13. 01. 2019 | Notenbanken haben ihren Namen von den Banknoten, die die Unterschrift ihrer Präsidenten tragen. Man sollte daher nicht erwarten, dass sie es als ihre Aufgabe ansehen, diese schlechtzureden. Sie tun es dennoch. wie drei Studien aus den vergangenen Monaten eindrucksvoll zeigen. Die Notenbanken sind eben auch Teil der Globalen Partnerschaft für finanzielle Inklusion der G20, die zusammen mit der Better Than Cash Alliance an der Abschaffung des Bargelds arbeitet.
Die niederländische Zentralbank hat jüngst in einer Studie festgestellt, dass Barzahlen die Umwelt stärker schädigt und mehr klimaschädliche Gase produziert als Kartenzahlungen. Die Leiterin der Division Geldpolitische Strategie der Europäischen Zentralbank (EZB), Katrin Assenmacher, hat gemeinsam mit Signe Krogstrup, einer Beraterin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Möglichkeiten untersucht, Bargeld gegenüber Bankguthaben abwerten zu lassen, um es unattraktiv zu machen. Und die Bank von Kanada fragt sogar, ob man Bargeld als Zentralbank vermissen sollte, wenn es verschwunden wäre.
Klimarettung durch Bargeldbeseitigung?
Die niederländische Studie mit dem Titel ‚Life cycle assessment of card payments‚ stellt fest, dass Kartenzahlungen pro Transaktion 21 Prozent weniger CO2-Ausstoß verursachen als Barzahlungen. Eine Reduktion der Anzahl der Geldautomaten um eine Viertel würde den CO2-Ausstoß um acht Prozent senken, generelles Bezahlen mit Plastikgeld sogar um ein Fünftel. Das ist eine schöne Vorlage für alle, die Propagandasätze verbreiten wollen wie: „Kartenzahlungen sind umweltfreundlicher als Bargeld“ oder „digitales Bezahlen hilft gegen die Erderwärmung“. Unerwähnt bleibt dann natürlich die Größenordnung. Ein Umsteigen auf Plastikgeld würde lediglich ein Hundertzwanzigtausendstel des C02-Ausstoßes der Niederlande vermeiden. Das ist sehr weit unterhalb der statistischen Fehlermarge. Wahrscheinlich hat allein der CO2-Ausstoß durch das Erstellen dieser Studie das Einsparpotential eines Jahres aufgebraucht.
Mit digtialem Geld Wirtschaftskrisen verhindern
Der Anti-Bargeld-Aktivist und frühere US-Finanzminister Larry Summers schlägt sogar die weitgehende Beseitigung von Bargeld vor, damit dieses nicht als Ausweichmöglichkeit genutzt wird, wenn die Leitzinsen der Notenbanken negativ sind. Denn wenn die Banken diese Negativzinsen an Einlagenkunden weitergeben würden, könnten diese ihr Geld abheben und als Bargeld aufbewahren.
Die Bargeld-Abschaffung halten Assenmacher und Krogstrup für verfrüht, weil der Bargeldanteil am Bezahlmarkt im Euro-Raum noch zu hoch sei und verschiedene Bevölkerungsgruppen noch auf Bargeld angewiesen seien. Die Lösung sehen sie darin, Bargeld indirekt mit einem Negativzins zu belegen. Sie stellen sich hinter den Lösungsvorschlag des Chefvolkswirts der US-Großbank Citi, Willem Buiter. Die Citi ist Gründungsmitglied der Better Than Cash Alliance in Washington, die sich die globale Beseitigung des Bargeld zur Aufgabe gemacht hat. Diesem Vorschlag zufolge wertet die Notenbank Bargeld im Fall von Negativzinsen auf Bankguthaben laufend gegenüber Bankengeld ab, sodass beide Geldhalteformen gleich unattraktiv werden.
Bei einem Negativzins von vier Prozent läge der Bargeld-Kurs gegenüber Banken-Buchgeld nach drei Monaten bei 101 Bar-Euro für 100 Buch-Euro. Die EZB würde den Banken bei Auszahlung von 100 Euro Bargeld nur etwa 99 Euro vom Zentralbankkonto abziehen oder bei Einzahlung von 100 Euro Bargeld auch nur 99 Euro gutschreiben. Die gleiche Relation gälte am Geldautomaten. Einzelhändler und sonstige Verkäufer würden entsprechend von Barzahlern ein Prozent mehr verlangen. Nach einem Jahr läge der Aufschlag gegenüber Kartenzahlungen dann bei vier Prozent. Eine (erwünschte) Nebenwirkung wäre wohl, mutmaßen Assenmacher und Krogstrup, dass viele Händler erst einmal versuchen würden, Kunden vom Barzahlen abzuhalten, um sich das Hantieren mit verschiedenen Preisen zu sparen.
Wenn die Notenbank Bargeld gegenüber Buchgeld noch unattraktiver machen wolle, zum Beispiel, wenn die Kunden Vertrauen in die Sicherheit des Buchgelds verlieren, könne sie die Abwertung auch stärker ausfallen lassen. Die Zentralbank würde jeden Tag einen neuen Wechselkurs zwischen Bargeld und Banken-Buchgeld veröffentlichen.
Damit das Ganze auf die beabsichtigte Weise funktioniert, wäre sicherzustellen, betonen die beiden, dass Verkäufer die Preise in elektronischem Geld auszeichnen und nicht in Bar-Euro. Daher müsste man überlegen, Bargeld den Status des gesetzlichen Zahlungsmittels zu entziehen und ihn auf Bankguthaben zu übertragen. Das schafft zwar Probleme, aber die Autorinnen halten diese für lösbar und ziehen das Resümee:
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‚Ein solches gespaltenes lokales Währungssystem sollte zusammen mit Alternativen in Betracht gezogen werden, um die Geldpolitik im Niedrigzinsumfeld effektiv zu halten.‘
Man sollte das im Lichte der letzten Finanzkrise betrachten, dessen Auswirkungen Europa heute noch in Form zerrütteter Staatsfinanzen in vielen Ländern heftig spürt: Weil die Banken sich kollektiv verzockt haben und zur Gewinnmaximierung viel mehr Buchgeld in Umlauf gebracht haben als mit Stabilität vereinbar war, soll nun Bargeld als Disziplinierungsmittel beseitigt werden. Der Vorwand ist, dass die Notenbanken dann in einer Finanzkrise besser agieren können. Die direkten Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit und Heftigkeit einer solchen Krise verschweigen sie. Die Banken können und werden dann noch ungenierter zocken und zur Gewinnmaximierung noch mehr von ihrem Buchgeld schaffen.
Bargeld ade in Kanada?
Der radikalste Vorschlag kommt von der Bank von Kanada. Sie fragt in einem im Oktober veröffentlichten Arbeitspapier, ob man Bargeld vermissen würde, wenn es nicht mehr da wäre: ‚Is a Cashless Society Problematic?‚ Dafür prüfen die drei Autoren der Studie alle möglichen Aspekte, die als Vorteile von Bargeld gelten, und kommen jeweils zu dem Ergebnis, dass elektronisches Geld das Gleiche leisten könnte.
Das mögliche Problem, dass Menschen im abgelegenen, dünn besiedelten Norden des Landes keine zuverlässige Kommunikationsinfrastruktur für elektronisches Bezahlen haben, wischen die Autoren mit dem Hinweis beiseite, dass fast alle Kanadier einen Telefonvertrag abgeschlossen hätten. Das ist schon ziemlich dreiste Propaganda.
Blackouts der Zahlungsverkehrssysteme seien auch kein großes Problem, weil viele Menschen und Unternehmen Verträge mit verschiedenen Anbietern hätten und die wichtigsten Abwicklungssysteme auf Zuverlässigkeit geprüft werden. Die Sorge, dass die Abwicklungsgebühren kräftig steigen könnten, wenn der Konkurrent Bargeld weg ist, halten die Autoren für unbegründet, weil es weiterhin Konkurrenz zwischen verschiedenen Anbietern gebe.
Globale Kampagne gegen das Bargeld
Die drei Notenbanken sind alle in die von Larry Summers gegründete G20-Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer eingebunden. Diese hat auf Initiative der US-Regierung eine Globale Partnershaft für finanzielle Inklusion gegründet, die unter dem Vorwand der Armutsbekämpfung an der Zurückdrängung des Bargelds arbeitet. Wichtigste Kooperationspartner und Vorbereiter der Partnerschaft sind Visa, Mastercard, Bill Gates und die US-Regierung – über die Besser-als-Bargeld-Allianz und ähnliche Anti-Bargeld-Lobbies.
Schweden hält gegen
Kritischer sieht das ausgerechnet die Notenbank von Schweden. In dem Land ist die Bargeldnutzung bereits sehr gering, in manchen dünn besiedelten Gegenden ist nur noch schwer an Bargeld zu kommen. Die Bank von Schweden hatte großen Anteil daran, dass es so kam. So erstaunt es vordergründig, dass sich ausgerechnet Notenbankchef Stefan Ingves erst Ende Oktober wieder für eine gesetzliche Verpflichtung für alle kontoführenden Banken aussprach, Bargeldein- und -auszahlungen anzubieten.
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In Krisenzeiten sei das robuste Zahlungsmittel dringend nötig, urteilte Ingves und forderte, den Annahmezwang aus dem Status von Bargeld als gesetzlichem Zahlungsmittel zu stärken. ‚Wenn das Zahlungsmittel, das die Reichsbank herausgibt, nicht allgemein akzeptiert wird, wird es schwer für die Reichsbank, ihre Aufgabe zu erfüllen, ein sicheres und effizientes Zahlungssystem bereitzustellen.‘
Das stimmt alles. Aber warum besinnt sich die Schwedische Reichsbank nun plötzlich der Vorteile des Bargelds? Die Notenbank arbeitet an einem digitalen Zentralbankgeld, das viele Vorteile des Bargelds in die digitale Welt überführen soll. Allerdings nicht die Wahrung der Privatsphäre und die Robustheit des Systems nur bedingt. Ein solches digitales Zentralbankgeld ist ein sehr unbequemer Konkurrent für die Banken. Es wird von der Zentralbank vermarktet als etwas, was da sein muss, bevor man Bargeld abschaffen könne. So sieht der Deal für die Banken aus. Wenn ihr unseren digitalen Bargeldersatz bekämpft, müsst ihr weiter mit dem für Euch noch lästigeren Bargeld leben.
Aufruf zum Mitmachen bei der #BargeldChallenge
Hintergrund zur Better Than Cash Alliance und zur Global Partnership for financial Inclusion:
Die wichtigsten Strippenzieher der globalen Kampagne gegen das Bargeld 16.08.2018
„Finanzielle Inklusion“, Code für Bargeldabschaffung in Entwicklungsländern, und was davon zu halten ist 13.10.2017 (Von Philip Mader)
Wie eine gekaufte UN-Organisation mit Visa und Mastercard an der Abschaffung des Bargelds arbeitet (1) 12.04.2016 |