25. 2. 2021 | Hören | Henry Mattheß. Wer regierungskritische Meinungen in seinem Arbeitsumfeld problematisch findet, kann sich neuerdings direkt an den Deutschlandfunk wenden. Eine Mail genügt und der DLF wird zum Sprachrohr für Denunzianten und zum Pranger für Kritiker der Corona-Maßnahmen.
Eine Psychologie-Studentin der Uni Regensburg empfindet Aussagen und Aufgabenstellungen mit Bezug zur aktuellen Corona-Politik eines Professors als „manipulativ“, und ist dadurch „erschüttert“. Offenbar ohne vorher ihre Erschütterung dem Professor mitzuteilen oder interne Beschwerdemöglichkeiten der Universität zur Klärung zu nutzen, wendet sie sich gleich mal an den Deutschlandfunk (DLF). Dort findet sie beim preisgekrönten Hörfunk-Jounrnalisten Michael Watzke Gehör. Dieser veröffentlicht am 24.2.2021 einen Beitrag mit dem verurteilenden Titel Wissenschaftler, die Corona leugnen.
Eine Kostprobe:
„Die Psychologie-Studentin, deren Aussagen der Deutschlandfunk auf ihre Bitte hin nachvertont hat, wirft ihrem Professor vor, Corona zu verharmlosen. Er habe unwissenschaftliche Quellen wie den umstrittenen Querdenker Boris Reitschuster und dubiose Telegram-Kanäle zitiert. Außerdem habe er den Seminar-Teilnehmern die Hausaufgabe gestellt, methodische Fehler in einer Corona-Studie des Virologen Christian Drosten zu finden. „Natürlich dürfen Dozierende Forschungsergebnisse kritisieren. Allerdings war Prof. Kuhbandners Kritik zum einen eher emotional als sachlich formuliert. Zum anderen hat er Gegenpositionen nicht ausreichend in seinen Unterricht miteinbezogen. Er hat seine privat-persönliche Meinung nicht als solche gekennzeichnet, sondern als erwiesen dargestellt.“
Da das Wort leugnen sprachhistorisch lügen beinhaltet, also eine vorsätzliche Falschaussage unterstellt, wirft schon die Überschrift die Frage nach einer strafrechtlichen Relevanz des Beitrages auf. Nicht umsonst wird in der Justiz sprachlich korrekt formuliert, dass ein Angeklagter eine Tat bestreitet und nicht leugnet. Dieser gravierende Unterschied zwischen Bestreiten und Leugnen wird von Haltungsjournalisten notorisch und vermutlich vorsätzlich ignoriert. Denn ein korrekter Umgang mit Sprache ist eigentlich fundamentaler Bestandteil einer journalistischen Ausbildung.
Der Beitrag kommt oberflächlich betrachtet ausgewogen daher, denn er lässt beide Seiten per Einsprecher zu Wort kommen. Doch lässt Watzke seine Wertung mehr oder weniger plump mit einfließen und nimmt die Vorwürfe der anonymen bleibenden Teilnehmerin eines Online-Seminars zu experimenteller Kongnitions-Psychologie zum Ausgangspunkt eines Beitrags. In diesem haut er die Angegriffenen mit allen unlauteren Mitteln und Methoden in die Pfanne, die auch die sogenannten Faktenchecker routinemäßig anwenden, um der Regierung nicht genehme Informationen und Meinungen als abseitig darzustellen:
o Vorsätzlich falsches Zitieren
Als Erstes wird aus dem studentischen Vorwurf einer Verharmlosung von Corona per Überschrift eine Leugnung von Corona gemacht. Wenn damit nur der Grad der Gefährlichkeit gemeint sein sollte, müsste das Wort Gefährlichkeit auch zu lesen sein. Ist es aber nicht. Der kritisierte Prof. Kuhbandner wird als jemand präsentiert, der Corona generell leugnet, also wider besseres Wissen.
o Verweis auf das der Wissenschaft vollkommen fremde Prinzip von Mehrheit
„Dass eine überwältigende Mehrzahl von Wissenschaftlern das anders sieht, ficht den Psychologen nicht an.“
o Relativieren von Quellen nach Herkunft oder Verschweigen ihres akademischen Gewichts
Hier insbesondere die Herabsetzung sogenannter altenativer Medien als Quellen. Ironischerweise erscheinen viele Maßnahmenkritiker, die über Monate nur in alternativen Medien publizieren konnten, seit Februar auch prominent in vielen sogenannten Qualitätsmedien. Und zwar ohne dass sich an ihrer schon im Jahr 2020 vorgebrachten Kritik im Grundsatz etwas geändert hat, was Watzke beim Pressestudium anscheinend bisher entgangen ist. Lieber wertet er eine Studie der Ludwig-Maximilian-Universität München zu „einer Studie aus München“ ab.
o Verweis auf Autorität oder Unterstellung einer Verschwörungstheorie
„Er [Kuhbandner] kritisiert auch das Robert-Koch-Institut (RKI), das in der Wissenschaftsszene weltweit einen guten Ruf genießt. Der Regensburger Psychologie-Professor aber behauptet, ″dass die vom RKI erhobenen Zahlen so diagnostisch unzuverlässig sind, dass man diese Frage [Unterschied zur Grippe] gar nicht valide beantworten kann.“
Dass der Kritisierte „aber“ gegen den „weltweit guten Ruf“ des RKI etwas „behauptet“, ändert nichts daran, dass Kuhbandner mit dieser Aussage nicht alleine ist, was Watzke bei einem Studium großer Leitmedien mittlerweile leicht feststellen könnte. (drei von vielen Beispielen: Berliner Zeitung; Focus; Merkur)
Und für diese inzwischen vielfach nachlesbare Feststellung fehlender brauchbarer Daten seitens des RKI attestiert Watzke einem anderen Wissenschaftler der Uni Regensburg locker aus der Hüfte eine Verschwörungstheorie: „Als Beleg für seine Verschwörungsthese, dass die Corona-Maßnahmen „bar jeder belastbaren Tatsachengrundlage“ stattfänden, verlinkt Heuser auf einen Internetbeitrag von Prof. Kuhbandner.“
Kuhbandner publiziert bereits seit Ende April 2020 auf telepolis.de tiefgründige Analysen zum Corona-Geschehen. Und diese Analysen decken sich mit dem, was neuerdings aktuell auch in Leitmedien an Kritik zur desolaten, weil ziellosen Datenerhebung des RKI geäußert wird. Für Watzke ist das alles Verschwörungstheorie. Liest er keine Zeitung?
o Auf Distanzierung oder Sanktionierung von Seiten der Arbeitsstelle drängen
„Die Universitätsleitung, so [Präsident] Hebel weiter, setze sich für die Einhaltung der gültigen Infektionsschutzmaßnahmen ein. Den Namen Kuhbandner erwähnt der Präsident nicht. Auch nicht den von Dr. Martin Heuser, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der juristischen Fakultät der Universität Regensburg.“
o Tendenziöse Wortwahl
„Heuser lässt auf der Internetseite „Achse des Guten“ in einem wortreich ausufernden Gastbeitrag vom 4.11.2020 seiner Anti-Corona-Wut auf Politik und Regierung freien Lauf. Er wirft der Bundesregierung beispielsweise „Totalitarismus“ vor und schwadroniert, die Politik greife zu „asozialen massenhygienischen Mittel[n] zur Aufhebung des bürgerlichen Lebens“.
Fazit
Studentinnen eines Online-Seminars haben Kritikbedarf. Ob es sich dabei nur um Einzelmeinungen im Seminar handelt oder nicht, bleibt ungeklärt. Es reicht vollkommen, wenn eine Denunzierungsmail ins regierungskonforme Weltbild eines DLF-Redakteurs passt und sich daraus ein gefärbter, wertender Beitrag machen lässt, der angebliche Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker an den gebührenfinanzierten Medienpranger stellt.
Manch langjährige Hörer des Deutschlandfunks haben in den letzten Jahren vielleicht eine Art Entfremdung von diesem Sender erlebt, was mit einem Generationswechsel beim DLF zusammenhängen könnte. Viele treffen einst geschätzte DLF-Stimmen mittlerweile bei jüngeren Medienangeboten wieder. Heutige DLF-Politredakteure kommen leider viel zu oft mit einseitiger „Haltung“ daher.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und sein Umgang mit Kritikern
Wie damit umgehen?
„Der Präsident der Uni Regensburg, Prof. Udo Hebel, äußert sich nicht zum Fall Kuhbandner. Für ein Interview mit dem Deutschlandfunk, so Hebel, habe er in den nächsten Wochen leider keine Zeit. Die Bitte um eine schriftliche Stellungnahme zu den Fragen des Deutschlandfunks blieb unbeantwortet.“
– muss Watzke feststellen.
Anmerkung (N.H.)
Es ist wirklich zu empfehlen, diesen Beitrag des Deutschlandfunks zu lesen, sonst glaubt man nicht, was im angeblich regierungsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk inzwischen an Infamie möglich ist. Wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, in der der Rundfunk alle einlädt, jede zu denunzieren, die es wagt, halböffentlich Kritik an der Regierung zu üben, um diese dann in aller Öffentlichkeit zu teeren und zu federn, bis hinunter zum wissenschaftlichen Mitarbeiter an einer Uni. Herr Watzke, gehen Sie in sich! Und allen, die diesen infamen Beitrag abgesegnet haben, empfehle ich das auch.
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Das vollständige Interview mit Kuhbander, dass Watzke für seinen Beitrag nutzte, ist vergleichsweise auf telepolis nachlesbar: „Studierende schreiben, dass die Thematisierung von Corona interessant war“
Deutschlandfunk bringt einfältigen und abstoßenden Kommentar gegen Assange und die Pressefreiheit