Hans-Werner Sinn wurde im Handelsblatt hart angegangen, kam aber in einem großen Interview auch selbst zu Wort. Dabei stellte er klar, dass ihm im Vorspann seines umstrittenen Kommentars in der FAZ eine zugespitzte Aussage zur Zuwanderung untergeschoben worden sei, die in seinem Text nicht vorkam. Mithin habe nicht er sich in einem späteren Interview mit Spiegel Online korrigiert, sondern er habe eine falsche Darstellung von Spiegel Online korrigiert. Dafür bekommt er nun von Spiegle Online Prügel.
Das Internet Magazin weist ihm in einem neuen Faktencheck angeblich nach, dass es nicht stimmt, was er da sagt. Das gelingt jedoch nur durch unfaire, fast täuschende Argumentationsführung. Sinn hat in diesem Punkt einfach Recht. Das sollte man ihm zugestehen, oder wenigsten den Mantel des Schweigens darüber ausbreiten, anstatt billig nachzutreten und dabei zu versuchen, die eigenen Fehler ihm unterzuschieben, nur weil man sich gerade so schön hinter einer Sinn-kritischen Handelsblatt-Geschichte verstecken kann.
„Wie die Einwanderung nach Deutschland derzeit läuft, läuft sie falsch und ist ein großes Verlustgeschäft. Wir brauchen endlich eine ideologiefreie und nicht vom Streben nach politischer Korrektheit getriebene Debatte über die Migration“, hatte der Vorspann in der FAZ gelautet. Er war nicht von Sinn, sondern von der Zeitung, sagt Sinn, und niemand bestreitet das. Die Aussage kommt auch weder wörtlich, noch sinngemäß in seinem Aufsatz vor.
Aber nicht einmal den Vorspann der FAZ-Redakteure hat Spiegel Online korrekt wiedergegeben. Stattdessen eine unfaire und gehässige Einsortierung unter Stammtischler und Pegida-Demonstranten:
„Außerhalb von Stammtischen und Pegida-Demonstrationen herrschte bisher der Konsens: Zuwanderer sind gut für Deutschland. Nicht nur, weil sie die Bundesrepublik bunter und die Speisekarten unserer Restaurants abwechslungsreicher machen. Sondern auch, weil sie netto mehr ins deutsche Steuer- und Sozialversicherungssystem einzahlen, als sie herausbekommen. Stimmt nicht, sagt Sinn nun: Die Migranten, die nach Deutschland kommen, kosten das Land mehr, als sie ihm ökonomisch bringen.“
Das war eine Falschdarstellung. Da hat Sinn 100% Recht. Was da hinter einem Doppelpunkt kommt, wie ein Zitat, wenn auch ohne Anführungszeichen (Was für ein fauler Trick ist das denn?) hat Sinn nicht geschrieben und es setzt auf die FAZ-Dichtung noch eins drauf. Erstere ist immerhin noch offen für die Interpretation, dass Sinn nur den Saldo für den Staat meint. Spiegel Online unterstellte ihm dagegen explizit – und fälschlicher Weise – er habe „gesagt“ Zuwanderer würden „das Land“ insgesamt „ökonomisch“ mehr kosten als sie ihm bringen. Hat er nicht.
Und dann unterstellt das Magazin Sinn auch noch unter Rückgriff auf falsche Angaben einen Fehler. „Weil der Staat im Jahr 2012, dem Jahr der Betrachtung, mehr Geld ausgegeben als eingenommen hat, kommt man für jeden Einwohner auf negative Werte„, zitiert es einen Wirtschaftsforscher. Das war für den Bundeshaushalt so. Aber der für die Fragestellung relevante Gesamthaushalt war 2012 nach der europäischen Rechnungsweise ausgeglichen. Sinn hat Recht, Spiegel Online lag falsch.
Statt das einzuräumen oder zu schweigen, hackt der Autor wider besseres Wissen auf dem Vorspann herum. Er schreibt:
„Sinns umstrittener „FAZ“-Aufsatz beginnt mit einem Vorspann, dessen erster Satz lautet: „Wie die Einwanderung nach Deutschland derzeit läuft, läuft sie falsch und ist ein großes Verlustgeschäft.“ Es ist nicht die Rede davon, dass sich dieser Verlust auf den deutschen Staat, nicht aber auf die Volkswirtschaft insgesamt bezieht. Es ist auch nicht erkennbar, dass dieser Vorspann nicht Sinns Meinung widergibt.“
Der Autor weiß aber inzwischen zweifelsfrei, dass der Vorspann nicht von Sinn ist. Er ist Journalist. Er weiß ohnehin wie es läuft und hat keinen Grund zu zweifeln. Zeitungen machen Vorspänne in eigener Hoheit. Autoren oder Interviewte werden allenfalls in Ausnahmefällen gefragt oder informiert. Trotzdem der unfaire und falsche Satz: „Sinns umstrittene FAZ-Aufsatz beginn mit …“ Sinns Aufsatz beginnt in Wahrheit erst nach dem Vorspann. Und dann: „Es ist nicht erkennbar, dass dieser Vorspann nicht Sinns Meinung widergibt.“ Das ist jetzt schon richtig böswillig. Sinn kann nichts dafür, und der Autor weiß das. Hätten die FAZ oder Sinn vielleicht dahinter schreiben sollen. „Dieser Vorspann entspricht nicht der Meinung von Hans-Werner Sinn“. Wie albern ist das denn.
Dann kommt in einem zweiten Spiegelstrich die Einräumung: „Im Verlauf seines Textes nennt Sinn dann tatsächlich die beiden Aspekte: Für den Staat bedeuteten Migranten einen fiskalischen Verlust, für den Arbeitsmarkt einen Gewinn.“
Nur um dann fortzufahren: „Außer in dem zitierten ersten Satz des Vorspanns trifft Sinn aber an keiner Stelle des Textes eine Aussage darüber, welchen der beiden Faktoren er für größer hält, wie also der Netto-Effekt ausfällt.“ Das ist wieder die Einräumung, dass Spiegel Online Sinn falsch wiedergegeben hat, aber die Einräumung wird verbal geschwungen im empörten Tonfall des zu Unrecht Beschuldigten.
Und dann fällt der Spiegel-Autor mangels echter Argumente schon wieder auf den FAZ-Vorspann zurück, von dem er weiß, dass er nicht von Sinn ist:
„Aber der zitierte erste Satz aus dem Vorspann ist ja an Klarheit eigentlich nicht zu übertreffen: Ihm zufolge hält Sinn die Einwanderung nach Deutschland in ihrer derzeitigen Form insgesamt für ein Verlustgeschäft, nicht nur für den deutschen Staat. Entsprechend hat SPIEGEL ONLINE Sinns Thesen in einem ersten Artikel wiedergegeben.“
Wie gezeigt, der letzte Satz stimmt auch nicht. Spiegel Online hatte aus etwas Zweideutigem etwas Falsches gemacht.
Ganz zum Ende räumt der journalistische Nachtreter dann verschämt ein: „In der Tat kommt es bisweilen vor, dass Journalisten einen eigenen Vorspann vor einen Autorentext setzen und dabei über das Ziel hinausschießen.“ Aber dann verhaftet er doch wieder Sinn für das, was die FAZ mit seinem Text gemacht hat:
„Hans-Werner Sinn wäre allerdings gut beraten, sich die veröffentliche Fassung seiner Texte anzusehen, bevor er SPIEGEL ONLINE falsche Zitierung vorwirft. Nun wiederholt Sinn im „Handelsblatt“ auch noch seinen Vorwurf, obwohl er ja mittlerweile weiß, wie sein Text in der „FAZ“ begann.“
Das ist unfair. Das setzt voraus, dass ein Autor jedwede Verballhornung seiner Argumente, die sich eine Zeitung ausdenken mag, sich zurechnen lassen und als seine eigene Sicht akzeptieren muss. DAS MUSS ER NICHT. ER MUSS SAGEN DÜRFEN: „Das ist nicht von mir“ UND DAS MUSS REICHEN, wenn es stimmt.