Über Ausgrenzung, Angsterzeugung und mögliche Folgen – Mit Nachtrag zur Hetze von Scholz und Kretschmann

14. 12. 2021 | Weil es so erhellend und beängstigend ist, will ich eine Passage aus dem Buch „Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“ des Soziologen und Sozialpsychologen Harald Welzer aus dem Jahr 2005 wiedergeben und ganz kurz dem gegenüberstellen, was derzeit so getan und gesagt wird.

„Wie ist es möglich, dass Veränderungen in Verhaltensnormen, die jedermann für gegeben und gültig hält, in solcher Geschwindigkeit vonstatten gehen können (…)?

Im Ergebnis bedeuten diese normativen Veränderungen, dass eine Gruppe von Gesellschaftsmitgliedern sukzessive aus dem »Universum der allgemeinen Verbindlichkeit« ausgeschlossen wird, das für die Anderen, die Zugehörigen zur Mehrheitsgesellschaft, nach wie vor in Geltung ist, nun aber exklusiv wird. Dieser Vorgang ist, wie gesagt, die zentrale Voraussetzung für die Entstehung genozidaler Prozesse. Denn die Ausschließung verläuft über die Definition, dass die auszuschließende Gruppe an sich, und das heißt: jedes ihrer Mitglieder, eine Bedrohung für das Wohlergehen und letztlich für die Existenz der Mehrheitsgesellschaft ist – die dann folgerichtig ihr Heil darin erblickt, diese als bedrohlich wahrgenommene Gruppe unschädlich zu machen und, in letzter Konsequenz, zu vernichten!

Deshalb geht allen bekannten Vernichtungsprozessen eine Definition der bedrohlichen Gruppe voraus, und dieser Definition schließt sich eine sich beschleunigende soziale, psychologische, materielle und juristische Deklassierung an, die die zunächst nur behauptete Andersartigkeit der ausgeschlossenen Gruppe zunehmend in eine von den Zeitgenossen gestaltete und gefühlte Realität überführt.“
(S. 63)

Deshalb läuft es vielen so kalt den Rücken herunter, wenn sie Sätze hören, wie den vom saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans am 9. Dezember bei Maybrit Illner:

„Deswegen müssen wir diese Welle bremsen. Dazu, glaube ich, ist es wichtig, dass man eine klare Botschaft sendet, den Ungeimpften: Ihr seid jetzt raus aus dem gesellschaftlichen Leben.“

Oder die Wirtschaftsweise Veronika Grimm in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

„Es gilt daher, (..) dem harten Kern der Impfgegner zumindest in den Augen von Menschen, die sich an unserer Rechtsordnung orientieren, die Legitimation zu entziehen.“

Das sind nur die aktuellsten Beispiele. Es gibt hunderte, auch von wichtigeren Leuten. Es beruhigt auch überhaupt nicht, wenn der neue Bundeskanzler schon vor Amtsantritt von einem „Corona-Regime“ spricht, das er exekutieren will und davon, dass es dabei für seine Regierung „keine roten Linien“ geben werde. Die ganze Politik läuft darauf hinaus, die Lebenswelten der Mehrheit und einer abgesonderten Minderheit möglichst vollständig zu trennen und dabei die Minderheit als tödliche Gefahr für die Mehrheit darzustellen.

Daraus kann sich sehr Schlimmes entwickeln, wie Welzer ganz ohne jeden Zusammenhang zu Corona, aus der Analyse der Vorgeschichten von Pogromen abgeleitet hat. Er schreibt nicht, dass es zum Massenmord kommen werde, wenn diese Bedingungen erfüllt sind. Aber es ist schlimm genug, wenn die Voraussetzungen geschaffen werden, dass es dazu kommen kann, oder – wahrscheinlicher – zu Exzessen, wie man sie in der scheinbar gefestigten Demokratie Australien mit dem ausgesprochen rüden Wegsperren von positiv Getesteten bereits heute beobachten muss.

Auf die dritte und die vierte Gewalt, die Medien und die Gerichte, kann man sich als Sicherungsinstanzen kaum noch verlassen.

Biedermänner und Brandstifter

Nachtrag (15.12): Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte laut FAZ über Demonstranten, die am 12. Dezember bei den Anti-Regierungsdemonstranten Corona-Proteste zur Diffamierung staatlicher In­stitutionen genutzt hätten, sie seien „Aasgeier der Pandemie“. So klingen Biedermänner, die sich als Brandstifter betätigen. Kretschmann gehört fast seit Beginn der Pandemie zu den biedersten und gefährlichsten.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in seiner Regierungserklärung am 15. Dezember:

„Wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen.“

Dieser „winzigen Minderheit der Hasserfüllten“ werde man mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaats begegnen. Deutschland sei eine wehrhafte Demokratie, sagte Scholz.

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