Bitcoin ist kein digitales Gold

23. 04. 2018 | Als die elektronische Kunstwährung Bitcoin Mitte Dezember 2017 auf knapp 20.000 Dollar pro Stück hochschoss, um dann bis Anfang Januar auf 7000 Dollar einzubrechen, schien für viele das Ende einer Spekulationsblase besiegelt. Die Kryptowährung werde auf ihren inneren Wert von null fallen. Derzeit kostet sie wieder knapp 9000 Dollar. Warum ist Bitcoin so robust? Die Analogie zum Gold erklärt es nicht.

Nachdem der Rauch sich verzogen hatte, stabilisierte sich der Bitcoin zunächst bei gut 10.000 Dollar. Das war immer noch annähernd das Zehnfache des Wertes von Anfang 2017. Nachdem die Aufsichtsbehörden in Japan und den USA sich einige Bitcoin-Börsen zur Brust genommen hatten, kam der Kurs wieder ins Rutschen und fiel bis Anfang April auf rund 6600 Dollar, nur um seither wieder um ein gutes Drittel auf 9000 Dollar zu steigen.

Für die Volkswirte der Deutschen Bank war das heftige Auf und Ab Anlass, sich in einer Studie ausführlich der Frage zu widmen, wie man den angemessenen Wert des Bitcoins feststellen kann.

Das Bitcoin-System nutzt das Internet und ist im Gegensatz zum klassischen Zahlungsverkehr dezentral organisiert. Nicht eine nationalstaatliche Behörde gibt die Währung heraus, sondern Bitcoins werden global und privat in Umlauf gebracht. Das Angebot produzieren sogenannte Miner, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben mit neuen Bitcoins entlohnt werden. Das hat der anonyme Programmierer Satoshi Nakamoto, der Bitcoin 2009 erfand, so in den Code geschrieben. Um Bitcoin-Übertragungen von einem Konto auf ein anderes zu verifizieren, müssen die Miner alle jemals getätigten Bitcoin-Transaktionen kennen. Diese werden in der sogenannten Blockchain dokumentiert. Auf dieser Basis müssen sie eine Rechenaufgabe lösen. Mit der Verifizierung werden die neuen Transaktionen in die Blockchain geschrieben und gültig.

Nicht alle Elemente einer Spekulationsblase

Wenn ein Vermögenswert so extreme Kursanstiege hinlegt, wie der Bitcoin das getan hat, liegt der Verdacht einer Blase nahe. Das ist ein von Spekulation auf Kursgewinne getriebener Geldzustrom in einen Vermögenswert, der zu weiteren Kursgewinnen führt und noch mehr Geld anlockt. Bei einer Blase geht das so lange, bis irgendwann der Geldnachschub versiegt und die Kurse einbrechen. Dass das beim Bitcoin anders sein könnte, erklärt Deutsche-Bank-Ökonom Jochen Möbert damit, dass beim Bitcoin Schuldbeziehungen keine wichtige Rolle spielen – anders als zum Beispiel bei der Subprime-Immobilienkrise in den USA. In deren Vorfeld hatten Hauskäufe auf Kredit die Immobilienpreise hochgetrieben. Preissteigerungen waren nötig, damit die Kreditnehmer nicht pleitegingen. Allein schon das Ausbleiben von weiteren Preissteigerungen führte daher zum Kollaps des Systems. Anders beim Bitcoin: Die Leute, die für knapp 20.000 Dollar Bitcoins gekauft haben, haben Geld verloren, aber sie müssen dennoch in der Regel ihre Bitcoins nicht verkaufen. Die meisten sitzen auch bei einem Kurs von 8000 Dollar noch auf satten Gewinnen.

Bei einer nationalen Währung spricht man von Überbewertung, wenn ein Warenkorb in dieser Währung gerechnet im langfristigen Vergleich ungewöhnlich billig ist. Aber Bitcoin ist keine nationale Währung. Die meisten Ökonomen sagen sogar, Bitcoin sei gar keine Währung, weil es nur sehr wenige Transaktionen gibt. Entsprechend gibt es auch keine Bitcoin-Kaufkraft, die man als normal identifizieren könnte.

Ein Anlageobjekt wie eine Briefmarkensammlung

Versucht man den Bitcoin stattdessen als ein Anlageobjekt zu bewerten, als das er weithin gesehen wird, kommt man der Frage nach der fairen Bewertung auch kaum näher. Es gibt keinen Erlösstrom, und auch an Vergleichsobjekten fehlt es. Jon Danielsson von der London School of Economics vergleicht Bitcoin mit einer Briefmarkensammlung, deren Wert ebenfalls reine Konvention ist. Allerdings handelt es sich bei den meisten Sammlermärkten um fest gefügte Konventionen mit vielen ähnlichen Stücken. Experten können sagen, ob ein Preis für eine bestimmte Briefmarke oder einen Oldtimer angemessen oder deutlich zu hoch ist. Beim Bitcoin ist das nicht der Fall.

Wo objektive Bewertungsmaßstäbe fehlen, kommt es wie bei den Briefmarken darauf an, ob immer mehr Menschen darauf vertrauen, dass genug andere darauf vertrauen, dass Bitcoin sich als Wertanlage und Zahlungsmittel etabliert.

So beschreibt Möbert das Kernproblem. Mit jedem neuen Nutzer von Bitcoin-Börsen werde die Basis dafür breiter, stellt er optimistisch fest.

Allerdings kann eine solche Vertrauenskette reißen. Ein potenzieller, häufig genannter Grund dafür: Regierungen schreiten ein und verbieten den Handel mit Kryptowährungen. Möbert hält den Bitcoin allerdings für recht immun gegen diese Gefahr. Denn die Börsen können dorthin gehen, wo man sie in Frieden lässt, und Nutzer können von überall auf der Welt dort handeln.

Ob das allerdings noch gelten würde, wenn Regierungen auch das Bezahlen mit und das Halten von Bitcoins verböten, ist fraglich. Denkbar ist das ohne Weiteres. In sehr vielen Ländern gab es das in der Vergangenheit beim Gold, darunter in den USA, Deutschland und Großbritannien. Da die Nutzung von Bitcoins, wie der Report der Deutschen Bank darlegt, alles andere als anonym ist – außer für Menschen mit sehr guten Kenntnissen in anonymem Internetverkehr – , wäre ein solches Verbot wohl durchsetzbar.

Auf absehbare Zeit noch größer dürfte die Gefahr für Bitcoins sein, von einer konkurrierenden Kryptowährung verdrängt zu werden. Das Bitcoin-Programm stellt einen Prototyp dar, der nicht gerade ideal programmiert ist. Dadurch stößt das System bereits an Kapazitätsgrenzen und ist nicht in der Lage, einen nennenswerten Anteil des weltweiten Zahlungsverkehrs abzuwickeln. Die Bestätigung der Transaktionen dauert lange, bei den Berechnungen dazu wird extrem viel Energie verschwendet. Denn immer nur derjenige, der als Erster das richtige Ergebnis findet, wird mit Bitcoins belohnt. Alle anderen haben umsonst gerechnet und Energie verschwendet. Neuere Kryptowährungen sind so programmiert, dass das System leistungsfähiger ist und weniger verschwenderisch mit Ressourcen umgeht.

Bitcoin ist kein digtiales Gold

Die vertrauensbildende Besonderheit von Bitcoins, dass immer weniger von ihnen zusätzlich in Umlauf kommen und ab 2040 gar keine mehr, würde dann auch nicht helfen. Aktuell kommen noch alle zehn Minuten 12,5 Bitcoin zusätzlich in Umlauf. Diese „fest“ einprogrammierte Obergrenze könnte allerdings jederzeit aufgehoben werden, wie die Bankvolkswirte feststellen. Das Bitcoin-Protokoll ist nämlich nicht in Stein gemeißelt. Es gibt fast monatlich Regeländerungen. Die Bitcoin-Community, also die Miner, Entwickler und Programmierer, könnten auch beschließen, dass mehr Bitcoins generiert werden – etwa wenn das nötig sein sollte, damit sich genug Miner an der Transaktionsbestätigung beteiligen.

Eines ist klar: Wenn irgendetwas schiefgeht und das System zusammenbricht, sind die angesammelten Bitcoins nur noch wertlose Nullen und Einsen. Das ist ein großer Unterschied zu Gold, mit dem der Bitcoin gern verglichen wird, weil Bitcoins ja ebenfalls knapp und nicht beliebig vermehrbar sind. Bei Bitcoins stellen die Produktionskosten anders als bei Gold keine Wertuntergrenzen dar. Denn eine beträchtliche Menge Gold wird als Rohstoff in der Industrie oder für die Schmuckproduktion gebraucht. Sinkt der Preis unter die Produktionskosten, stoppt der Nachschub, und Anlagegold wird für die Produktion abgegeben. Das sorgt für steigende Preise. Bei Bitcoins gibt es diesen unabhängigen Bedarf nicht. „Daher sollte man Bitcoins weder als digitales Gold noch als Rohstoff bezeichnen“, warnt der Deutsche-Bank-Ökonom Möbert.

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