Brief aus Athen: Druck auf Athen oder Druck für die Eurogruppe?

Von Markus Barth, Athen. Natürlich beherrscht der vorzeitige Abruch der Gespraeche bei der gestrigen Eurogroup-Sitzung in Brüssel die Schlagzeilen der griechischen Presse. „Brutaler Zusammenprall“ titelt Ethnos, „Ultimatum der Eurogroup“ schreibt die konservative Kathimerini, „Die Verhandlungen gehen in die Verlängerung“ ist der Aufmacher von Ta Nea. Kaempferisch gibt sich die linke Efimerida ton Syntakton: „Griechenland im Wiederstand“ ist der Titel und die halbe Seite schmückt das Foto eines Festwagens vom Rosenmontagsumzug in Düsseldorf der einen listenreichen Tsipras als Odysseus im Kampf mit einem Zyklopen zeigt der grosse Ähnlichkeit mit Merkel hat. ( Geschickt gemacht: Eine entsprechende Karikatur in einer griechischen Zeitung haette sicher zu „Empörung“ in Teilen der deutschen Presse geführt.)
Dennoch: die Stimmung scheint weniger dramatisch zu sein als die in der deutschen Presse. Und das obwohl doch die hier in Athen im Vorlauf eher optimistische Einschätzung der Aussichten auf einen Kompromiss ein weiteres mal enttäuscht wurden. Man konzentriert sich eher auf die tatsaechlich oder vermeintlich positiven Signale. So habe es ja den Entwurf von Finanzkommissar Moskovici gegeben, den Varoufakis gerne unterschrieben hätte und der offensichtlich beweise, dass die Kommission unter Juncker ernsthaft an einer Lösung des Konflikts interessiert sei. Zahlreiche Zeitungen veroeffenlichen diesen vom britischen Journalisten Paul Mason geleakten Entwurf . Der konservative TV-Kanal Skai berichtet, dass auch EZB-Chef Draghi und Christine Lagarde vom IMF diesen Entwurf unterstuetzt haetten und betont, dass dieser erst speziell auf deutschen Druck vom Eurogruppen-Chef Diusselbloem „torpediert“ worden sei. Der Sender beruft sich dabei auf die Aussage des Vize-Aussenministers Tsakalotos, der an den Verhandlungen teilgenommen hatte.
 Während die deutschen Leitmedien der Meinung sind, den Griechen laufe die Zeit davon, redet man hier in Athen davon, dass die Eurogroup Bewegung zeigen müsse, wenn sie nicht den Zusammenbruch des Euro riskieren wolle. Verteidigungsminister Panos Kammenos von der ANEL stärkt Varoufakis ausdrücklich den Rücken: „Wir gehen den Weg gemeinsam bis zum Ende“ erklärt er etwas pathetisch . „Alle Griechen gemeinsam sagen Nein.Wir lassen uns nicht erpressen.“ Er spielt damit nicht zufällig auf das historische Nein des Griechischen Diktators Metaxa gegenueber dem Ultimatum Mussolinis an, dass zum Kriegeintritt Griechenlands gegen die faschistischen Eindringlinge geführt hatte. Kathimerini, die im Wahlkampf noch intensiv Samaras unterstützt hatte, erinnert an die besondere strategische Bedeutung Griechenlands in der Nato angesichts der zahlreichen Konflikte im geographischen Umfeld. Das sei eine letzte Karte, die Tsipras spielen müsse. Um die Gefahr eines Grexit für die gesamte Eurozone zu betonen werden in vielen Zeitungen nichtgriechische Ökonomen zitiert u.a. Paul Krugman und Barry Eichengreen, der ja auch in der deutschen Presse die letzten Tage zu Wort kam.
Im Laufe des Tages dann auch wieder Varoufakis: Eine Lösung sei sicher in den nächsten 48 Stunden zu finden, zum Wohle aller Europäer, ist sein Statement zum Eurofin-Meeting in Brüssel. Tragfähige Basis sei der Entwurf von Moskovici.
An fruehen Nachmittag dann der Wechsel der Medien zum zweiten Top-Thema des Tages: Wer ist der Kandidat Syrizas zur anstehenden Wahl des Staatspräsidenten (Zur Erinnerung: das Scheitern des Kandidaten der ND Stavros Dimas auch im dritten Wahlgang hatte zu den vorgezogenen Neuwahlen geführt.) Im Gegensatz zu verbreiteten Szenarien eines moeglichen Konflikts innerhalb der Koalition hatte Panos Kammenos nach einer Fraktionssitzung der ANEL Tsipras freie Hand gelassen: „Im Interesse der nationalen Einheit und weil wir eine starke Position in den Verhandlungen mit unsern Kreditgebern brauchen werden wir jeden Kandidaten unterstützen den Syriza vorschlägt.“ war die für viele überraschende Aussage Kammenos. Nun gut: eventuell hatte man sich intern schon vorher schon auf einen Kandidaten geeinigt. Bemerkenswert aber in jedem Fall das Bemühen nach Außen die Einheit zu betonen.
Nun der Vorschlag Tsipras nach Abstimmung in der Syriza-Fraktion ist eine Überraschung. Vertreter des linken Flügels von Syriza hatten sich fuer einen klar linken Kandidaten ausgesprochen. So z.B. der 92jaerige ehemalige Widerstandskämpfer und jetzige Europaabgeordnete Manolis Glezos oder der Parlamentarier Costas Lapavitsas, der mit dem deutschen Ökonomen Heiner Flassbeck  Bücher schreibt . Tsipras schlägt stattdessen den ehemaligen Minister der Nea Dimokratia Prokopis Pavlopoulos vor. Ein taktischer Schachzug. Pavlopoulos gehört zum gemäßigten Flügel der Partei um Kostas Karamanlis. Seine Wahl wird durch die Regierungsmehrheit sowie die Fraktion der ND, die sich hier kaum verweigern dürfte, schnell und sicher über die Bühne gehen. Die Unterstützung auch zahlreicher Wähler der ND für die Regierung und deren Profil als Regierung der nationalen Einheit wird gestärkt und die Isolation des abgewählten Samaras in seiner eigenen Partei vertieft.
Am spaeten Nachmittag die neuesten Meldungen: Die Regierung wird morgen die „Verlängerung des Kreditvertrags auf Basis des Moskovici-Entwurfs“ beantragen und ist an einer Einigung in der Eurogroup am Freitag interessiert. Nun ja morgen ist erst mal abzuwarten was der EZB-Rat zur Verlängerung der ELA-Finanzierung beschliesst. Dort fallen schließlich die relevanten Entscheidungen.
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