EU-Vermögensregister schafft es auf groteske Weise doch noch in die etablierten Medien

27. 08. 2021 | Am 2. August hatte ich hier darüber geschrieben, dass die EU-Kommission die Möglichkeit der Einführung eines allgemeinen, umfassenden Vermögensregisters prüft. Die etablierten Medien ignorierten das Aufreger-Thema wochenlang, bis der Fokus es jetzt aufgriff und andere nachzogen. Die Art, wie das geschah, lässt tief blicken.

Am 25. August, über drei Wochen nach meinem Bericht, brachte Focus einen seltsamen Bericht unter dem Titel „Kommt das Vermögensregister? EU will uns bis zum letzten Cent durchleuchten.“ Passend zum Titel sind die ersten vier Fünftel im Tenor und Inhalt praktisch eine Nacherzählung meines Beitrags „Die EU-Kommission will ein umfassendes Vermögensregister aller Bürger erstellen„, einschließlich des Hinweises, dass es zielführender wäre, die EU würde etwas gegen die EU-Steueroasen tun.

Die EU-Kommission will ein umfassendes Vermögensregister aller Bürger erstellen

Genannt werde ich in diesem Teil nicht. Das ist an sich kein Problem für mich. Imitation ist die höchste Form der Anerkennung.

Doch dann kommt ein harter Bruch. Man hat den Eindruck, als habe ab da jemand anderes weitergeschrieben, jemand, der gegoogelt und gesehen hat, wo die Info und Einordnung herkommt, und der sich nun daran macht, diese nicht genannte Quelle zu diskreditieren. Ich tippe auf einen Brüssel-Korrespondenten, der darauf achten wollte, dass man es sich mit der Kommission nicht verscherzt, von der man weiter mit Informationen versorgt werden möchte. (Nur eine Vermutung.)

Der Teil, der meine Infos und Einordnung übernimmt und ein wenig weiterspinnt endet mit dem Satz „Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit würde sich so noch ein Stück zugunsten der Sicherheit – und des gläsernen Bürgers – verschieben.“ Dann geht es weiter mit:

„Allerdings muss ebenso beachtet werden: Noch steht das Projekt ganz am Anfang – und die bloße Machbarkeit eines solchen Registers muss nicht heißen, dass es letztlich auch umgesetzt wird. Derartige, nur auf den ersten Blick beunruhigende Studienaufträge sind auch nicht unbedingt ungewöhnlich. So beauftragte beispielsweise der Bundestag im vergangenen Jahr eine Studie zur „Welt ohne Bargeld“. Allein der Titel verursachte damals viel Aufregung. Später stellte sich heraus, dass die Studie eine befürchteten Bargeldabschaffung gar nicht befürwortete und ohnehin keinen bindenden Charakter für die politischen Entscheider hatte.“

Auch hier werde ich zwar nicht explizit genannt, der Link am Ende des Zitats führt allerdings zu einem Focus-Artikel von Februar 2020. Darin wurde auf alberne Weise – und diesmal mit Namensnennung –  der Blogbeitrag, mit dem ich das Welt-ohne-Bargeld-Projekt des Bundestags öffentlich gemacht hatte, relativiert. Dort heißt es:

„Eine Studie im Auftrag des Bundestags mit dem Titel „Welt ohne Bargeld – Veränderungen der klassischen Banken- und Bezahlsysteme“ erregte daher verständlicherweise die Gemüter. Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring beispielsweise äußerte prompt lautstarke Kritik. „Bundestag sucht Experten für Bargeldbeseitigung“, überschrieb er einen Blogbeitrag, in dem er auf eine Ausschreibung zu einem Gutachter für das Projekt hinweist. So vermutet Häring, dass die Resultate der Studie praktisch vorgegeben seien, wie sich an der Ausschreibung ablesen lasse. Dort würde die Bargeldnutzung der Bundesbürger als „Problem, ja als Obsession“ dargestellt – was für Häring eine klare Tendenz darstellt. Handelt es sich hierbei wirklich um einen weiteren Schritt in der Abschaffung des Bargelds? Die Projektleiterin verschafft Klarheit.“

Und dann werden ellenlang völlig unkritisch und unhinterfragt die Abwiegelungs-Ausflüchte der Projektleiterin wiedergegeben und so getan, als sei allein schon dadurch, dass die Dame sagt, das sei alles gar nicht so gemeint, meine Kritik widerlegt („… aber dann stellte sich heraus …“).

Besonders hübsch: In dem aktuell verlinkten Artikel sagt die Projektreiterin, die beauftragte Kurzstudie zur Welt ohne Bargeld werde im September 2020 fertig sein. Heute, im August 2021, ist auf der Webseite mit der Projektbeschreibung immer noch zu lesen, die Studie befinde sich „im Abnahmeprozess„. Ob man sich scheut, sie öffentlich werden zu lassen und deshalb die Abnahme ewig dauern lässt? Man weiß es nicht. Der Fokus verrät es uns nicht.

Andere ziehen nach

Man kann als etabliertes Medium beschweigen, was bloß ein Blogger schreibt. Aber wenn ein anderes etabliertes Medium das Schweigen bricht, steigt der Druck. Und so gab es einige Stunden später und am Folgetag einige Berichte von anderen Medien zum gleichen Thema, darunter von der Welt, dem ORF, Merkur und vom Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch die Europaabgeordneten verschiedener Parteien wurden dadurch aus ihrem verdienten Tiefschlaf geweckt und äußerten auf Anfrage Protest.

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