Ein Empfang der Bundesbank für die Tagungsteilnehmer der Ökonomenvereinigung Verein für Socialpolitik hat mir ein bilanztechnisches Problem des Helikoptergeldvorschlags bewusst werden lassen, das ich bisher nicht im Blick hatte. Es lässt sich leicht lösen. Durchdenkt man das Problem und die Lösung, kommt man auf neue, interessante Möglichkeiten, die Staatsschuldenkrise mit einem Federstrich zu entschärfen.
Mein Tischnachbar und ich diskutierten, wer die Kosten für die großzügige Einladung der Bundesbank trägt. Zahlt das die Bundesbank durch Geldschaffung aus dem Nichts? Oder zahlt es letztlich der Steuerzahler? Anders formuliert: Würde jedes zusätzliche Häppchen, das gereicht würde, nicht nur unseren Hunger stillen, sondern gleichzeitig auch den Geldumlauf steigern – und damit die Deflationsgefahr im Euroraum reduzieren?
Die enttäuschende Antwort ist: Ja, aber nur zeitweise. Zunächst bezahlt die Bundesbank den Abend, indem sie der Bank des Caterers und des Vermieters der Lokalität ein neues Zentralbankguthaben in Höhe der Rechnung einräumt. Die Bank schreibt das wiederum den Konten des Caterers und des Vermieters bei ihr gut. Um den Rechnungsbetrag ist der Zahlungsmittelumlauf in der Wirtschaft gestiegen.
Zunächst einmal. Wenn die Bundesbank und die anderen im Eurosystem mit der EZB zusammengeschlossenen Zentralbanken ihren Abschluss machen und ihren Gewinn ermitteln, buchen sie die zusätzlichen Zentralbankguthaben, mit denen die Bundesbank das Bankett bezahlt hat, als Verbindlichkeit. Da der Gegenwert konsumiert wurde, steht dieser Verbindlichkeit kein Aktivposten in der Bilanz gegenüber. Das heißt, der Gewinn sinkt. Das Eurosystem kann weniger Gewinn an die Regierungen überweisen.
Letztlich zahlt also der europäische Steuerzahler. (Wer jetzt den Verdacht hegt, die Bundesbank sei auf Steuerzahlerkosten unangemessen großzügig zu dem Ökonomenverein, dessen Schatzmeister sie stellt, der sei beruhigt. Es war ein knurrender Magen, der unsere Gedanken auf solch grundlegende Fragen fokussierte.)
Wenn die Zentralbank also im Sinne Ben Bernankes, wie im vorangegangenen Beitrag beschrieben, Geld in Umlauf bringt, indem sie es für gute Zwecke spendet oder sonstwie verschenkt, dann wird die Wirkung dessen später wieder neutralisiert. Denn sie schüttet später entsprechend weniger Geld als Zentralbankgewinn aus, das über den Staatsausgaben in Umlauf kommt.
Wenn die Zentralbank sogar massiv Geld verschenkt, etwa indem sie 50 Milliarden Euro an die Haushalte verteilt, dann müsste sie nach geltender Bilanzierungspraxis einen hohen Verlust ausweisen. Das hat zwar real keine Bedeutung, wie auch Ben Bernanke in seiner Rede (S. 24f) ausführt. Denn der Passivposition in der Bilanz stehen nur Zahlungsverpflichtungen in Geld gegenüber, das die Notenbank selbst drucken kann. Aber es würde doch eine lästige Diskussion über Kapital-Nachschusspflichten der Regierungen auslösen. (Dass das Problem eines Bilanzverlusts auch bei Geldgeschenken an die Bevölkerung auftritt, scheint auch Bernanke übersehen zu haben, nicht nur ich.)
Das Problem lässt sich mit einer einfachen Bilanzoperation lösen, wenn die Zentralbank willens ist, es zu lösen. Die Notenbank müsste nur auf die Aktivseite ihrer Bilanz einen Posten mit Namen „Ausgleichsposten für Helikoptergeld“ schreiben. Das klingt verrückt, ist aber gängige Notenbankpraxis. So steht in der zusammengefassten Bilanz des Eurosysstems ein Posten mit Namen „Ausgleichsposten für vom IWF zugeteilte Sonderziehungsrechte“. Den haben die Notenbanker erfunden, als die Welt in einer ähnlichen Situation war wie heute der Euroraum. Es gab zu wenig Geld. Der Internationale Währungsfonds verschenkte zusätzliches Geld an die Zentralbanken aller Mitgliedsländer, sogenannte Sonderziehungsrechte. Wenn die Notenbanken das einfach nur als das Geschenk bilanziert hätten, das es war, hätte das direkt ihren Gewinn gesteigert und wäre auszuschütten gewesen. Um das zu vermeiden, erfanden sie den Ausgleichsposten.
Das macht deutlich: Wenn die EZB Helikoptergeld verteilen wollte, um den Geldumlauf zu erhöhen, könnte sie zur Vermeidung eines Bilanzverlusts eine ähnliche Position für die Aktivseite erfinden, oder das Helikoptergeld gleich mit dem Ausgleichsposten für Sonderziehungsrechte auf der Passivseite verrechnen.
Wenn man auf diese Weise schon mal auf diesen merkwürdigen Posten in der Bilanz aufmerksam geworden ist, fallen einem noch ganz andere Sachen ein, wie man diesen nutzen könnte. Aber dieser Blog-Beitrag ist jetzt schon ziemlich lang. Morgen ist auch noch ein Tag.