Ist Bitcoin eine gute Option zur Reform des Geldsystems?

22. 07. 2016 | Mit Bitcoins wollte ihr Erfinder Nutzern ermöglichen, an Notenbanken und Geschäftsbanken vorbei Werte untereinander zu transferieren. Mit der ersten „Lieferung“ 2009 schickte Satoshi Nakamoto den programmatischen Text mit: „The Times 03 Jan 2009 Chancellor on brink of second bailout for banks.“ Zu einem Geldsystem, in dem die Finanzbranche dauernd vom Steuerzahler gerettet werden muss, wollte der Bitcoin-Erfinder eine Alternative bieten. Doch die Zentralbanken könnten die Technologie übernehmen, und das Gegenteil könnte passieren.

Ökonomen wie Thomas Mayer, Leiter des Flossbach von Storch Research Institute, sehen in solchen Ditgitalwährungen eine Chance, anhand eines Währungswettbewerbs zu einem stabilen, von staatlicher Manipulation unabhängigen, regelgebundenen Geld zu kommen, wie es Milton Friedman vorschwebte.

Die Bitcoin hat zwar eine Erfolgsgeschichte hingelegt, die zu Hunderten Nachahmerwährungen wie Litecoin, Ripple und Ethereum geführt hat. Aber eine ernsthafte Gefahr für die Macht der Notenbanken stellt die neue Währung noch nicht dar. Extreme Wertschwankungen gegenüber etablierten Währungen, Skandale und Bankrotte rund um Bitcoin-Börsen und Probleme bei der Abwicklung großer Transaktionsaufkommen hemmen die Entwicklung.

Schlimmer noch für die Anhänger der reinen Lehre: Die Notenbanken könnten sich die Bitcoin-Technologie zu eigen machen. Der Chefvolkswirt der Bank of England, Andrew Haldane, hat von Zentralbanken emittiertes digitales Geld 2015 zu einer Priorität der Forschungsabteilung seiner Notenbank erklärt. Denn auf digitales Geld kann man, anders als auf Bargeld, einen negativen Zins erheben. Wenn digitales Notenbankgeld Bargeld ersetzen würde, müsste man bei schlechter Wirtschaftsentwicklung nicht mehr bei null Prozent oder knapp darunter mit den Zinssenkungen aufhören. Auch in viel diskutierten Blogbeiträgen wie dem von JP Konig über „Fedcoin“ und in wissenschaftlichen Aufsätzen, wie einem aktuellen von Max Raskin und David Yermack, wird die Möglichkeit einer staatlichen Digitalwährung ernsthaft erwogen.

Dezentrale Verbuchung der Transaktionen

Die Verifizierung und Verbuchung der Bitcoin-Transaktionen wird dezentral von den Nutzern erledigt, mit Hilfe der sogenannten Blockchain-Technologie. Jeder Nutzer hat eine eindeutige Nummer für seine Bitcoin-Bestände. Transferiert werden Bitcoins öffentlich. Computer, die an das Bitcoin-Netzwerk angeschlossen sind, verifizieren die Echtheit, indem sie eine Rechenaufgabe lösen, die die beiden Nummern beinhaltet, aber auch Informationen zu allen früheren Transaktionen mit der gleichen Bitcoin. Ist das geschehen, wird die Transaktion mit anderen zusammengefasst und als Block nochmals durch Lösen einer Rechenaufgabe verifiziert. Nachträgliche Änderungen an einer Transaktion, bei denen jemand Bitcoins umleitet, würden bei der versuchten Nutzung dieser Bitcoins die Verifizierung scheitern lassen.

Wer Computerkapazität für die Verifizierung zur Verfügung stellt, bekommt dafür Bitcoins. Auf diesem Weg kommen zusätzliche Bitcoins in Umlauf, allerdings mit der Zeit immer weniger – mehr als 21 Millionen Bitcoins können nicht in Umlauf kommen. Nicht alle Digitalwährungen haben eine solche Obergrenze.

Bitcoin-Technologie ermöglicht Zentralbankkonten für alle

Die Bitcoin-Technologie bietet den Zentralbanken bisher ungeahnte Möglichkeiten. Sie können sie etwa nutzen, um ein Pendant zum Bargeld für die digitale Welt herauszugeben. Bargeld ist bisher das einzige Zentralbankgeld, das Bürger und Unternehmen nutzen können. Denn Konten bei den Zentralbanken dürfen sie nicht führen. Zentralbankgeld in Form von Giroguthaben bei der Notenbank ist den Banken vorbehalten, die darüber den Zahlungsverkehr untereinander abwickeln. Bürger und Unternehmen wickeln unbare Zahlungen mit Buchgeld der Banken ab.

Mit der Blockchain-Technologie wäre es für die Zentralbanken kein Problem mehr, Millionen Nutzern Zugang zu digitalem Zentralbankgeld zu geben. Für die Banken hätte das allerdings dramatische Konsequenzen. Ihr bisheriges Privileg, Buchgeld herauszugeben, das als allgemeines Zahlungsmittel dient, würde entwertet. Um einen Kredit in „Fedcoin“ (herausgegeben von der US-Notenbank Fed) oder „ECBcoin“ (herausgegeben von der Europäischen Zentralbank) zu vergeben, könnten die Geldhäuser nicht mehr einfach dem Kreditnehmer den entsprechenden Betrag gutschreiben. Sie müssten sich selbst erst einmal die nötigen Coins leihen, würden also zu reinen Kreditvermittlern – ein deutlich weniger einträgliches Geschäft.

Der Zahlungsverkehr allerdings wäre von Bankenpleiten nicht mehr bedroht. Die Banken könnten sich also nicht mehr darauf verlassen, von Regierung und Notenbank gerettet zu werden.

Mit Anonymität ist es nicht weit her

Als Vorzug von Bitcoin für Nutzer gilt die Anonymität, ähnlich wie beim Bargeld. Allerdings ist es damit nicht weit her. Man müsste von Pseudoanonymität sprechen. Anders als bei Barzahlungen wird jede Bitcoin-Transaktion mit Absender und Empfänger dauerhaft aufgezeichnet. Sobald jemand die Verbindung von Nummer und Nutzer herstellen kann, liegen dessen gesamte Transaktionen offen.

Bisher haben die Regierungen in Europa und den USA trotz Geldwäschegefahr, noch keine Anstalten gemacht, die Nutzung von Bitcoins zu verbieten oder einzuschränken, stellen Raskin und Yermack fest. Das könnte daran liegen, dass sich die Geheimdienste und wohl auch die Polizeibehörden Berichten zufolge hinreichend in der Lage sehen, die Anonymität aufzuheben.

Die Dezentralität hat einen Preis, stellt Mayer fest. Weil die gesamte Transaktionshistorie einer digitalen „Münze“ geprüft werden müsse, könnten gegenwärtig nur sieben Transaktionen pro Sekunde abgewickelt werden. Deshalb wird diskutiert, dass Notenbanken eine digitale Währung nicht dezentral verwalten, sondern zentral. George Danezis and Sarah Meiklejohn haben für die Bank of England bereits eine digitale Währung mit zentraler Buchhaltung namens RSCoin entwickelt. Dabei wird durch dezentrale Prüfstellen, sogenannte „Mintettes“, sichergestellt, dass die „Münzen“ immer nur einmal ausgegeben werden, und dabei auch für Transparenz des Systems gesorgt.

Eine zentrale Verwaltung hat den Vorteil, dass niemand die Transaktionen einsehen kann. Aber die Zentralbank hätte anders als beim Bargeld dauerhaft die Kontrolle darüber, was mit dem Geld geschieht – und Informationen über die Transaktionen aller Nutzer. Doch kann es ohnehin als unwahrscheinlich gelten, dass die Zentralbank darauf verzichtete, die Identität der Nutzer zu kennen.  Das wäre ein Bruch mit der Anti-Geldwäsche-Politik, die von Banken verlangt, die Identität von Kontoinhabern und von allen, die größere Bargeldtranskationen vornehmen, zu prüfen.

Bankenprivilegien können auch in der Bitcoin-Welt gesichert werden

„Mit Fedcoins könnte man dasselbe tun wie mit Giralgeld, zu einem Bruchteil der Kosten“, schreibt Konig, und überlegt ganz treuherzig, wie man die Gewinne der Banken retten könnte. Sein Vorschlag: Jede Bank darf eigenes Digitalgeld zum Kurs von 1:1 gegenüber Fedcoin herausgeben. Die Banken akzeptieren Fedcoins und Digitalwährungen anderer Banken. Kredit geben sie in eigener Digitalwährung.  Das wäre praktisch eine Übertragung des alten Systems in die Digitalwährungswelt.

Das zeigt: wenn man weiter den Zentralbanker und Bankern überlässt, des Geldsystem zu gestalten, wird es unabhängig von der Technologie weiter ganz im Sinne und zum Vorteil der Banken gestaltet werden. Die Parlamentarier sind aufgerufen, endlich ihre Aufgabe zu erfüllen, und sich um die gesetzliche Regelung eines Geldsystems im Sinne der Bevölkerungsgesamtheit zu kümmern. Das Aufkommen neuer Technologien, wie der Blockchain-Technologie kann dafür vielleicht ein Katalysator sein. Aber ohne starken öffentlichen Druck wird es kaum gehen.

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