird, nämlich, dass man eine große Reform braucht. Aber ich kann es Ihnen nicht wirklich sagen, denn dafür … (unhörbar)“
Natürlich sind solche Dinge UNKLAR, wenn man sich nicht damit befasst. Dass es nicht einfach ist, so etwas MIT EINEM BLICK zu durchschauen, sollte für Wissenschaftler und Regierungsberater kein Grund sein, sich nicht damit zu befassen, und es dabei zu belassen, dass man sich etwas VORSTELLEN Kann. Ob die vier arbeitgebernahen „Sachverständigen“ sich nicht damit befassen WOLLEN, weil das Ergebnis nicht zu ihrer vorgefassten Empfehlung passen würde? Das ist UNKLAR, man kann so etwas nicht MIT EINEM BLICK erfassen, aber ich kann mir sehr gut VORSTELLEN, dass es so ist.
Als Antonio Brettschneider von der Fakultät für Bildungswissenschaften der Uni Duisburg die Fragen von Illner beantwortete, und auch die von Schmidt, indem er ausführte, die Tragfähigkeit des österreichischen Systems sehe gar nicht schlecht aus, und letztlich sei das eine politische Entscheidung, welches der Systeme man wähle, und keine der Durchführbarkeit, da hatte Schmidt mangels jeglicher Kenntnis nichts entgegenzusetzen.
Wie ich bereits aus anderem Anlass ausführte: Die Arbeit dieser „Sachverständigen“ ist ein Fall für den Rechnungshof und der federführende Wirtschaftsminister von der SPD darf sich solche „Gutachten“ nicht länger bieten lassen und teuer bezahlen.
P.S. (28.11): Falls Herr Schmidt oder wenigstens der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats sich vor dem nächsten Gutachten über das österreichische Rentensystem informieren möchten, finden Sie beim WSI eine Studie dazu.
Dossier zu den tricksenden und täuschenden Wirtschaftsweisen