BSW-Spitze will mehr Krawall und weniger Kompromisse

19. 04. 2025 | Die BSW-Parteispitze um Sahra Wagenknecht hat in einem Brief an Mitglieder und Unterstützer der Partei Fehler eingeräumt und die Lehren genannt, die sie daraus zieht: mehr Mitglieder, mehr Opposition und bessere Einbindung der Unterstützer.

Nach großen Erfolgen bei der Europawahl und drei ostdeutschen Landtagswahlen, scheiterte das BSW bei der vorgezogenen Bundestagswahl vorläufig denkbar knapp an der Fünfprozenthürde. Dagegen will die Partei wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung juristisch vorgehen. Doch die Parteispitze räumt in einem Brief an Mitglieder und Unterstützer selbstkritisch ein, dass es an diesen Unregelmäßigkeiten allein nicht lag:

„Natürlich haben auch wir selbst im letzten Jahr Fehler gemacht und Wähler und Anhänger des BSW wieder verloren, die unser Projekt zunächst mit großer Begeisterung unterstützt haben. Wir wollen alles dafür tun, sie zurückzugewinnen.“

Die Parteiführungen im Bund und in den Ländern hätten wegen knapper personeller und zeitlicher Kapazitäten zu wenig mit den Mitgliedern und vor allem den Unterstützern kommuniziert, räumen Wagenknecht, die Kovorsitzende Amira Mohamed Ali und Generalsekretär Christian Leye ein und geloben Besserung. Dazu versprechen sie unter anderem bis Monatsende 1.200 weitere Mitglieder aufzunehmen und die Mitwirkungsmöglichkeiten und Information der Unterstützer zu verbessern.

Die Hauptkritik der Berliner Parteispitze richtet sich allerdings gegen die BSW-Fraktionen in Brandenburg und vor allem Thüringen, die Regierungskoalitionen mit SPD und CDU eingegangen sind. Sie spricht sich gegen „Ausgrenzungsrituale“ gegenüber der AfD aus, bei denen diese Fraktionen mitgemacht haben. Stattdessen müssten die Anliegen der AfD-Wähler ernst genommen werden, und das hätten die Landesregierungen mit BSW-Beteiligung nicht ausreichend getan:

„Dass auch wir diese Anliegen in den Landesregierungen bisher nur unzureichend vertreten haben, hat einen relevanten Teil unserer potenziellen Wähler, die uns bei der Europawahl und den Landtagswahlen noch ihr Vertrauen gegeben hatten, bei der Bundestagswahl zur AfD zurückgetrieben.“

Der Brief führt eine Umfrage von Januar an, wonach die Thüringer BSW-Wähler besonders unzufrieden mit der Thüringer Koalition sind. Das erkläre „den überproportional starken Einbruch bei der Bundestagswahl ausgerechnet in dem Bundesland, in dem wir ursprünglich das mit Abstand größte Wählerpotenzial hatten“.

Die Fraktionen in Brandenburg und Thüringen werden, ohne sie beim Namen zu nennen, für öffentliche Äußerungen zur Corona-Aufarbeitung und den Umgang mit der AfD gescholten. Das Trio schreibt:

„Auch müssen wir daran arbeiten, dass alle Landespolitiker die Programmatik vertreten, die das BSW ausmacht und für die wir gewählt wurden. Das betrifft in besonderem Maße die Corona-Aufarbeitung und den Umgang mit der AfD, aber auch andere Fragen. Äußerungen in Landtagen, die unserem Programm diametral widersprechen, kosten Vertrauen und vertreiben Wähler.“

Welche Anliegen von AFD-Wählern die Führungsspitze des BSW künftig stärker durch die Partei vertreten sehen will, wird in ihrer Aufzählung von Prioritäten deutlich. Die Partei soll vor allem eintreten:

  • für Frieden und Abrüstung,
  • für vernünftige Wirtschaftspolitik,
  • für soziale Gerechtigkeit bei Renten und Steuern,
  • für Überwindung der Energie- und Digitalabhängigkeit von den USA,
  • gegen autoritäre Tendenzen und Verengung des Meinungskorridors,
  • gegen die zunehmende Überwachung durch Staat und Digitalkonzerne,
  • für Aufarbeitung des „Corona-Unrechts“,
  • für Respekt vor demokratischen Grundregeln im Umgang mit Konkurrenten.

Fazit

Der Burgfrieden zwischen der Parteispitze des BSW in Berlin und Landespolitikern, vor allem in Thüringen, der während des Wahlkampfs notdürftig eingehalten wurde, ist endgültig aufgekündigt. Berlin macht unmissverständlich deutlich, dass BSW eine Oppositionspartei sein soll, die sich entschieden für die Belange von Bürgern einsetzt, die in starkem Maße unzufrieden mit dem politischen Angebot des gesamten politischen Mainstream sind. Sie soll eine soziale, antimilitaristische Alternative zur AfD sein. Mit Regierungskoalitionen mit Union, SPD, Grünen und Linken verträgt sich diese Ausrichtung gegenwärtig sehr schlecht.

Transparenzhinweis: Der Autor ist BSW-Mitglied.