Gabriel hängt sein TTIP-Fähnchen in den drehenden Wind

Foodwatch-Chef Thilo Bode hat mit seinem Buch „Die Freihandelslüge“ eine konzertierte Desinformationskampagne von EU-Kommission, Wirtschaftsverbänden und Lobby-Organisationen, sowie des Wirtschaftsministeriums enttarnt und die Übeltäter genötigt, ihre falschen Darstellungen der angeblichen Wachstumswirkungen des EU-USA-Freihandelsabkommens TTIP zu streichen oder zu korrigieren. Nun hat

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf besonders perfide Weise reagiert. Im Interview mit dem Focus  sagte er:

An die wundersamen Berechnungen vom Wirtschaftswachstum durch TTIP glaube ich nicht.“ Jede Wechselkursschwankung habe stärkere  Auswirkungen auf die Konjunktur. „Die ganzen Folgeschätzungen der vermeintlichen Befürworter oder Gegner von TTIP machen alle ein bisschen den Eindruck von Voodoo-Ökonomie.“

Wir halten fest. Die Befürworter von TTIP, zu denen Gabriel sich in Bruch seiner Wahlkampfankündigungen bekannt hat, haben gelogen und sind dabei ertappt worden. Gabriel tut wider besseres Wissen so, als seien beide Seiten mit falschen Darstellungen an die Öffentlichkeit gegangen. Von den „vermeintlichen“ (was soll dieses Wort hier, außer diskreditieren?) Gegnern von TTIP sind aber keine solchen Folgeabschätzungen bekannt. Sie haben diese nur immer angezweifelt. Bemerkenswert ist auch, dass mindestens eine der kritisierten Studien im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellt wurde. Der Auftrag wurde zwar vor Gabriels Zeit erteilt. Aber unter Gabriel hat das Ministerium die Ifo-Studie verbreitet, und zwar in der irreführenden Weise, wie es zu den Falschdarstellungen der Befürworter einlud. Er distanziert sich also von sich selbst.

Gabriel wäre nicht Wirtschaftsminister, und als solcher oberster Lobbyist der deutschen Industrie, wenn er nicht dennoch ein Plädoyer für TTIP aus dieser schwerwiegenden Einräumung machte, dass die bisherigen Haupt-Versprechungen falsch waren. Dennoch brauche Europa das Abkommen dringend, sagte er dem Fokus, denn es könne damit die Standards des Welthandels für die kommenden 20 bis 30 Jahre beeinflussen.

Das mag sein, aber das ist eher eine Drohung als ein Versprechen. Denn „es“ oder „Europa“ sind in diesem Fall die europäischen Unternehmen, die zusammen mit ihren US-Gegenübern die Standards maßgeblich mitbestimmen dürfen sollen. Es sind nicht die europäischen Bürger, die über ihre gewählten Repräsentanten genau die Standards bekommen, die sie haben wollen.

Wenn es vor allem um die Vereinfachung von Produktionsstandards ginge, etwa die vielzitierten unterschiedlichen Bremslichter oder Crashtests für Autos, dann braucht man dafür nicht ansatzweise ein derart umfassendes Abkommen wie TTIP. Alle nötigen Institutionen gibt es. Man braucht sich nur einigen zu wollen. Wozu braucht man für einheitliche Standards eine private Schiedsgerichtsbarkeit vor der Unternehmen Staaten verklagen können. Das ist alles pure Blendung, und Gabriel weiß das und doch sagt er:  
 
Das Abkommen wird am Ende so ausgestaltet sein, dass meine Partei guten Gewissens zustimmen kann. Alles, was die SPD nicht will – niedrigere Standards für  Verbraucher, neue Privatisierungsrunden, private, intransparente Schiedsgerichte – wird es auch nicht geben.

Er weiß, dass es anders kommen wird. Das „I“ in TTIP steht, wie er wohl weiß, für „Investment“ und das steht eben für jene Schiedsgerichte für Investoren, die er angeblich verhindern will, von denen er aber auch schon gesagt hat, dass er sie notfalls schlucken würde, um das Abkommen nicht scheitern zu lassen.

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