Die digitale Privatwährung Bitcoin hat ein Problem: Die 2009 von anonymen Programmierern geschaffene „Kryptowährung“ ist zu begehrt – zumindest derzeit. Kürzlich hat sie die Marke von 8,.000 Dollar hinter sich gelassen und ihren Wert damit innerhalb von Jahresfrist vervierfacht. Es gab allerdings auch schon mehrere Episoden, in denen sie binnen kurzem den Großteil ihres Werts verlor. Eine Allianz aus Vertretern von Silicon Valley und Wall Street arbeitet an einer wertstabilen Alternative, die irgendwann sogar den Dollar als Weltwährung ablösen soll.
Für den Chef der Großbank JP Morgan, Jamie Dimon, ist Bitcoin keine Währung, sondern ein Spekulationsobjekt – und ihr Höhenflug eine Blase. „Es wird böse enden“, warnte er jüngst und nannte Bitcoin sogar einen Betrug. Dimons Überzeugungskraft leidet darunter, dass er vor zwei Jahren, beim Stand von 400 Dollar, voraussagte, dass Bitcoin nicht überleben werde. Doch das Problem von Bitcoin als Währung ist unumstritten.
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Solange Bitcoin solche Wertsteigerungen bringt, wird kaum jemand sie zum Bezahlen benutzen.
So bringt es Ökonom Merijn Knibbe von der Universität Wageningen auf den Punkt. Umgekehrt tauschen Unternehmen, die Bitcoin akzeptieren, diese meist sofort in traditionelle Währungen ein, weil sie das Kursrisiko scheuen.
Drei Computerwissenschaftler mit Wall-Street- und Silicon-Valley-Erfahrung wollen deshalb eine neue Digitalwährung namens Basecoin schaffen, die auf Wertstabilität hin ausgerichtet ist. Grundlage soll wie bei Bitcoin die Blockchain-Technologie sein. Dabei wird jede Transaktion dezentral verifiziert und dann auf vielen vernetzten Computern gespeichert. So ist jederzeit nachweisbar, dass einem eine „Münze“ gehört. Kryptografische Verfahren sorgen für Anonymität und dafür, dass nur der Besitzer über sie verfügen kann.
Wertstabilität als Ziel
Während es aber für die insgesamt ausgegebenen Bitcoin eine fest einprogrammierte Obergrenze gibt, soll der Ausgabemechanismus bei Basecoin so gestaltet werden, dass automatisch Wertstabilität hergestellt wird. Zunächst soll das einen festen Wechselkurs von einem US-Dollar je Basecoin bedeuten. Immer wenn die Basecoin billiger als ein Dollar wird, sollen digitale Münzen aus dem Verkehr gezogen werden. Das geschieht durch Ausgabe von „Base-Bonds“, die mit Basecoins bezahlt werden.
Wenn der Basecoin-Wert über einen Dollar steigt, werden dagegen automatisch zusätzliche Münzen in Umlauf gebracht. Soweit es noch Ansprüche von Haltern von Base-Bonds auf Rückzahlung und Zinsen gibt, bekommen sie die neuen Münzen. Wenn nicht, werden Halter von „Base-Shares“ mit Dividenden bedient. Base-Shares sind Eigentumsanteile an dem privaten Währungssystem. Die Dividenden speisen sich aus dem Geldschöpfungsgewinn.
„Bitcoin und andere Kryptowährungen sind ein Spielplatz für Spekulanten, und das unterminiert ihre Verwendung als Geld“, erklärt Basecoin-Entwickler Nader Al-Naji, der seinen Job bei Google für dieses Projekt aufgegeben hat. Basecoin wolle kein Spekulationsobjekt sein, sondern ein Transaktionsmedium.
Das mit viel Pomp angekündigte „White Paper“ vom 13. Oktober zu Basecoin skizziert hochfliegende Pläne zur Erneuerung des Finanzsystems im Dienste der Menschen und der Firmen. „Basecoin würde der Welt die Technologie geben, eine unabhängige, transparente und möglicherweise stabilere Geldpolitik zu entwickeln als alles, was bisher mit Hilfe von Zentralbanken möglich war“, heißt es darin. Von den Geldschöpfungsgewinnen, die im Erfolgsfall dem winken, der eine solche Währung auf eigene Rechnung herausgibt, ist nur indirekt die Rede.
Geldschöpfungsgewinn lockt Investoren
Wie lukrativ das sein kann, haben die Initiatoren Kapitalanlegern schon vorher erfolgreich vermittelt. Ihr Unternehmen „Intangible Labs“ hat illustre Investoren gewonnen, darunter den vom republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney mitgegründeten Finanzinvestor Bain Capital sowie Andreessen Horowitz und den führenden Blockchain-Investor Digital Currency Group (DGC).
Andreessen Horowitz ist eine Wagniskapitalfirma, die viel Geld mit Skype und den wichtigsten Social-Media-Unternehmen wie Facebook und Twitter verdiente. An DGC sind etablierte Finanzgrößen wie Western Union, Prudential, Mastercard und wiederum Bain Capital beteiligt. Und im Hintergrund wirkt seit 2016 der Harvard-Ökonom und ehemalige Finanzminister Larry Summers als Berater mit. Summers teilt eine Karrierestation mit den drei Basecoin-Entwicklern, den Finanzinvestor D.E. Shaw.
Larry Summers bleibt lieber im Hintergrund
Schon kurz nach seinem Einstand bei DGC im Frühjahr 2016 ließ Summers in weiser Voraussicht durchblicken, in welche Richtung es gehen könnte: „Mein Verdacht ist, dass man Wege finden wird, die Vorteile [der Blockchain] zu bekommen, ohne die Unsicherheit beim Wert von Bitcoin.“
Auf die Frage, ob Summers zu der Entscheidung beigetragen habe, in „Intangible Labs“ zu investieren, sagte eine Sprecherin von DGC, er sei an der Entscheidung nicht „beteiligt“ gewesen. Eine Klarstellung, ob das bedeute, dass er nicht beraten habe, verweigerte sie. Summers wirbt öffentlich für die Zurückdrängung des Bargelds, da dessen Anonymität Verbrechern helfe. Kryptowährungen wie Bitcoin und künftig wohl auch Basecoin sehen sich demselben Vorwurf ausgesetzt.
Trittbrettfahrer des Dollar
Die Basecoin-Initiatoren machen keinen Hehl daraus, dass sie sich als Trittbrettfahrer der US-Notenbank betätigen wollen, indem sie die von der Federal Reserve erreichte Geldwertstabilität nutzen. Doch im Kapitel „Eine Welt nach dem US-Dollar“ skizzieren sie ihre Pläne für die Zeit, wenn „Basecoin ein so gebräuchliches Zahlungsmittel wird, dass es beginnt, den Dollar zu verdrängen.“ In diesem Fall könnte man als Maßstab für die Stabilisierung des Basecoin-Werts vom Dollar auf einen Verbraucherpreisindex umstellen. Mit Problemen der Messung von Verbraucherpreisen und den Möglichkeiten, Indizes zu manipulieren, setzt sich das Papier nicht auseinander.
Al-Naji zufolge arbeitet das Team noch an einem „Yellow Paper“, in dem technische Spezifikationen festgezurrt werden. Dabei wird es sich mit einem zweiten großen Problem der Nutzung von Kryptowährungen im Zahlungsverkehr auseinandersetzen müssen: Die Geschwindigkeit der Transaktionsverarbeitung ist so niedrig, dass das Bitcoin-System mit der Abwicklung eines nennenswerten Anteils des weltweiten Zahlungsverkehrs heillos überfordert wäre. Das lässt sich aber eventuell lösen.
Ein regelbasiertes System würde, so die Verheißung, besser funktionieren als Notenbanken, deren Unabhängigkeit von Regierungen nie vollkommen sei. Doch die Gegenseite ergibt sich nicht kampflos. Russlands Regierung hat einen Krypto-Rubel unter eigener Regie angekündigt. Und viele westliche Notenbanken arbeiten an Konzepten für eigene Digitalwährungen.
[21.11.2017]