Der Rundfunkbeitrag gerät aus den Fugen – Vollstreckungsbehörden revoltieren

Die Zahl der Mahnungen, die der Beitragsservice verschicken muss, steigt weiter massiv, ebenso wie die nur noch absurd zu nennende Zahl der Zwangsvollstreckungen des Rundfunkbeitrags. Die örtlichen Vollstreckungsbehörden sind von der Vollstreckungswut der Rundfunkanstalten überlastet und zunehmend unwillig, den Wahnsinn weiter mitzumachen. Der Beitragsservice muss deshalb bereits seine Vollstreckungsersuchen rationieren.

Sage und schreibe 1,4 Millionen Vollstreckungsersuchen brachte der Beitragsservice 2015 auf den Weg. Das ist nochmal eine halbe Million mehr als 2014 und doppelt so viel wie 2013 und in den Jahren zuvor. Mehr als jeder 30. Beitragspflichtige wurde in nur einem Jahr mit Vollstreckungsmaßnahmen überzogen. Da der Rundfunk keine eigenen Vollstreckungsbeamten hat, ist er auf Amtshilfe angewiesen, etwa der Kommunen. Was es diese kostet, millionenfach Vollstreckungsbeamte und Gerichte zu beschäftigen, taucht im Geschäftsbericht des Beitragsservice nicht auf. Nur deshalb kann er relativ zum Beitragsaufkommen bescheidene Verwaltungskosten ausweisen. Die Kosten des Rundfunkbeitrags werden so verschleiert und kleingerechnet.

Die Kommunen und sonstigen Vollstreckungsorgane sind jedoch immer weniger willig, diesen Wahnsinn weiter mitzumachen. Deshalb hat der Beitragsservice laut seinem Geschäftsbericht für 2015 im November 2014 eine auf die Bundesländer heruntergebrochene Rationierung der Ersuchen eingeführt:

„Durch die erhöhte Ausbringung von Vollstreckungsersuchen ab Ende 2014 liegt eine Belastung der bundesweiten Vollstreckungsorgane (z. B. örtliche Vollstreckungsbehörden) vor. Um diese Vollstreckungsorgane zu entlasten, wird seit November 2014 die Ausbringung der Vollstreckungsersuchen bei den Beitragskonten, die im Rahmen des bundesweiten Meldedatenabgleichs und der anlassbezogenen Meldedatenübermittlung aufgrund des Ausbleibens einer Reaktion der/des Beitragspflichtigen angemeldet wurden, auf monatlich rd. 60.000 Vollstreckungsersuchen begrenzt. Diese Vollstreckungsersuchen werden prozentual anteilig auf die Bundesländer verteilt.“

Bemerkenswert ist hier einerseits, dass der Beitragsservice diese Rationierung in seinem Geschäftsbericht für 2014 nicht für mitteilenswert hielt. Inzwischen fällt es ihm leichter, dies mitzuteilen, denn die vorgesehene Evaluierung des neuen Beitragssystems ist inzwischen erfolgt, ohne dass dabei der Vollstreckungs- und Mahnwahnsinn auch nur ansatzweise ein Thema gewesen wäre. Nicht einmal bei den „nicht analysierten Fragestellungen“ wird es aufgeführt. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. 

Bemerkenswert ist andererseits, dass trotz dieser Deckelung der Vollstreckungsersuchen, die auf die Meldung neuer Beitragspflichtiger durch die Meldeämter zurückgehen, der traurige Rekord von 1,4 Millionen Vollstreckungsersuchen erreicht wurde. Bei den Meldungen durch die Meldeämter ist regelmäßig ein hoher Anteil an Leuten dabei, die nur vorübergehend dort wohnen, wo sie sich anmelden, z.B. Saisonarbeiter, oder bei denen aus anderen Gründen nichts zu holen ist. Dieser Meldedatenabgleich wird von den Rundfunkanstalten als wichtigster, wenn nicht einziger Grund für die explodierenden Mahnungen und Vollstreckungen genannt. Das ist offenkundig nicht richtig, wenn trotz der Deckelung der darauf zurückgehenden  Vollstreckungsersuchen auf 720.000 im Jahr die Vollstreckungsersuchen insgesamt auf 1,4 Millionen ansteigen. 

Das lässt die beiden anderen möglichen Hauptursachen in den Fokus rücken: Entweder, sehr viele Menschen empfinden den Rundfunkbeitrag als ungerecht und weigern sich zu zahlen, oder sehr viele Menschen können ihn nicht bezahlen, oder beides.

Die Evaluierer haben aber offenkundig die Ministerpräsidenten überzeugt, dass das neue System trotz absurder Vollstreckungszahlen hervorragend funktioniert. Deshalb wollen die Ministerpräsidenten den eigentlich nur einmalig zur Einführung des neuen Systems vorgesehenen vollständigen Meldedatenabgleich zur periodischen Dauereinrichtung machen. Entsprechend lässt der Beitragsservice, der bisher immer argumentierte, die Explosion der Mahn- und Vollstreckungsverfahren liege nur an der Umstellung von Rundfunkgebühr auf Rundfunkbeitrag und sei daher vorübergehend, alle Hoffnung hierauf fahren und erwartet nun „ein dauerhaft erhöhtes Niveau der auszubringenden Mahnmaßnahmen“. Es fällt schwer, das zu lesen und zu glauben: der Rundfunk will auch künftig jährlich etwa 25 Millionen Bürger mahnen und etwa 1,4 Millionen von ihnen den Gerichtsvollzieher ins Haus schicken und meint, das sei in Ordnung und damit tue er sich einen Gefallen. Die Damen und Herren haben jegliche Bodenhaftung verloren. Anders lässt sich das kaum erklären.

Die Evaluation des Rundfunkbeitrags, die all diese zentralen Fragen ausklammerte, erbrachte nur Vorschläge für Änderungen in kleinen Details, die die Länder inzwischen in einen geänderten Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gegossen haben. Wenn er in Kraft tritt (planmäßig 1.1.2017) sind zum Beispiel in Ausbildung befindliche Kinder von Beitragsbefreiten automatisch auch befreit.

Auch wenn das in Anbetracht der vielen Ungerechtigkeiten des Rundfunkbeitrags nur eine Nebenbaustelle ist, wären die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen besser beraten gewesen, gleich noch eine andere Baustelle anzugehen, den rechtswidrigen Ausschluss der Zahlung des Rundfunkbeitrags mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel Euro-Banknoten und Münzen. Mein Verfahren dagegen vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt ist weiter anhängig. Ein Termin für die Verhandlung ist für die zweite Jahreshälfte avisiert, aber noch nicht terminiert. Doch die Justiziarin des Westdeutschen Rundfunks hatte auch hierzu bei der Vorstellung des Geschäftsberichts des Beitragsservice Unglaubliches zu berichten, wie wir im nächsten Beitrag sehen werden, Unglaubliches im wahrsten Sinne des Wortes.

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