Man kann Google und Facebook besteuern

Nationale Steuersysteme scheitern an der international aufgestellten digitalen Wirtschaft. Die angedachte Sondersteuer für Konzerne wie Google und Facebook  löst das Problem nicht. Aber es gibt andere Vorschläge.

Die vier wertvollsten Unternehmen der Welt entstammen allesamt der IT-Branche: Apple, Alphabet (Google), Microsoft und Amazon. Auf Platz sechs steht Facebook. Sie alle machen einen großen Teil ihrer Geschäfte und Gewinne in Europa. Allerdings zahlen sie alle hierzulande kaum Steuern. Die Finanzminister finden das zunehmend unbefriedigend.

„Das System der internationalen Besteuerung ist auf die Industriegiganten des 20. Jahrhunderts ausgerichtet, nicht auf das Hipster-Tech-Business der digitalen Ära“, schreiben Johannes Becker und Joachim Englisch auf der Website „Makronom“. Der Finanzwissenschaftler und der Steuerrechtler der Universität Münster haben das Prinzip der Quellenbesteuerung als Hauptproblem ausgemacht. Es besagt, dass Gewinne verbucht und besteuert werden sollen, wo sie erzeugt werden – also dort, wo Produktion und Wertschöpfung stattfinden. Wertschöpfung in einem Land setzt dabei mehr als nur Verkauf von Produkten voraus. Es braucht physische Präsenz mit Produktionsanlagen oder einer Verwaltung, die mehr als nur ausführendes Organ ist. Andernfalls würde es sich um reine Importe handeln. Auch wenn US-Autohersteller Autos nach Deutschland exportieren und an hiesige Abnehmer verkaufen, fällt der Gewinn in den USA an – die Steuern sind darum dort zu bezahlen. Unternehmen wie Twitter, Facebook oder Google unterhalten im Ausland meist allenfalls Vertriebsableger, die nicht als Betriebsstätte gelten. Aus diesem Grund ist der französische Finanzminister im Juli mit einem Versuch gescheitert, Googles Gewinne aus dem Geschäft in Frankreich zu besteuern.

Selbst wenn man eine Betriebsstätte vorfindet oder per Gesetz als „digitale Präsenz“ konstruiert, wie das erwogen wird, sind noch keine saftigen Steuereinnahmen garantiert. Denn das zweite große Problem sind die internen Verrechnungspreise, über die verschiedenen Betriebsstätten ihr Gewinnanteil zugewiesen wird. Sie müssen laut Steuerrecht im Rahmen dessen sein, was man auch mit externen Abnehmern oder Lieferanten vereinbaren würde. Aber: „Zu Google gibt es keinen adäquaten Vergleichsmaßstab. Ein Google-Patent ist einzigartig“, erklären Becker und Englisch. In der Internetbranche sind die Verrechnungspreise also viel schwerer zu kontrollieren als ohnehin schon.

Die französische Regierung fordert deswegen eine EU-weite Ausgleichsteuer – oder „Equalization Tax“ – auf Digitalunternehmen. Die anderen großen EU-Länder, auch Deutschland, haben sich der französischen Forderung angeschlossen. Große Digitalunternehmen ohne Betriebsstätte im Land sollen eine Sondersteuer auf ihren Umsatz zahlen, den sie zum Beispiel mit Werbung in diesem Land erzielen. Aus der Umsatzzahl würde ein (Soll-)Gewinn berechnet und darauf der normale Gewinnsteuersatz angewendet.

Die Probleme, die es dabei zu überwinden gibt, sind aber enorm, stellen die Ökonomen fest. Wenn es nur sehr große Unternehmen treffen soll, wird die Steuer zu einer Sondersteuer auf US-IT-Unternehmen. Das würde neben der ohnehin schon alarmierten US-Regierung auch die Welthandelsorganisation auf den Plan rufen. Bei Unternehmen, die keine Gewinne machen, wie Twitter, würde außerdem die Substanz besteuert – statt Gewinnen. Auch zu Doppelbesteuerung dürfte es kommen, weil derartige Sondersteuern in Doppelbesteuerungsabkommen nicht geregelt sind.

Becker und Englisch werten den Vorstoß der Franzosen daher eher als politisches Signal der Unzufriedenheit an die USA. Gleichzeitig nehme der Vorstoß Druck von den nationalen Regierungen in Frankreich und anderen Ländern, selbst etwas zu unternehmen, um den Missstand zu beseitigen.

Der Steuerspezialist Lorenz Jarass von der Hochschule Rhein-Main sieht das – ebenfalls in einem Beitrag für die Website „Makronom“ – ganz ähnlich: „All diese Vorschläge benötigen einstimmige Beschlüsse, also auch die Zustimmung derjenigen EU-Mitgliedsländer, die von der derzeitigen Situation profitieren.“ Die werde es offenkundig nicht geben. Die Blockademacht kleiner Länder, die mit steuerlichen Sonderkonditionen Unternehmen anlocken wollen, zeigte sich erst kürzlich wieder: Auf der schwarzen Liste der Steueroasen, die die EU am 5. Dezember verabschiedete, findet sich keines der EU-Steuerparadiese, obwohl zum Beispiel in Irland Konzerne mit Niedrigsteuern gelockt werden.

Jarass ist durchaus ein Verfechter einer stärkeren Hinwendung zum Bestimmungslandprinzip in der Besteuerung, wie es auch mit der Ausgleichsteuer für Internetkonzerne verfolgt wird. Dieses kann seiner Ansicht nach aber wirksam nur auf nationaler Ebene durchgesetzt werden. Denn: Wenn nationale Regierungen vom Herkunftslandprinzip auf das Bestimmungslandprinzip umstellten, entstehe ein starker Anreiz für andere Länder, das Gleiche zu tun. Ansonsten entstünde ihnen ein Wettbewerbsnachteil.

Bei Steuern nach dem Bestimmungslandprinzip werden Exporte im Herkunftsland steuerfrei gestellt, Importe dagegen besteuert. Die europäische Umsatzsteuer funktioniert so. Auch die Grenzausgleichsteuer, die die US-Republikaner ursprünglich einführen wollten und von der es Teile tatsächlich noch in das Reformgesetz schaffen könnten, funktioniert so. Die deutsche Exportwirtschaft fürchtet wegen der dann drohenden US-Importsteuer massive Wettbewerbsnachteile und fordert eine Steuersenkung.

Zielgenauer und mit weniger Einnahmeverlusten für den Staat ließe sich der Gefahr durch Erwiderung mit gleicher Münze begegnen. Zusammen mit Gustav Obermair schlägt Jarass in seinem Buch „Angemessene Unternehmensbesteuerung“ eine Reihe weiterer Maßnahmen in Richtung Bestimmungslandprinzip vor. Sie würden für Internetkonzerne und andere Unternehmen die Gewinnverlagerung ins steuerfreie Ausland erschweren. Dazu gehört eine zehnprozentige Quellensteuer auf alle an das Ausland gezahlten Lizenzgebühren und Zinsen. Bisher würden diese sehr oft in Steuerparadiese gelenkt und blieben damit gänzlich unversteuert. Im Gegenzug würde Deutschland allen in Deutschland ansässigen Empfängern zehn Prozent der Steuern auf Zinsen und Lizenzgebühren erstatten, die sie im Ausland entrichtet haben. Abzugsfähig sollen gezahlte Zinsen und Lizenzgebühren in Deutschland nur noch sein, wenn nachgewiesen wird, dass der Empfänger in seinem Land einen akzeptablen Mindeststeuersatz entrichtet hat.

Das Geschäftsmodell Steuerdumping zum Anlocken von Unternehmensholdings würde damit untergraben. Allerdings: Nur wenn eine Betriebsstätte im Land vorhanden ist oder als „digitale Präsenz“ gesetzlich konstruiert wird, kann man digitale Großkonzerne mit solchen Maßnahmen fassen.

[30.1.2018]

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