Die USA ignorieren WTO-Regeln und legen sich mit China an. Die Hauptverlierer der Trumpschen Handelskriege hat bei uns kaum jemand auf dem Schirm. Viele Entwicklungsländer sehen darin auf verschiedenen Ebenen eine sehr ernste Gefahr für ihre wirtschaftliche Entwicklung.
Der Handelsstreit der USA mit China könnte bei großen Handelspartnern der USA. wie zum Beispiel Europa, großen Schaden anrichten. Doch getreu dem afrikanischen Sprichwort „Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras“, sind die Hauptleidtragenden die kleinen, ärmeren Länder, die kaum jemand auf dem Schirm hat.
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„Afrika ist viel abhängiger vom Überseehandel als Europa, wo 63 Prozent des Handels innerhalb der Region stattfindet.“
Das schreibt Dirk Kohnert vom Institute for African Affairs in Hamburg in einem Ende Oktober im „Review of African Political Economy“ veröffentlichten Fachaufsatz. In Afrika gäbe es nur sehr wenig innerregionalen Außenhandel. Wegen ihrer geringen eigenen Wirtschaftskraft tauchten die afrikanischen Länder zwar weit hinten in den Ranglisten der wichtigsten US-Lieferanten auf. Aber zum Beispiel für Südafrika und Ägypten seien die Stahlexporte in die USA von beträchtlicher Bedeutung für die Volkswirtschaft.
Für das South Center, ein von 51 Entwicklungsländern getragenes Forschungszentrum in Genf, geht es im Handelsstreit auch darum, erfolgreiche Schwellenländer kleinzuhalten, notfalls um den Preis einer Schädigung der Welthandelsorganisation und des freien Handels. Das schreibt das Zentrum in einer Studie zum Protektionismus der Trump-Regierung („US Section 301 actions“), die im September veröffentlicht wurde.
Wenig überraschend ergreift das South Center Partei für China, gelten doch dessen dramatische Entwicklungserfolge als Vorbild und Hoffnung für die Länder des Südens. Wenn das Erfolgsrezept Chinas angegriffen wird, fühlen sich andere in ihren Entwicklungsaspirationen ebenfalls bedroht. Besondere Gefahr sehen sie darin, dass die US-Regierung ihre Aktionen gegen China nicht durch die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) legitimiert, sondern sie mit nationalen Vorschriften – Paragraf 301 des US-Handelsgesetzes – begründet. Das öffnet aus Sicht des South Center willkürlichen Handelsbeschränkungen Tür und Tor, gegen die sich Entwicklungsländer am allerwenigsten wehren können.
Druck auf die Kleinen
Schon jetzt werden Entwicklungsländer immer wieder Ziel direkter Sanktionen, wenn US-Handelsinteressen betroffen sind. Kohnert nennt das Beispiel der ostafrikanischen Länder Kenia, Uganda, Tansania und Ruanda, die beschlossen hatten, ab 2019 keine Importe gebrauchter Kleidung mehr zuzulassen, um ihre heimische Textilindustrie vor dem Niedergang zu retten. Daraufhin drohte die US-Regierung mit dem Entzug von Zollpräferenzen. Drei der vier Länder gaben klein bei.
Washington begründete die Strafzölle gegen China, die es im Juli verhängt und danach immer weiter ausgeweitet hatte, mit dem Paragrafen 301 des Handelsgesetzes. Vorausgegangen war eine Untersuchung des US-Handelsbeauftragten, die der Präsident im August 2017 gefordert hatte. Donald Trumps Fazit lautete, dass Maßnahmen und Gesetze Chinas den Transfer von geistigem Eigentum amerikanischer Firmen begünstigen und die Wirtschaftsinteressen der USA schädigen könnten.
Paragraf 301 erlaubt der Regierung einseitige Abwehrmaßnahmen auch gegen Praktiken, die keine Rechte der USA nach internationalen Abkommen verletzen, wenn sie unangemessen sind und US-Unternehmen belasten.
Unter Präsident Trump setzen die USA Paragraf 301 zum ersten Mal seit rund 25 Jahren wieder gegen ein anderes WTO-Mitglied ein. Es ist eine Rückkehr zu dem, was der bekannte US-Handelsexperte Jagdish Baghwati 1991 als „aggressiven Unilateralismus“ geißelte. Die WTO hatte Paragraf-301-Aktionen seinerzeit auf eine Klage der Europäer hin als unvereinbar mit ihrem Regelwerk beurteilt.
Entwicklungserfolge als Gefahr für die Führungsmacht
Im Bericht des US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer wird deutlich, was Washington besonders aufstößt. Es ist zum einen die Strategie Chinas, von ausländischen Unternehmen zu verlangen, dass sie über Lizenzen oder innerhalb von Gemeinschaftsunternehmen Technologie transferieren. Außerdem kaufe China amerikanische Unternehmen auf, um in Besitz von US-Technologie zu kommen. Auch die chinesische Industriepolitik und insbesondere die Regierungsinitiative „Made in China 2025“ stört Lighthizer, weil eine staatlich gesteuerte Modernisierungspolitik den internationalen Wettbewerb verfälsche:
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„Das übergeordnete Ziel ist es, ausländische Technologie durch chinesische zu ersetzen, um chinesische Unternehmen dafür fit zu machen, die internationalen Märkte zu dominieren.“
So steht es ganz unverblümt in seinem Bericht. Er fürchtet erhöhten Konkurrenzdruck in strategischen Branchen, darunter Informationstechnologie, Flug- und Raumfahrtausrüstung, Automation, Robotik. „Es ist nun klar, dass die WTO-Regeln nicht ausreichen, um das marktverzerrende Verhalten Chinas einzuhegen“, schrieb Lighthizer an den Kongress.
Das South Center sieht in dieser Strategie Chinas jedoch keinen Verstoß gegen die Regeln der WTO. Die Organisation betont, dass Vorschriften zum Technologietransfer durch ausländische Investoren selbst in Industrieländern in der Vergangenheit üblich waren und es zum Teil bis heute sind.
Eine staatliche Industriepolitik mit einem besonderen Fokus auf fortschrittliche Technologien sei gerade eine Spezialität der US-Regierung. Das sieht auch Stephen Roach so, der frühere Chairman von Morgan Stanley Asien. In einem Artikel über „Schwache US-Argumente gegen China“ stellte er fest, dass die USA ihre eigene Art einer Industriepolitik hätten. Sie reichte von mit NASA und Militär verbundenen Unternehmensabspaltungen und Technologien im Bereich Internet, GPS und Halbleitern bis zur Nuklearenergie und Bildverarbeitung. Außerdem haben die USA eine ganze Reihe von Buy-american-Vorschriften für Industriegüter, die es ausländischen Anbietern sehr schwer machen, vom riesigen Markt des öffentlichen Beschaffungswesens zu profitieren.
Die südlichen Entwicklungsländer sorgen sich nicht nur darüber, dass ihnen die Möglichkeiten versperrt werden könnten, die erfolgreichen chinesischen Maßnahmen zu kopieren. Viele haben gar nicht die Möglichkeit dazu, weil sie keinen riesigen Markt wie China als Verhandlungsjoker haben. Andere Nationen sind im Schlepptau der Entwicklung Chinas hin zu Produkten mit immer höherer Wertschöpfung gesegelt. Sie haben die Branchen angezogen, für die China wegen der steigenden Löhne nach und nach zu teuer wurde. Bricht die chinesische Entwicklung aufgrund des Handelskriegs mit den USA ab, fällt für diese Länder – vor allem in Asien und Afrika – eine gute Entwicklungsoption weg.