Das überaus seltsame Verständnis des Lauterbach-Ministeriums von Rechtsstaat und Demokratie

16. 02. 2022 | Wenn es nach dem geht, was Gesundheitsminister Karl Lauterbach seine Anwälte in meinem Verfahren gegen das Paul-Ehrlich-Institut argumentieren lässt, haben Bürger praktisch keine Rechtsmittel gegen seine Willkürentscheidungen. Außerdem haben demnach alle außer ihm gewusst, dass das Robert-Koch-Institut die Dauer des Genesenenstatus umgehend drastisch verkürzen würde. Lauterbach lügt – mal wieder.

Am 19.1. hatte ich darüber geschrieben, „Wie das Corona-Regime die Bürger vom Rechtsweg abschneidet“ , indem durch immer mehr Verweisungen und Unterverweisungen am Ende gar niemand mehr da ist, gegen den man klagen kann.

Ich habe trotzdem beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung dagegen gestellt, dass ich durch eine heimlich vorgenommene Änderung einer Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) über Nacht vom halb-privilegierten Grundimmunisierten zum vollständig entrechteten, unvollständig Geimpften herabgestuft wurde.

Die Stellungnahme der (teuren) Anwaltskanzlei, die Lauterbachs Gesundheitsministerium meint, dem Steuerzahler und/oder mir zumuten zu müssen, weil die eigenen Juristen sich offenbar in diesen Themen nicht so gut auskennen, verfolgt genau diese Linie. Argumentiert wird, dass die Kombination aus grundsätzlichem Grundrechtsentzug, kombiniert mit als Privileg zugestandenen Rechten für manche, und mit der bereits erwähnten Verweisungspraxis, effektiv dazu geführt habe, dass man als Bürger niemand hat, gegen den man klagen kann. Und wenn wider Erwarten doch, dann wären das die 16 Bundesländer, gegen die man einzeln klagen müsste, wenn man sich ohne bestimmte Einschränkungen im Bundesgebiet bewegen möchte. Und das, obwohl es eine Bundesbehörde ist, die auf Basis von Bundesverordnungen die bundesweit maßgeblichen Entscheidungen trifft.

Wenn ich also zum Beispiel von Frankfurt nach Berlin und zurück mit der Bahn fahren möchte, ohne mehrmals ein Testzentrum aufzusuchen, und in Berlin womöglich jemand in einer Gaststätte treffen möchte, dann müsste ich je nach Route gegen etwa vier Bundesländer klagen. Ich müsste einzeln dagegen klagen, dass sie sich in ihren Corona-Verordnungen, die mich einschränken, auf die Entscheidung des PEI beziehen, die ich für rechtswidrig halte. Genial, wie Karl Lauterbachs Gesundheitsministerium sich das ausgedacht hat.

Ein paar kleine Kostproben der Argumentation, die die Anwälte in Lauterbachs Namen vorbringen:

1. Wenn §2 Nr.3  der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, der für die Definition von „geimpft“ auf die Netzseite des PEI verweist verfassungswidrig wäre, wie wir argumentieren, dann hätte ich keine Anspruchsgrundlage für eine einstweilige Anordnung. Denn dann gäbe es einfach die im Infektionsschutzgesetz in §28c mit Verweis auf diesen Paragraphen aufgeführten Ausnahmen von den Grundrechtseinschränkungen nicht und zwar für alle nicht. Dann hätte niemand einen Anspruch auf Ausnahmen von den Einschränkungen und ich also auch nicht.

Genial, nicht wahr. Der Grundrechtsentzug ist aus Gesundheitsgründen die Norm. Alle Ausnahmen sind – nicht einklagbare – Privilegien. Dass es offenkundig unverhältnismäßig und damit grundgesetzwidrig wäre, allen ohne Ausnahme aufgrund einer mäßig gefährlichen Infektionskrankheit, gegen die es eine angeblich wirksame Impfung gibt, wesentliche Grundrechte zu entziehen, ist Lauterbach und seinen Anwälten egal.

2. Richtig krass wird es bei der Wesentlichkeitstheorie, wonach es Sache des Parlaments ist, die wesentlichen Regeln zu erlassen, insbesondere, wenn wichtige Grundrechte betroffen sind. Sie hat den wissenschaftlichen Dienst des Bundestags und verschiedene Verwaltungsgerichte dazu gebracht, die doppelte Verweisung vom Infektionsschutzgesetz auf die Corona-Ausnahmenverordnung und von dort auf die Netzseiten von RKI und PEI für grundgesetzwidrig zu erklären.

Dem halten Lauterbachs Anwälte entgegen, dass die Verweisung auf PEI und RKI auf einer Verordnung beruhten, die im Parlament debattiert worden sei, und der Bundestag und Bundesrat danach zugestimmt hätten. Insofern habe das Parlament alles Wesentliche nach Debatte im Wissen um die Folgerungen selbst entschieden.

Zum Beleg des Letzteren zitieren sie auch tatsächlich aus der Bundestagsdebatte vom 13. Januar Lauterbachs Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) mit den Worten:

„Meine Damen und Herren, nach den neuen Regelungen müssen die Impf- und Genesenennachweise generell den jeweils aktuell veröffentlichten Anforderungen entsprechen. Für den Impfnachweis sind das die Kriterien auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts, für den Genesenennachweis die auf der Seite des Robert-Koch-Instituts. Diese Kriterien und Vorgaben werden laufend an die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst.

Der Genesenenstatus wird künftig nach 3 Monaten bzw. 90 Tagen entfallen. Eine Anpassung der Vorgaben für einen vollständigen Impfschutz wird von der Bundesregierung fortlaufend überprüft. Auch die Corona-Einreiseverordnung sieht diese entsprechenden Anpassungen vor.“

Tatsächlich hat sie das gesagt, und wenn ein bisschen kritischer Geist im Parlament herrschen würde, hätten Abgeordnete der ganz großen Corona-Koalition aus Union,SPD, Grünen und FDP dieses Detail bemerken und hinterfragen können. Sie taten beides nicht und waren nachher überrascht, dass das RKI schon am nächsten Tag den Genesenenstatus auf seiner Netzseite verkürzte. Die Opposition hatte ohnehin genug anderes, grundsätzlicheres, zu bemängeln.

Aber das Krasse dabei ist: Karl Lauterbach behauptet trotz dieser Aussage seiner Staatsekretärin, das RKI habe diese Entscheidung gänzlich an ihm vorbei getroffen und er habe nichts davon gewusst. Und nun sagen parallel dazu seine Anwälte, die Sache sei so eingehend debattiert und allen Beteiligten klar gewesen – außer Lauterbach selbst natürlich -, dass man nicht behaupten dürfe, hier sei etwas am Parlament vorbeigeschleust worden, oder – milder – das Parlament habe nicht alle wesentlichen Entscheidungen im Wissen um die Folgerungen selbst getroffen.

Wenn Lauterbachs Anwälte argumentieren, man habe schon im Herbst gewusst, dass die Schutzwirkung einer einmaligen Janssen-Impfung – entgegen der hochfliegenden Effektivitätswerte der Zulassung – eher gering war, dann fragt sich doch, warum Lauterbachs Gesundheitsbehörden mit der Änderung der Einstufung mehrere Monate warteten, genau bis zum ersten Tag, an dem sie diese ohne Beteiligung des Parlaments ändern durften. Lauterbach bucht das wahrscheinlich unter besondere Schläue und nicht unter dem Rubrum Hintergehung des Souveräns.

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