Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat eine Rede vor Unternehmern gehalten. Darin gibt er den stabilitätsbewussten Notenbanker, der aufpasst, dass seine weniger stabilitätsbewussten Kollegen sich nicht allzu leicht von nichtsnutzigen, den Wähler fürchtenden Politikern drängen lassen, für diese die Kastanien aus dem Feuer zu holen und dabei die Stabilität zu gefährden. Es lohnt sich, die Rede genau zu lesen. Denn dem aufmerksamen Betrachter eröffnet sich eine wunderbare, nie gesehene
Welt, die so gar nichts mit der schnöden Realität zu tun hat, in der wir leben müssen.
Zitat 1: „Die Krise im Euro-Raum hat nachdrücklich vor Augen geführt, dass die Geldpolitik auch von Bedingungen abhängt, sie sie selbst nicht beeinflussen kann. Solide Staatsfinanzen sind eine solche Bedingung. Geraten die Staatsfinanzen aus dem Ruder, wird es für die Zentralbank schwer, Preisstabilität zu gewährleisten.“
In dieser wunderbaren Welt haben wir, haben die Notenbanker, nicht mit Inflationsraten zu kämpfen, die hartnäckig viel zu niedrig sind und so den hoch verschuldeten Haushalten, Unternehmen und Staaten Probleme bereiten, weil diese bei der Kreditaufnahme der Europäischen Zentralbank geglaubt und mit einer höheren Inflationsrate kalkuliert hatten. Nein. In der wunderbaren Welt des Herrn Weidmann herrscht weiterhin die Gefahr, dass die Inflation zu groß wird. Damit wissen die Notenbanker umzugehen. Alles im Griff.
Auch die Vergangenheit passt sich an, in dieser wunderbaren Welt.
Zitat 2: „Die Einführung des Euro brachte den früheren Hochzinsländern nämlich einen deutlichen Zinsrückgang. So floss reichlich Kapital unter anderem von den Kernländern des Euro-Raums wie Deutschland und Frankreich in die Peripherie. Leider wurde viel von dem Geld in den privaten Wohnungsbau oder in den Staatskonsum gesteckt, was sich im Nachhinein als wenig produktiv erwies. Die Kapitalzuflüsse ermöglichten eine Zeitlang kräftig steigende Löhne. Da aber die produzierten Gütermengen nicht im gleichen Ausmaß zunahmen steigen die Lohnstückkosten. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sank rapide.“
Man erinnere sich an Zitat 1. Die Geldpolitik ist machtlos, wenn Dinge schief laufen, in der wunderbaren Welt des Herrn Weidmann. In dieser Welt ist es nicht die Zentralbank, welche die massive Kreditvergabe in unprofitable Projekte jahrelang klaglos refinanziert hat, bis es knallte. In dieser Welt haben nicht die Gläubiger Hypothekenkredite gegeben, weil die Immobilienpreise so schön stiegen, und haben damit Mitschuld am Desaster. Nein in dieser Welt haben nur die Schuldner Schuld, weil sie das ihnen von arglosen Banken geliehene Geld fahrlässig verwendeten. In dieser Welt hat die Zentralbank nicht ihren Richtwert für die Geldmengenausdehnung beiseitegeschoben, weil sie sonst nicht hätte zulassen dürfen, dass die Geldmenge jahrelang mit doppelt bis dreimal so hoher Rate zunahm. In dieser wunderbaren Welt hatten auch nicht die Bundesbank und 13 andere nationale Zentralbanken die Verantwortung oder Mitverantwortung für die Bankaufsicht. Sie haben auch nicht jahrelang abgewiegelt, wenn Ökonomen warnten, dass die unterschiedlichen Wirtschafts- und Inflationsentwicklungen nicht dauerhaft gut gehen konnten. Nein. In dieser wunderbaren Welt waren die Notenbanker einfach machtlos.
Würde der bigotte Herr Weidmann die schnöde reale Welt beschreiben, so hätte er vor dem letzten Satz von Zitat 2 hinzufügen müssen:
Nicht gesagtes Zitat A: ‚Gleichzeitig wurden in Deutschland die Löhne jahrelang massiv gedrückt, sodass die Arbeitnehmer nicht mehr am Produktivitätsfortschritt beteiligt wurden und oft nicht einmal einen Ausgleich für die Geldentwertung bekamen. Die Binnennachfrage war schwach, nur der Export boomte, weshalb die deutschen Banken ihre Kredite vor allem im Ausland vergaben. Die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenten Deutschlands wurde schlechter und deren zunehmende Auslandsverschuldung stellte sich später als großes Problem heraus.‘
Aber in der wunderbaren Welt des Herrn Weidmann ist Wettbewerbsfähigkeit kein relatives Konzept, sondern niedrige Löhne sind immer besser und wirtschaftspolitische Koordinierung ist immer unnötig. Nur wenn wegen des Fremdkapitalzuflusses die Löhne steigen, ist das ein Problem.
Zitat 3: „Die Krise im Euro-Raum ist mehr als nur eine Staatsschuldenkrise. Sie ist auch eine Zahlungsbilanzkrise und eine Bankenkrise.“ In der realen Welt folgen aus dieser Feststellung alle möglichen Verkomplizierungen. Fragen stellen sich, nach der Rolle der ausgebliebenen wirtschaftspolitischen Koordinierung und des von der Zentralbank alimentierten Kreditbooms bei der Entstehung dieser Zahlungsbilanzkrise. In der wunderbaren Welt des Herrn Weidmanns kann man das dagegen einfach so sagen, und nichts folgt daraus, außer dass die Schuldner an allem schuld sind, was schließlich schon ihr Name verrät und schon die alten Preußen wussten:
Zitat 4: „Als sich Friedrich der I . 1701 zum König von Preußen krönen ließ, wurde eine Generalamnestie verkündet. Ausgenommen waren lediglich Gotteslästerer, Mörder, Hochverräter und –Schuldenmacher.“
In der wunderbaren Welt des bigotten Herrn Weidmann ist Gut und Böse noch klar getrennt, und böse sind nie die Deutschen, die Gläubiger, sondern immer die anderen, die Faulen, die Griechen und Italiener. Die Preußen, die wussten das noch. Die haben Schuldenmacher weggesperrt, zusammen mit Mördern und Hochverrätern.